Politik

Nach wie vor ist unklar, welche Corona-Maßnahmen erfolgreich waren. Daher fehlt laut Fachleuten dem WHO-Pandemievertrag die inhaltliche Grundlage. (Foto: dpa/Bodo Schackow)

05.01.2024

"Fehler werden so zementiert"

Die Weltgesundheitsorganisation arbeitet an einem Pandemievertrag – Politik und Wissenschaft sind alarmiert

Um künftig besser auf Pandemien vorbereitet zu sein und einheitlich vorzugehen, arbeitet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seit Längerem an einem Pandemievertrag. Viele Menschen befürchten durch diese erheblichen Einschränkungen oder gar den Verlust der Grundrechte. „Diese Macht gehört nicht in die Hände einer Institution, die sich über Pharmaindustrie, Privatiers und Geschäftsleute finanziert“, heißt es in einer Bundestags-Petition. 

Die WHO ist in den Augen der Petentin, einer Kanzleiangestellten aus dem niedersächsischen Wolfenbüttel, nicht vertrauenswürdig, weil sie während der Pandemie nur auf den RNA-Impfstoff gesetzt habe, obwohl dieser nicht ausreichend getestet worden sei. Außerdem sei es nicht hinnehmbar, wenn dem WHO-Generaldirektor die Möglichkeit eingeräumt werde, eine Pandemie „willkürlich“ auszurufen. Sie forderte daher die Bundesregierung auf, dem Vertrag nicht zuzustimmen. Das sahen 74 000 Menschen genauso, weshalb die Eingabe im Bundestag behandelt wurde.

In der Sitzung des Petitionsausschusses Ende letzten Jahres versuchte die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Sabine Dittmar (SPD), zu beschwichtigen. Ob der WHO-Generaldirektor künftig eine Pandemie ausrufen kann, werde derzeit noch diskutiert. Was die Zulassung von Impfstoffen angehe: Dafür sei die WHO überhaupt nicht zuständig. Und der Einfluss privater Geldgeber sei marginal, 90 Prozent der Finanzmittel kämen von den Mitgliedstaaten oder von ihnen getragenen Organisationen. Insgesamt beträgt das WHO-Budget 6,7 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: Der Haushalt des Freistaats umfasst 71 Milliarden Euro.

Das Bundesgesundheitsministerium betont auf Anfrage der Staatszeitung, Deutschland verliere durch den Pandemievertrag keineswegs seine Souveränität, wie es in den sozialen Netzwerken oft heißt. „Die final verhandelten Regelungen müssen von den souveränen Staaten jeweils ratifiziert werden, um national Rechtswirkung zu entfalten“, schreibt ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Konkret müssen also Bundestag und Bundesrat zustimmen. Bayern begrüßt das Vorhaben.

Auch andere Meldungen sind nach Aussage von Fachleuten Fake News. So steht in den WHO-Entwürfen laut dem Heidelberger Völkerrechtsexperten Pedro Villarreal derzeit nichts zu einer möglichen Impfpflicht. Gleiches soll auch für digitale Pässe gelten, die in sozialen Netzwerken als Nachfolger für das digitale Covid-Zertifikat genannt werden. Auch ist die WHO laut eigener Aussage nicht befugt, Soldaten in ein Land zu entsenden.

Bis der Vertrag laut Plan im Mai unterzeichnet wird, kann sich inhaltlich allerdings noch viel ändern. Die WHO hat eine Zwangsimpfung zwar bisher abgelehnt, sie aber als letzte Möglichkeit nicht ausgeschlossen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich beim Thema Corona manche vermeintliche Fake News im Laufe der Zeit doch als wahr entpuppt – und umgekehrt. Erst im Dezember wurde bekannt, dass Corona-Vakzine mit mRNA-Technologie zur Produktion unerwünschter Proteine führen, sogenannte Frameshift-Fehler.

Aus der Wissenschaft kommen noch aus ganz anderen Gründen kritische Stimmen gegen einen Pandemievertrag. Manche nennen ihn ein Bürokratiemonster. Der Verein "Sokrates – ein Forum kritischer Rationalisten" beklagt vor allem, dass die wissenschaftliche Aufarbeitung der Pandemie im Gegensatz zu Schweden in anderen Ländern wie Deutschland an der Politik gescheitert ist. „Da ungeklärt ist, welche Maßnahmen sich als erfolgreich erwiesen haben, fehlt für den Pandemievertrag die inhaltliche Grundlage“, erklärt Lungenfacharzt Dieter Köhler. Fehler würden so gesetzlich zementiert.

„WHO-Empfehlungen führen zu Todesfällen“

Als Beispiel nennt er die Empfehlung der WHO, bereits bei geringem Sauerstoff-Sättigungsabfall zu intubieren und zu beatmen, obwohl sich dadurch die Zahl der Todesfälle drastisch erhöht habe. Auch fehle es an Daten, um Auffrischimpfungen zu begründen. „Die angeführten epidemiologischen Beobachtungsstudien sind extrem anfällig für massive Verzerrungen“, heißt es in der Studie, die Köhler unter anderem mit dem Medizinstatistiker Gerd Antes erstellt hat. Und obwohl seit 2008 bekannt ist, dass ausgeatmete Viren wie Zigarettenrauch über Stunden in der Luft bleiben, habe die WHO ihre Hygieneempfehlungen für Innenräume bis heute nicht geändert.

Unzufrieden sind auch Teile der Politik. Die Linken in Bayern sorgen sich bei künftigen Impfstoffen um den globalen Süden: Große Konzerne hätten mit Unterstützung der Industriestaaten und der Pharmalobby durch ihre Patente eine gerechte Verteilung verhindert. Besserung sei nicht in Sicht. „Aber auch die WHO selbst ist kritisch zu beurteilen“, betont Landessprecherin Kathrin Flach Gomez im Gespräch mit der BSZ. 80 Prozent der Spendengelder seien Zweckgebunden und würden vorwiegend in Impf- und Medikamentenkampagnen statt in Präventionsmaßnahmen investiert.

Der bayerische FDP-Bundestagsabgeordnete Andrew Ullmann hingegen verteidigt die Patentregelungen. „Der Schutz von geistigem Eigentum darf nicht geschwächt werden“, unterstreicht er. Dieser sei entscheidend für eine schnelle und effektive Reaktion auf eine Pandemie. Das sieht auch das bayerische Gesundheitsministerium so. Um die vielen kursierenden Fehlinformationen zum Pandemievertrag einzudämmen, fordert Ullmann eine breite öffentliche Debatte über dessen Inhalte.

Das verlangt auch die AfD-Fraktion in Bayern. Sie befürchtet sonst, dass die finanziellen Belastungen ungleichmäßig und ungerecht auf die Länder verteilt werden. Ansonsten gibt sich die Fraktion, die gegen die Corona-Maßnahmen klagte, überraschend zahm. Ihre Forderung: Sicherstellen, dass alle Menschen unabhängig von Status, Alter oder Herkunft gleichberechtigten Zugang zu „Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung“ haben.

Die Grünen im Bundestag konnten oder wollten sich nicht äußern. (David Lohmann)
 

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