Politik

Nervt Horst Seehofer (Christoph Zrenner) jetzt sogar im Hobbykeller mit ihrem "Wir schaffen das": Angela Merkel (Antonia von Romatowski). (Foto: dpa)

25.02.2016

Glücklicher Seehofer, angefressener Söder

Der Nockherberg im Zeichen der Flüchtlingskrise: Das Singspiel geriet diesmal fulminant, die Bavaria-Rede durchwachsen

Es war eine Premiere für Luise Kinseher auf dem Nockherberg: Zum ersten Mal gab’s bei der Rede der Mama Bavaria gefrorene Gesichtszüge im Saal. Ja, Kinseher, von der es oft hieß, sie sei zu brav, langte an mancher Stelle kräftig hin. Man merkte, das Thema Flüchtlingskrise und die „unappetitlichen Sprüche“ mancher Politiker lassen sie nicht kalt. Nur flache Witze aber, wie sich das ein oder andere Bavaria-Opfer hinterher beschwerte, gab es nicht. Da war auch viel Nachdenkliches dabei wie der starke Satz: „Es ist schwer eine Obergrenze für Menschen zu finden, wenn das Leid keine hat.“

Sonderlich spritzig war die Fastenrede aber allein schon wegen des ernsten Themas nicht. Völlig überzogen war indes die Reaktion von Finanzminister Markus Söder, der sich bei Kinseher persönlich beschwerte. Der Spruch „Ich hab ihn als Bua untersuchen lassen, er hatte damals schon moralische Legasthenie“ rege ihn auf, weil bei Krankheiten der Humor aufhöre. Ja mei, die Legastheniker dieser Welt dürften das verkraften. Und tatsächlich weit weniger angefressen und beleidigt sein als Söder selbst.

"Ich habe in meiner Amtszeit noch keinen Tag erlebt, dass meine potenziellen Nachfolger agiler waren als ich."
Horst Seehofer findet zwar, dass er im Singspiel ganz gut getroffen worden ist, aber alles stimme nicht.

Was der Bavaria nicht so recht gelingen wollte, haben Marcus H. Rosenmüller (Regie) und Thomas Lienenlüke (Buch) im Singspiel dafür brillant gelöst. Brain-Sturm geriet ihnen zur genialen Groteske, indem sie die Flüchtlingskrise als Unwetter über Bayern aufziehen ließen. Die grandiose Idee: Die Zuschauer bekommen einen Einblick in die Gedankenwelt des Ministerpräsidenten, in der nicht nur zwei weitere Seehofers miteinander konkurrieren: der Überichhofer als Ratio und der Eshofer als Gefühl. Es geistern dort auch nervige Polit-Kollegen herum, die als verdrängte Gedanken immer mal wieder an Seehofers Gewissen appellieren.

Seit vier Jahren schon knöpft sich das Duo Rosenmüller und Lienenlüke die bayerische Polit-Prominenz vor. Und seitdem ist das Singspiel wieder sehenswert: keine bloße Nummernrevue, sondern ein Stück mit Hintersinn, das nicht nur auf die schnellen Lacher setzt. Heuer aber haben sich die beiden selbst übertroffen. Nach dem eher durchwachsenen Ergebnis im vergangenen Jahr war dies das Beste aus ihrer Feder.

Und auch das war eine Premiere: Es gab Standing Ovations. Nur Seehofer blieb sitzen, schwärmte aber von „einer Sternstunde“. Die Verdreifachung seines Ichs hat ihm gefallen: „Ich bin nicht nur einer, ich bin ein Multi-Kulti-Seehofer“, ließ er die BSZ wissen. Eines im Singspiel aber habe die Realität nicht ganz getroffen: „Ich habe in meiner Amtszeit noch keinen Tag erlebt, dass meine potenziellen Nachfolger agiler waren als ich.“ Zum Regieren gehörten eben auch die großen Strategien. „Und die werden in der Staatskanzlei entworfen – für jedes Ministerium!“  (Angelika Kahl)

Kommentare (1)

  1. Bernstein am 27.02.2016
    Ich hab mir nach der Kritik die Fastenpredigt gestern noch mal angesehen. Sie war in der Tat schwach, denn Kinseher hat kaum inhaltliche Kritik an der Politik gefunden, sieht man vom Flüchtlingsthema ab. Ein Nebensatz zum Bayern- Ei, einer zur Startbahn, ansonsten scheinen die Sachinhalte der der Mama vorbei gegangen zu sein. Scheint ja also in Bayern alles gut zu laufen. Stattdessen noch der zehnte Söder- Gag- wobei sich die inzwischen wie bei fast allen CSU- Politikern auf vermeintliche charakterliche und geistige Herabwürdigungen beschränken. Nach fünf Jahren hat man ja einige Textbausteine, die man da immer herausholen kann. Das Wort herabWÜRDIGEN sagt es schon, mit der Würde des Angesprochenen hält sie es da nicht so genau.
    Das Problem von Kabarett ist offensichtlich. Wenn die Künstler meinen missionieren zu müssen statt unterhalten, wird's langweilig und wenig witzig. Wenn sie Politik machen statt beurteilen wollen, sollen sie selbst in die Politik gehen, und sich dafür vom Bürger ein Mandat geben lassen. Machen sie natürlich nicht, denn außerhalb des Schwabinger Bussi- Bezirks ist die Lebenswirklichkeit halt eine andere.

    Das Singspiel hingegen war nur zu loben. Was Rosenmüller und Baumeister hier aufführen, ist hohe Kunst und die ganze Truppe war hochmotiviert am Werk.
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