Der traditionelle Budenzauber in der Adventszeit fällt dieses Jahr weitgehend aus. In vielen Orten Deutschlands wurden Weihnachtsmärkte bereits abgesagt. Wegen Corona. Aber auch, weil viele Marktkaufleute nicht wissen, ob es ihren Betrieb nach den verheerenden Einbußen dieses Jahr im November überhaupt noch gibt.
In Bayern hat zum Beispiel die oberbayerische Gemeinde Raubling angekündigt, auf einen Christkindlmarkt zu verzichten. Auch den Adventszauber am Tegernsee, bei dem Besucher mit Schiffen von Markt zu Markt pendeln können, wird es nicht geben. Laut Veranstaltern ist der Besucherandrang nicht abzuschätzen, weshalb die Hygienevorschriften nur schwer kontrolliert werden könnten. Auch in Wolfratshausen und Murnau stehen die Christkindlmärkte auf der Kippe.
Der Bayerische Landesverband der Marktkaufleute und der Schausteller (BLV) hat für die Absagen kein Verständnis. Das Weihnachtsgeschäft ist die letzte Chance, die finanzielle Not zu lindern. Die Einnahmen machen rund 40 Prozent des Jahresumsatzes aus. „Die Konzepte zur Durchführung der Christkindlmärkte sind für uns problemlos erfüllbar“, sagt deren Präsident Wenzel Bradac der Staatszeitung. Sein Verband habe zudem selbst ein Konzept erarbeitet, das alle Hygienevorschriften beinhaltet.
Märkte dürften zwar wieder stattfinden, aber in den Behörden will niemand die Verantwortung dafür übernehmen
Ohne die Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft sieht Bradac schwarz. Aktuell liegen die Einnahmenverluste im Vergleich zum Vorjahr bei 90 Prozent. Von den jährlich rund 2800 Märkten und Jahrmärkten in Bayern würden dieses Jahr höchstens zehn Prozent stattfinden. Zwar sind seit dem 15. Juli wieder kleinere Kunst- und Handwerkermärkte erlaubt. Dennoch hagelt es Absagen. „Rund 90 Prozent der Märkte werden von den Kommunen nicht genehmigt, weil niemand die Verantwortung dafür übernehmen will“, sagt Bradac.-
Keine Fehler machen will auch die Stadt München. Daher ist aktuell noch unklar, ob es dieses Jahr in der Landeshauptstadt überhaupt Christkindlmärkte geben wird. Zwar liegen schon etliche Anträge von Veranstaltern vor – unter anderem vom Winter-Tollwood. Genehmigt wurde aber bisher noch kein einziger. Grund: Es sei nicht klar, ob die Hygienekonzepte der Veranstalter im November noch ausreichend sind, heißt es aus dem Kreisverwaltungsreferat. Planungssicherheit sieht anders aus.
Selbst wenn Städte Weihnachtsmärkte zulassen, wird sich wohl nur bedingt vorweihnachtliche Stimmung einstellen. Auf dem weltberühmten Nürnberger Christkindlesmarkt wird es dieses Jahr ein Einbahnstraßensystem geben, bei dem die Laufrichtung mit Pfeilen vorgegeben wird. Glühwein und Bratwurst sollen nur zum Mitnehmen angeboten werden. Das hat den Charme eines Drive-in-Schalters am Schnellrestaurant.
In Augsburg müssen Gäste wohl auf die traditionellen Glühweinstände vor dem Rathaus verzichten. Das Konzept der Stadt sieht vor, die Stände auf möglichst viele Plätze in der Innenstadt zu verteilen, um größere Menschenansammlungen zu vermeiden. Andere bayerische Städte wie Starnberg planen, Christkindlmärkte nur in deutlich kleinerer Form als bisher zuzulassen – dafür mit mehr Öffnungstagen.
Ob eine Verlängerung aber hilft, wenn die Besucher ausbleiben, weil keine Stimmung aufkommen will? Beim Münchner „Sommer in der Stadt“, gedacht als kleiner Ausgleich für das abgesagte Oktoberfest, herrscht oft gähnende Leere. Selbst das Wirtschaftsministerium räumt auf BSZ-Anfrage ein, dass bei manchen Standorten das Publikumsinteresse „eher gering“ ist. Während andere Bundesländer aber längst Hilfsprogramme beschlossen haben, bekommen Schausteller und Marktkaufleute in Bayern nur einmalig bis zu 9000 Euro Überbrückungshilfe vom Bund. Das Geld ist längst aufgebraucht. „Der Rettungsschirm war für uns zu gering und hat die Kleinstunternehmer in keinster Weise berücksichtigt“, klagt BLV-Chef Bradac.
CSU und Freie Wähler haben neue Corona-Hilfen abgelehnt
Die Landtagsopposition hat das Problem erkannt und am 9. Juli eine Verlängerung der Überbrückungshilfen gefordert. Die Anträge wurden aber von den Regierungsfraktionen CSU und Freie Wähler abgelehnt. Am selben Tag ließ sich Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) bei einer Demonstration der bayerischen Schausteller und Marktkaufleute für Sprüche feiern wie „Ihr seid systemrelevant, weil ihr Lebensfreude produziert“. „Eine solche Dreistigkeit sucht ihresgleichen“, ätzt die FDP.
Ohne staatliche Hilfen befürchten die Grünen, dass es auch nach Corona keine Christkindlmärkte mehr geben wird. Viele der Familienbetriebe existierten nur noch, weil das Insolvenzrecht ausgesetzt ist, glaubt deren Abgeordnete Sanne Kurz. „Wenn die Schaustellerfamilien und Marktkaufleute weg sind, stirbt jahrtausendealtes Kulturgut, das unsere Identität prägt.“ (David Lohmann)
Kommentare (1)