Politik

22.12.2023

Genderverbot: Trostpflaster fürs Volk

Ein Kommentar von Waltraud Taschner

Leben und leben lassen: Diese Maxime wurde von der CSU schon immer gern propagiert. Allerdings: Dass im Freistaat eine ausgeprägte Laissez-faire-Attitüde gepflegt würde, hat noch nie gestimmt. Weder Bayerns Schulen noch die Polizei noch andere Behörden sind für ihre Laxheit bekannt. Kruzifixe in Amtsstuben, knallharte Cannabisregeln, das bayerische Corona-Regime – die Liste bayerischer Law-and-Order-Exzesse ließe sich fortsetzen. Nicht, dass alles davon falsch wäre. Doch verwegen ist es schon, auf die weiß-blaue Verbotspolitik das Etikett „leben und leben lassen“ zu kleben. Aber es klingt halt gut, kostet nix und erweckt den Anschein, dass es im Freistaat gemütlicher und irgendwie menschlicher zugeht als anderswo.

In seiner Regierungserklärung hat Markus Söder vergangene Woche vom Leben und Leben lassen geschwärmt – und praktisch im gleichen Atemzug angekündigt, das Gendern an Schulen, Hochschulen und Behörden des Freistaats zu verbieten. Wohl wissend, dass die Mehrzahl der Leute applaudiert. Ein Beifall, der rasch verhallen wird. Denn an den eigentlichen Problemen der Menschen ändert dieses Verbot gar nichts.

Söder lästert über grüne Verbotspolitik, geriert sich als Hüter der Liberalitas Bavariae - und erlässt ein neues Verbot

Laut Umfrage bereiten Inflation und Einwanderung den Bürger*innen hierzulande die größten Sorgen, gefolgt von Armut und sozialer Ungleichheit, Klimawandel und Kriminalität. Themen also, die sich nicht einfach par ordre du mufti lösen lassen. Das Verbot von Gendersternchen und Co fungiert da eher als Trostpflaster.

Tatsächlich haben die Leute die Nase voll von teils abstrusen Ge- und Verboten: was man denken und wie man sprechen soll, wohin und wie man in den Urlaub fährt, welche Sitten und Gebräuche politisch korrekt sind, wie man heizt und wie man wohnt. Dass Söder jetzt ein neues Verbot kreiert, ist da keineswegs hilfreich. Und schon gar nicht glaubwürdig für einen, der sich einerseits als Hüter der Liberalitas Bavariae geriert und andererseits laufend grüne Verbotspolitik geißelt. Wenn eine Hochschullehrerin oder ein Staatstheaterintendant gendern wollen, sollen sie das dürfen, wenn eine Schulleiterin oder ein Schüler es nicht wollen, bitte schön. Man muss nicht alles zu Tode regeln. Angemessen wären Gelassenheit und, jawohl, Toleranz. Leben und leben lassen. Und echte Lösungen für echte Probleme.

 

Kommentare (0)

Es sind noch keine Kommentare vorhanden!
Die Frage der Woche

Soll die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisiert werden?

Unser Pro und Contra jede Woche neu
Diskutieren Sie mit!

Die Frage der Woche – Archiv
Vergabeplattform
Vergabeplattform

Staatsanzeiger eServices
die Vergabeplattform für öffentliche
Ausschreibungen und Aufträge Ausschreiber Bewerber

Jahresbeilage 2024

Nächster Erscheinungstermin:
28. November 2025

Weitere Infos unter Tel. 089 / 29 01 42 54 /56
oder
per Mail an anzeigen@bsz.de

Download der aktuellen Ausgabe vom 29.11.2024 (PDF, 19 MB)

E-Paper
Unser Bayern

Die kunst- und kulturhistorische Beilage der Bayerischen Staatszeitung

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.

Abo Anmeldung

Benutzername

Kennwort

Bei Problemen: Tel. 089 – 290142-59 und -69 oder vertrieb@bsz.de.