Politik

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in der Kritik, auch in Bayern. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

02.02.2024

Reformen, bitte!

Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Was tun?

Keine Frage: Der deutsche öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) ist in der Krise. Auf verschiedenen Ebenen wird seit Längerem über Reformen diskutiert. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) befeuerte jetzt die Diskussion, in dem er – zur Umgehung einer Erhöhung der Rundfunkgebühr – unter anderem die Streichung von mindestens 20 Sendern, Fusionen und beim Programm einen Infoanteil von 60 Prozent forderte. Doch eine Umsetzung wäre politisch wie rechtlich gar nicht so einfach.

Söders Forderung kommt nicht von ungefähr. ARD, ZDF und Deutschlandradio kommen zusammen auf 21 TV-Sender und 72 Radiosender, die mittlerweile jährlich rund 10 Milliarden Euro für sich beanspruchen. Fast 8,5 Milliarden fließen dabei aus dem Rundfunkbeitrag in den ÖRR, den grundsätzlich jeder Haushalt bezahlen muss. Derzeit sind das monatlich 18,36 Euro pro Haushalt. Doch die Sender haben schon höheren Finanzbedarf angemeldet.

Die Ausgabenpolitik ist einer der Punkte, weswegen der ÖRR in der Kritik steht. Nimmt man noch die ebenfalls öffentlich-rechtliche Deutsche Welle mit dazu, gibt es in Deutschland zwölf Rundfunkanstalten mit jeweils eigener Verwaltung und teuer bezahlten Intendant*innen an der Spitze. Die Milliardenausgaben für das Personal sind nach dem Programm der zweithöchste Kostenpunkt. Allein die Altersvorsorge wird bei ARD, ZDF und Deutschlandradio mit jährlich 667 Millionen Euro veranschlagt.

Kritik am Programm

Auch am Programm gibt es viel Kritik. Doppelbesetzungen bei Großereignissen, redundante Sendungen und journalistische Pannen stehen ebenso immer wieder im Fokus wie der Vorwurf fehlender liberaler oder konservativer Positionen oder der Fakt, dass selbst Jugendsender wie ONE oder ZDFneo am meisten von Menschen zwischen 57 und 60 Jahren gesehen werden.
Wie leicht könnte man aber nun Sender einstellen oder miteinander verschmelzen? Das hängt vom jeweiligen Sender ab. Die Landesrundfunkanstalten der ARD sowie das ZDF könnten den Betrieb von Spartensendern wie KiKa oder ZDFinfo einstellen, sofern sie nachweisen können, dass der im Medienstaatsvertrag festgelegte Auftrag weiterhin erfüllt wird.

Komplizierter wird es bei der Auflösung oder der Fusion von Landesrundfunkanstalten. Söder hatte die Streichung der kleinen Sender Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk ins Spiel gebracht. Mitzureden hat der bayerische Ministerpräsident da freilich nichts. Beschließen könnten das nur die Landtage, in deren Bundesland sich die betroffenen Rundfunkanstalten befinden. Möglich wäre es aber.

„Es gibt keinen Bestandsschutz für eine einzelne Rundfunkanstalt, wohl aber für die Existenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten an sich, die eine Grundversorgung aufrechtzuerhalten imstande sind“, erklärt der Medienrechtswissenschaftler Jürgen Kühling von der Universität Regensburg. Heißt: Wird die im Grundgesetz verankerte öffentlich-rechtliche Grundversorgung von einem anderen Sender übernommen, ist der Weg für eine Auflösung oder Fusion frei. Es ist nur fraglich, ob tatsächlich ein Bundesland von der Möglichkeit Gebrauch macht. Bisher kam das nur einmal vor: 2003 fusionierten der Sender Freies Berlin (SFB) und der Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

60 Prozent Infoanteil?

Auch 60 Prozent Infoanteil festzuschreiben, wäre in der Praxis schwierig. Im bundesweit geltenden Medienstaatsvertrag und in den jeweiligen Landesgesetzen ist der Auftrag des ÖRR recht abstrakt gehalten. Im Medienstaatsvertrag heißt es nur, dass allen Bevölkerungsgruppen die Teilhabe an der Informationsgesellschaft ermöglicht werden soll. Dass das nur mit Informationssendungen geht, steht dort nicht. Explizit wird sogar erwähnt, dass auch Unterhaltung Teil des Auftrags ist. Eine Konkretisierung des Angebots durch die Politik gilt unter Fachleuten wie Jürgen Kühling als „verfassungsrechtlich hoch umstritten“. Würde es ein Bundesland darauf ankommen lassen wollen, müsste am Ende das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.

Es gäbe für einzelne Bundesländer auch die Möglichkeit, den Medienstaatsvertrag zu kündigen, wie es aus Reihen der AfD auch schon öfter gefordert wurde. Der Vertrag würde dann für die übrigen Länder weiter gelten. Allerdings würde auf das kündigende Bundesland eine Menge Arbeit zukommen: Im Fall Bayerns etwa würde die Rechtsgrundlage zwischen Bayerischem Rundfunk (BR) und dem Freistaat entfallen, der BR müsste nicht mehr senden. Doch das Grundgesetz sieht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als „unerlässliche Grundversorgung“. Dem Experten Kühling zufolge müsste das Bundesland daher eine neue öffentlich-rechtlich strukturierte Rundfunkanstalt gründen, und zwar innerhalb eines Jahres. Ob Bayern diesen Weg wählen würde? Eine Anfrage dazu ließ die Staatskanzlei unbeantwortet.
(Thorsten Stark)

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