Politik

Dafür oder dagegen? Die SPD-Abstimmung über den Koalitionsvertrag läuft ausschließlich digital. (Foto: dpa/Sebastian Gollnow)

25.04.2025

Gedämpfte Begeisterung

Wie die SPD-Mitgliederbefragung läuft

In der bayerischen SPD herrscht gerade so etwas wie eine Bauchschmerz-Epidemie. Noch bis kommenden Dienstag läuft die Mitgliederbefragung zur Abstimmung über den Koalitionsvertrag von Union und SPD, und nach Lage der Dinge wird sich unter den fast 360.000 bundesweit stimmberechtigten Mitgliedern eine Mehrheit für dessen Annahme finden. Allerdings setzen viele bayerische Sozis ihr Häkchen – die Abstimmung erfolgt ausschließlich digital – bei „Ja“ mit Bauchschmerzen, wie man immer wieder hört. Denn bei den Themen Migration, Arbeitsrecht, Bürgergeld und Reichenbesteuerung finden sich auf den 140 Seiten doch allerhand Zumutungen für die sozialdemokratische Seele.

„Ich habe zugestimmt, denn ich sehe keine vernünftige politische Alternative dazu“, bekennt sich der frühere SPD-Landeschef Florian von Brunn mit gedämpfter Begeisterung. Brunn gehört zu den Linken in der SPD und ist sicherlich kein Freund konservativer Politik. Aber die Aussicht auf eine rechnerisch mögliche Koalition von CDU/CSU und AfD lässt ihn über so manchen Kritikpunkt generös hinwegsehen. Auch Neuwahlen sind für ihn keine Option angesichts kontinuierlich steigender Umfragewerte für die AfD. Dann lieber doch Schwarz-Rot. Für seine Verhältnisse ungewöhnlich staatstragend spricht sich von Brunn für eine Politik aus, „die die Menschen wieder für die politische Mitte zurückgewinnt“. Dabei rumorte es in von Brunns Bauch zuletzt noch besonders heftig, als CDU-Chef Friedrich Merz die Einigung zum Mindestlohn infrage gestellt und der wieder für ein Ministeramt gehandelte CDU-Abgeordnete Jens Spahn für einen entspannteren Umgang mit der AfD plädiert hatte. Echte Wahlwerbung mit Blick auf die SPD-Abstimmung ist das für von Brunn nicht gewesen.

Jusos sind dagegen

Bayerns Jusos geht das Staatstragende dagegen ab. Der Parteinachwuchs wirbt offen für ein Nein. „In der Gesamtbewertung ist der vorgelegte Koalitionsvertrag nicht geeignet, um die zentralen politischen Fragen und die enorme Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft anzugehen“, heißt es in einem Juso-Beschluss. Landeschef Benedict Lang hat zwar auch einige positive Punkte entdeckt, doch im Kern sei der Vertrag faul. „Einen solchen Apfel esse ich nicht, auch wenn ein paar saftige Stellen dabei sind“, formuliert er. Im Fall einer Ablehnung des Vertrags fordern die Jusos Nachverhandlungen mit der Union – was SPD-Bundeschef Lars Klingbeil aber schon ausgeschlossen hat.

Die bayerische SPD-Generalsekretärin Ruth Müller – auch sie besonderer Unionsnähe unverdächtig – richtet den Blick auf die Erfolge der SPD-Verhandler. „Im Verhältnis zu unserem Wahlergebnis haben wir viele Sachen durchgebracht, die die Union im Wahlkampf noch für unmöglich erklärt hatte“, findet Müller. Sie setzt die mauen 16,4 Prozent für die SPD in Bezug zur Reform der Schuldenbremse, dem Sondervermögen für Infrastruktur, der geplanten Erhöhung des Mindestlohns und dem endgültigen Aus für die Atomkraft.

Tenor: Die paar Kröten muss man jetzt halt schlucken

Von dieser Sichtweise sei auch ihre Parteibasis mehrheitlich geprägt. Insgesamt gut verhandelt, und die paar Kröten, die im Vertrag enthalten seien, müsse man halt schlucken, fasst Müller das Meinungsbild zusammen.

Das deckt sich mit der Haltung und den Erfahrungen von SPD-Fraktionschef Holger Grießhammer. Ihm ist vor allem wichtig, dass sich die Koalitionäre in spe auf Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum geeinigt haben. Nur so sei der Sozialstaat finanzierbar. „Im Koalitionsvertrag sind gute Ansätze für eine erfolgreiche Industriepolitik enthalten“, urteilt Grießhammer und nennt als Beispiel die Verständigung auf Strompreissenkungen. Er geht auch deshalb von einer „satten Mehrheit“ für den Koalitionsvertrag aus. Dass dies so kommen wird, führt Müller auf die transparente parteiinterne Kommunikation zurück. In praktisch jedem Bundestagswahlkreis hätten den Mitgliedern entweder Teilnehmer aus den Verhandlerteams oder fachlich einbezogene Bundestagsabgeordnete zur Verfügung gestanden. Das Interesse an Information und Beteiligung sei groß gewesen.

Noch bis Dienstag um 23.59 Uhr haben die SPD-Mitglieder Zeit, ihre Stimme abzugeben. Informationen über die bisherige Beteiligung liegen nicht vor. Denn bis zum Ende der Abstimmungsfrist ist die „digitale Wahlurne“ in der Berliner SPD-Zentrale eine Blackbox, in die niemand hineinschauen kann. Das Mitgliedervotum – egal ob es pro oder kontra den Koalitionsvertrag ausgeht – ist für die Parteispitze nur dann bindend, wenn sich mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten an der Abstimmung beteiligt hat, also rund 72 000 SPD-Mitglieder. Eine Hürde, die bei zurückliegenden Befragungen stets locker genommen wurde.
(Jürgen Umlauft)

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.