An Bürgermoaster, der sich zum Biseln hihockt, brauch ma ned!“ Eine CSU-Frau mit Bürgermeisterin-Ambitionen musste sich diesen Spruch einst von Parteikollegen anhören. Das war vor knapp 20 Jahren. Was heute anders ist: Kein Mannsbild würde es wagen, so blöd daherzureden. Trotzdem ist der Frauenanteil in der bayerischen Kommunalpolitik noch immer erschreckend gering. Lediglich fünf der 71 Landkreise werden von Frauen geführt. Und nur gut 8 Prozent der Rathauschefs sind weiblich.
Ob sich das mit der Kommunalwahl im nächsten Jahr bessert? In der CSU jedenfalls ist man überaus stolz darauf, in München, Augsburg, Regensburg und Neu-Ulm Frauen ins Rennen um den Oberbürgermeistersessel schicken zu können. Die paritätisch besetzte Kandidatenliste für den Nürnberger Stadtrat ist ebenfalls ein CSU-Novum. Die Grünen als derzeit zweitstärkste politische Kraft haben ohnehin keinen Mangel an weiblichen Kandidaten.
Auf dem Land ist es für die großen Parteien nach wie vor schwierig, Frauen für Listen oder gar als Spitzenkandidatinnen zu rekrutieren. Ein banaler Grund: Es sind auch heute noch überwiegend die Frauen, die sich um Haushalt und Kinder kümmern. „Deshalb fehlt vielen die Zeit, sich politisch zu engagieren“, sagt Maria Rita Zinnecker, seit 2014 CSU-Landrätin des Ostallgäus. Die 54-Jährige selbst ist kinderlos. Anders Rita Röhrl (SPD), die 27 Jahre lang Bürgermeisterin der Marktgemeinde Teisnach war, bevor sie 2017 zur Landrätin von Regen avancierte. Doch auch sie ist überzeugt: Mit einer Familie lasse sich so ein Amt kaum vereinbaren. „Da arbeiten Sie 100 Stunden die Woche.“ Und so startete die 65-Jährige politisch erst richtig durch, als ihre Tochter erwachsen war.
Durchstarten will jetzt auch die Alleinerziehende Claudia Griebel, deren Söhne 16 und 18 Jahre alt sind. Gerade erst bei den Freien Wählern eingetreten, wurde die 50-Jährige gefragt, ob sie Bürgermeisterkandidatin für den Markt Essenbach bei Landshut werden wolle. Mit 29 Prozent der Stimmen musste sie sich zwar dem FW-Mitbewerber, einem alten Polit-Hasen, geschlagen geben. Aber: Ein guter Platz auf der Liste für den Gemeinderat ist ihr dank der positiven Resonanz sicher. Allerdings sagt Griebel auch: „Ich bin heute noch nicht überzeugt, ob man im Vorstand wirklich hinter meiner Kandidatur stand.“ Vielleicht habe man auch nur einen zweiten Kandidaten gebraucht, damit die Mitglieder eine Auswahl bekamen.
Kandidaturen werden oft am Stammtisch ausgekartelt
- wo Männer unter sich sind
Ein bekanntes Phänomen. „Gerade Parteien wie CSU und Freie Wähler holen gerne Frauen nach vorne, von denen klar ist, dass sie nicht gewählt werden“, sagt die Soziologin Mina Mittertrainer, die an der Hochschule Landshut erforscht, wie man mehr Frauen in die Kommunalpolitik bekommt. In ihren Augen ist es nicht nur die mangelnde Vereinbarkeit von Familie, Politik und Beruf, die Frauen zum Nachteil gereicht. „Es sind vor allem die noch immer männlich geprägten Strukturen in der Politik.“ Listenplätze würden noch allzu oft an Stammtischen oder in Vereins-Hinterzimmern vergeben. Dazu kämen kulturelle Geschlechtermuster, so Mittertrainer. Frauen müssten sich immer besonders beweisen. „Sie müssen gut vorbereitet sein, sich in vielen Themen auskennen und neue Ideen haben. Das wird von Männern nicht erwartet.“
„Da wird viel gegockelt“, bestätigt Astrid Freudenstein, Bundestagsabgeordnete und OB-Spitzenkandidatin der Regensburger CSU. Redebeiträge könnten oft viel prägnanter und kürzer sein und es müsste sich nicht der fünfte Kollege zum selben Thema äußern, stöhnt die 45-Jährige. Sie glaubt: Frauen müssten oft ermuntert werden, mitzumachen. „Und sie müssen oft mehrmals angesprochen werden“, ergänzt Soziologin Mittertrainer. „Viele trauen sich etwas erst nach dem zweiten oder dritten Mal zu.“
Auch Marlen Laurien griff nicht sofort zu, als man ihr vor fünf Jahren den Vorsitz des SPD-Ortsvereins im mittelfränkischen Ammerndorf antrug. „Doch nur meckern von der Außenbande wollte ich auf Dauer auch nicht“, sagt die 36-jährige Mutter von achtjährigen Zwillingen. Jetzt kandidiert sie sogar als Bürgermeisterin. „Kommunalpolitik ist vor allem Familienpolitik“, sagt sie. Um die richtigen Fragen zu stellen, brauche es deshalb auch Frauen. Typisches Beispiel: „Wird ein neuer Kinderspielplatz gebaut, gilt die erste Frage den Kosten – ob er aber auch ein guter Begegnungsort und für die Kinder attraktiv ist, ist nachrangig.“
Ob es Laurien angesichts der stark gebeutelten SPD auf den Chefsessel schafft, ist allerdings fraglich. Auf eines ist sie aber jetzt schon stolz. Sie hat genug Frauen gefunden, um die Liste für den Gemeinderat paritätisch besetzen zu können. Leicht war das nicht, gesteht Laurien. Ihr Hauptargument in den Diskussionen mit potenziellen Kandidatinnen: Aktuell sitzt im 14-köpfigen Gemeinderat von Ammerndorf nur eine einzige Frau. „Diese bittere Erkenntnis hat gezogen.“
(Angelika Kahl)
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