Politik

Kanzler werden ist das eine, einen Koalitionspartner finden, mit dem man etwas bewegen kann, das andere: Wahlplakat mit Friedrich Merz (CDU). (Foto: dpa/Heiko Rebsch)

21.02.2025

Grüne Gretchenfrage

Bereits vor der Bundestagswahl am 23. Februar wird erbittert über mögliche Koalitionen gestritten

Bloß nicht mit den Grünen! Die Ansage von CSU-Chef Markus Söder mag vielfach Anklang finden; ein Blick auf die Umfragen offenbart, dass es nicht so einfach ist. Kanzlerkandidat Merz ist in der Zwickmühle.

Kurz vor der Bundestagswahl ist es alles andere als sicher, dass der wahrscheinliche Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) ein Bündnis mit den Grünen vermeiden kann. Gewinnen Union und SPD nicht ausreichend Stimmen, lässt sich eine Dreierkoalition nämlich kaum vermeiden. Im TV-Quadrell vor einer Woche erklärte Merz, er sei offen dafür, nach der Wahl mit SPD sowie Grünen „vernünftige Gespräche“ zu führen. Und dass er sich auf keinen Wunschpartner festlegen wolle. „Herr Söder schreibt mir gar nichts vor.“

Überzeugte Grünen-Hasser – die gibt es in der Union zuhauf – vernahmen es mit Grausen. Und natürlich stürzten sich die FDP und die Bundestagsaspiranten Freie Wähler sogleich mit großer Wut auf Merz. Bayerns FDP-Vorsitzender Martin Hagen sagte, Merz habe klargemacht: „Er lässt sich von Markus Söder nichts vorschreiben und hält sich eine Koalition mit den Grünen offen.“ Freie- Wähler-Chef Hubert Aiwanger zeterte, Merz strebe nunmehr „ganz offen eine Koalition mit den Grünen an“. Deutschland drohe „ein Desaster“. FDP und Freie Wähler haben die Lösung parat: Die Leute sollen ihnen ihre Stimme schenken, damit sie in den Bundestag einziehen und als Koalitionspartner bereitstehen können.

Deutschland-Koalition oder "bürgerliche Koalition"

Folgende Szenarien sind grundsätzlich denkbar: Union, SPD und FDP bilden eine „Deutschland-Koalition“. Oder – unwahrscheinlicher: Union, FDP und Freie Wähler bilden eine „bürgerliche Koalition“. Das wäre nur dann möglich, wenn die Union ein super Ergebnis von mindestens 35 Prozent hätte und FDP sowie Freie Wähler in den Bundestag kommen. Weil die FW weit davon entfernt sind, die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, benötigen sie drei Direktmandate. In diesem Fall würden sie in Fraktionsstärke entsprechend ihrem Zweitstimmenanteil ins Parlament kommen – Aiwanger spricht von rund 20 Abgeordneten.Tatsächlich hat bisher keine einzige Umfrage die Union bei 35 plus Prozent gesehen. Eine theoretische dritte Dreierkoalition besteht aus Union, SPD und FW – sofern das Manöver der drei Direktmandate erfolgreich ist.

Abgesehen von schieren zahlenmäßigen Notwendigkeiten hält Merz es vermutlich aus strategischen Gründen für geboten, die Grünen als Partner nicht von vornherein aus dem Rennen zu nehmen. Denn für den anderen Bündnispartner SPD wäre das die beste Verhandlungsgrundlage überhaupt. Wer sich für die einzig reelle Koalitionsoption halten darf, kann fordern, was er will: Zahl der Ministerien, politische Inhalte – die Union müsste der SPD sehr viele Wünsche erfüllen. Die Folge: Eigene Projekte würden stark verwässert, etliche könnten gar nicht realisiert werden. Derart erpressbar will Friedrich Merz gewiss nicht sein.

Äußerst ungemütlichen Position

Er befindet sich damit in einer äußerst ungemütlichen Position. Einerseits empfinden viele Menschen große Wut auf die Grünen und wollen ihre Stimme nur dann der Union schenken, wenn diese verspricht, die Grünen draußenzuhalten. Andererseits muss Merz irgendwie mit der Option umgehen, dass er die Grünen entweder tatsächlich als Partner oder aber als Druckmittel braucht.
Natürlich, auch eine Minderheitsregierung ist theoretisch denkbar. Wahrscheinlich ist das aber nicht. In Deutschland gab es noch nie eine Minderheitsregierung auf Bundesebene, in einigen Bundesländern aber durchaus, ebenso in skandinavischen Ländern.

Chaotischer als die Ampel-Regierung kann eine solche Minderheitsregierung zwar kaum agieren. Doch eigentlich tritt die Union an, um das Land wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Und vermutlich will man sich auch den Ärger ersparen, in der Migrationsfrage erneut die AfD als Mehrheitsbeschafferin zu benötigen. Wobei, zumindest die SPD-Hassfigur Thilo Sarrazin hat jetzt genau das gefordert: Friedrich Merz, so Sarrazin, brauche diese Option als Drohpotenzial: „Sonst bleibt er bei den Koalitionsverhandlungen ein zahnloser Tiger.“
(Waltraud Taschner)

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