Politik

Sponsoring von Medizinprodukten scheint inzwischen trotz vieler Bedenken akzeptiert zu sein. (Foto: dpa/Hendrik Schmidt)

28.10.2022

Fortbildung oder Werbekongress?

Pharmakonzerne sponsern Veranstaltungen, die sich ärztliches Fachpersonal beruflich anrechnen lassen kann

Wie stark Wachstum durch Innovation gefördert wird, zeigt Pfizer: Dank des mit Biontech entwickelten Impfstoffs gegen Covid-19 erwirtschaftete der Konzern 2021 einen Gewinn von fast 22 Milliarden US-Dollar. Wer so viel verdient, kann sich ein üppiges Sponsoring leisten. 22 500 Euro gibt Pfizer etwa für ein großes Covid-19-Symposium in Köln am 4. und 5. November aus. Insgesamt, kritisiert der Lohrer Psychiater Dominikus Bönsch, wird der Kongress mit über 100 000 Euro von der Pharmaindustrie gesponsert. 

Jeder Forschende, egal ob aus dem Bereich Medizin oder Jura, kann in Interessenkonflikte geraten. Besonders ausgeprägt sind die aber in der Medizin, sagt Dominikus Bönsch. Er muss es wissen, engagiert er sich doch sowohl im Bundesvorstand von Mezis („Mein Essen zahle ich selbst“), der Organisation unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, als auch in der Initiative Leitlinienwatch. Dass das Symposium Covid-19: Rückblick und Ausblick der Walter-Siegenthaler-Gesellschaft von Pfizer, Astrazeneca, MSD, Gilead Sciences, Janssen-Cilag, GlaxoSmithKline und Roche gesponsert wird, ist für ihn ein „Skandal“. Damit werde der Kongress zur „Werbeveranstaltung“. 

Statt die Pandemie endlich zu überwinden, schlägt die Medizinlobby in Deutschland weiterhin Alarm. Ob der Kongress hierzu echte neue Erkenntnisse liefern wird, scheint aufgrund des Sponsorings fraglich. Dennoch sollen die teilnehmenden Ärzt*innen dafür sogenannte Fortbildungspunkte erhalten. Vor allem dagegen protestiert Mezis lautstark. Die Organisation fordert von der Bundesärztekammer, den Kongress nicht als Fortbildung anzuerkennen. Noch steht laut Bönsch eine Entscheidung aus. 

Dass die Pharmafirmen kurz vor Kongressstart den Laufpass bekämen, war kaum zu erwarten. Immerhin etwas erreichte der Protest, so Bönsch: „Formulierungen im Programmheft wurden verändert.“ Ursprünglich stand unter vier Vorträgen ein Sponsor. Besonders skandalös war dies nach Ansicht des Psychiaters im Falle von Stefan Kluge. Der Direktor der Hamburger Uniklinik für Intensivmedizin präsentiert, ursprünglich „freundlich unterstützt“ von Pfizer, die Empfehlungen aus der S3-Leitlinie zur stationären Therapie von Covid-19. Diese enthält Hinweise zur Handhabung des laut Bönsch fragwürdigen Medikaments Paxlovid von Pfizer. 

Der Pharmakonzern, der – wie bekannt wurde – plant, in Kürze den Mondpreis von 130 Dollar für eine Impfstoffdosis zu verlangen, ist auf vielfältige Weise mit Kluge verbandelt. Laut Ärztezeitung erhielt er schon Forschungsunterstützung, Vortrags-, Berater- und Gutachterhonorare von Pfizer. Dennoch taucht er nicht im Pfizer-Sponsoring-Bericht für 2021 auf. Daraus geht hervor, dass Pfizer die Medizin in Deutschland 2021 mit über 20 Millionen Euro sponserte. Der Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2021 wurde allein von Pfizer mit über 63 000 Euro unterstützt. Die onkowissen.de aus Würzburg, Entwickler von Digital-Health-Produkten, erhielt 469 000 Euro.

Wie seriös ist ein Vortrag „sponsored by Pfizer“?

Eine Lehre, die aus dem NS-Regime gezogen wurde, war, dass die Medizin höchsten ethischen Ansprüchen genügen muss. Hierauf machten soeben auch die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) in ihrem Kongress Von den Nürnberger Prozessen zur Medizinethik der Gegenwart aufmerksam. Dabei ging es unter anderem um die Ökonomisierung der Medizin. Die allerdings ist weit fortgeschritten. Das zeigt der Sponsoring-Bericht von Pfizer. Höchst bedenklich ist für Dominikus Bönsch aber auch, dass mit Alena Buyx eine Medizinerin an der Spitze des Deutschen Ethikrats steht, die massiv von pharmanahen Institutionen wie dem Wellcome Trust gefördert wird. Allerdings bestreitet das der Deutsche Ethikrat und verweist auf die Website des Instituts von Alena Buyx, auf der alle Forschungsgelder und die jeweiligen fördernden Institutionen transparent und lückenlos abgebildet seien.

In den Bundes- und Landesparlamenten stellt fast nur die mindestens rechtspopulistische Oppositionspartei AfD kritische Anfragen zu den Corona-Produkten von Biontech-Pfizer. Auch die Presse duckt sich laut Dominikus Bönsch weitgehend weg. Die Pressemitteilung von Mezis über das Pharmasponsoring des Covid-19-Symposiums sei bisher nirgends veröffentlicht worden. Außer von der Staatszeitung habe er als Mezis-Bundesvorstand keine weiteren Presseanfragen erhalten. Sponsoring von Medizinprodukten scheint inzwischen akzeptiert. Letztlich handelt es sich dabei um ein uraltes Phänomen. 

Schon Damian, ein Patron des ärztlichen Fachpersonals, geriet in einen Interessenkonflikt. Der um 260 geborene Heilkundige hätte sich fast mit seinem Zwillingsbruder Cosmas überworfen, der Damian vorwarf, er hätte für die Heilung einer reichen Dame ein Geschenk angenommen. Die beiden Schutzpatrone sind im Siegel der Medizinischen Fakultät der Uni Leipzig dargestellt. Diese sorgte im November 2021 für Aufsehen, als sich die Hochschule abrupt von einem niedergelassenen Lehrarzt trennte, der nicht länger gegen Corona impfen wollte. 

Sachliche Kritik muss erlaubt sein, findet Dominikus Bönsch. Gerade bei jungen Menschen sei eine Corona-Impfung kontraproduktiv. „Man müsste hier 800 000 Menschen impfen, um einen Todesfall zu verhindern.“ Nach aktuellen Erkenntnissen rufe aber möglicherweise jede 800. Impfung schwere Nebenwirkungen hervor. „Man nimmt also 1000 Impfschäden in Kauf, um einen Todesfall zu verhüten“, sagt der Bundesvorsitzende. Solche Fragen müssten diskutiert werden. In Köln geschieht das sicher nicht. (Pat Christ)

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