Man könnte zum Beispiel seine Uhr versilbern. Oder schauen, dass man für das Kunstwerk im Wohnzimmer in einem Auktionshaus ein paar Tausend Euro bekommt.
In den aktuell schwierigen Zeiten trennen sich viele Menschen von Dingen, die sie im Grunde gern behalten würden. Sie bringen sie ins Pfandhaus. In Auktionshäuser. Oder zu eBay-Agenturen. „Die Nachfrage steigt, weil die Kaufkraft nachlässt“, bestätigt Manfred Birkner, Inhaber einer eBay-Agentur in Fürstenfeldbruck. Der 66-Jährige merkt dies im Augenblick deutlich. Immer öfter geben ihm seine Kund*innen unmissverständlich zu verstehen: „Ich brauch unbedingt Geld.“ In solchen Fällen verspricht Manfred Birkner: „Ich schau, was wir machen können.“
Was er in Fürstenfeldbruck tut, ist heute eine Nebenbeschäftigung für den Rentner. Insgesamt fungiert er seit 22 Jahren als eBay-Verkaufsagent. Manfred Birkner kann also einen langen Zeitraum überblicken. „Man merkt deutlich, dass die Leute weniger Geld in der Tasche haben, selbst die Mittelschicht schwimmt ganz schön“, erfährt er durch seinen Job.
Wobei man es den wenigsten auf den ersten Blick ansehen würde, dass sie nichts mehr in Reserve haben. Vor Kurzem hatte es Manfred Birkner mit einer Rentnerin zu tun gehabt, die in einer Villa lebte. Allerdings gehörte das Prachthaus inzwischen mehr oder weniger der Bank. Die Rentnerin existierte an der Armutsgrenze. Und musste aus der Villa raus. Sie hoffte, dass Manfred Birkner noch einiges aus dem Inventar würde herausholen können: „Da waren ein paar hochwertige Sachen dabei.“ Sammler bringen zum Beispiel Modelleisenbahnen: „Oder ich bekomme voll funktionsfähige Haushaltsgeräte.“ Vor Kurzem brachte ein Kunde seine Rolex vorbei. Manfred Birkner brachte den wertvollen Chronometer an den Mann. Und konnte seinem Kunden 3500 Euro aushändigen. Der Verkaufsagent hat keine Probleme, davon zu erzählen, was er tagtäglich erlebt.
3500 Euro für die Rolex
Pfandleiher halten sich hier eher bedeckt. Pierre Marotte, Inhaber des Würzburger Pfandleihhauses „Goldkaiser“, schätzt den aktuellen Anstieg nur auf etwa 10 Prozent. Zu Pierre Marotte kommen Menschen, die zum Beispiel wegen einer unvorhergesehenen Autoreparatur dringend Geld benötigen. Wobei nicht jeder, der seinen Laden in der Würzburger Kaiserstraße betritt, eine Uhr oder eine goldene Kette in der Tasche hat. „Nicht selten möchten unsere Kunden die Verleihung verlängern, sie kommen dann, um die Zinsen zu zahlen“, berichtet Pierre Marotte. Normalerweise hat man vier Monate Zeit, um einen goldenen Gegenstand wieder auszulösen. Spricht aus Sicht des Pfandleihhauses nichts dagegen, wird die Verlängerung genehmigt.
Akzeptiert werden fast nur Menschen aus Franken. „Durchreisende lehnen wir ab.“ Diese Vorsichtsmaßnahme soll verhindern, dass fremdes Eigentum untergejubelt wird. Der Ausländeranteil unter der Kundschaft ist auffallend hoch, was laut Pierre Marotte allerdings nachvollziehbare Gründe hat: Menschen aus Italien, der Türkei oder Rumänien besitzen viel häufiger Gold als Deutsche. „In diesen Ländern wird zu Hochzeiten statt Geld Gold geschenkt“, sagt Marotte. Das gelte als sicherer.
Robert Morfeld, der bei der Christophorus-Gesellschaft in Würzburg seit Jahren Schuldnerberatung anbietet, kennt kaum Kund*innen, die sich durch einen Pfandkredit aus der finanziellen Misere zu helfen versuchen. „Das Thema Pfandleihe kommt bei uns in der Beratungspraxis faktisch nicht vor“, sagt er. Er führt das darauf zurück, dass jene, die sich beraten lassen, keine Wertgegenstände mehr haben, die sie beleihen könnten.
Dass die Pfandleihe attraktiv ist für Menschen, die so arm sind, dass es am Monatsende kaum noch für den Discounter reicht, die aber noch das eine oder andere besitzen, kann der Schuldnerberater nachvollziehen. „Damit kann man einen kurzfristigen Bedarf decken“, sagt er. Allerdings eigne sich das Versetzen von Wertgegenständen nicht als langfristige Option: „Vor allem sind Pfandkredite in der Regel teuer.“ Beachtet werden müsse, dass man bei der Pfandleihe nicht den reellen Gegenwert des Gegenstands erhält: „Sondern nur den Verkehrswert.“
Fakt bleibt, dass sich immer mehr Menschen überlegen müssen, wie sie ihren Lebensunterhalt und vor allem unerwartete Sonderausgaben finanzieren. Das geht auch aus dem kürzlich veröffentlichten „Vermögensbarometer“ des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands hervor. „Die finanzielle Zufriedenheit in Deutschland nimmt aufgrund der anhaltenden Krisen ab“, teilt die Finanzgruppe mit. 2023 sei diese Unzufriedenheit sogar noch mal größer als 2022. Bei der jüngsten Umfrage gaben 26 Prozent der Befragten an, ihre finanzielle Situation sei „eher schlecht“ oder sogar „sehr schlecht“. Zum Vergleich: 2022 waren es erst 22 Prozent. Mehr als 70 Prozent der Befragten gaben an, durch den Preisanstieg in ihrem Alltag verstärkt auf Dinge verzichten zu müssen. „Das sind sechs Prozentpunkte mehr als im vergangenen Jahr“, so die Finanzgruppe.
Dass es den Menschen im Lande drastisch schlechter geht, erfährt auch Doris Klisch, Geschäftsführerin des Juwelier Klisch in Lauf an der Pegnitz. Der Umsatz sei drastisch eingebrochen, mindestens um 30 Prozent: „Das ist in der ganzen Branche so.“ Doch nicht nur der Verkauf von Uhren und Schmuck sei schwierig. Die Leute seien inzwischen sogar extrem zurückhaltend bei Reparaturen. Gleichzeitig bringen immer mehr Menschen goldene Ketten, Ringe oder Broschen zu ihr: „Die Nachfrage nach Altgoldankauf stieg bei uns um mindestens 10 Prozent.“ (Pat Christ)
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