Politik

Gelbe Tonnen erleichtern die Mülltrennung. (Foto: dpa/Pendig)

10.06.2022

Her mit den Gelben Tonnen!

Andernorts sind die Plastik-Sammelbehälter längst Standard, doch ausgerechnet das grün-rote München zögert

Hübsch aufgereiht stehen sie vor der Tür eines jeden Hauses: eine kleine Tonne für Kompost und eine für Restmüll, eine für Glas, eine für Papier und eine für Plastik. An allen Werktagen wird Müll abgeholt in Lipari auf der gleichnamigen Insel vor Sizilien.

Münchner Urlaubsgäste können da nur staunen. Während ausgerechnet im Süden Italiens alles wie am Schnürchen klappt, herrschen an den sogenannten Wertstoffinseln der Landeshauptstadt häufig Verhältnisse, die das Klischee eher in Südeuropa vermuten würde. Überquellende Container, jede Menge Müll, Altkleiderberge dazwischen. Kein Wunder, dass viele Münchner*innen den Weg zur Wertstoffinsel scheuen.

5,7 Kilogramm Plastikmüll entsorgten die Menschen in der Landeshauptstadt 2019 lediglich pro Kopf, eine äußerst bescheidene Ausbeute. Bayernweit sind es im Schnitt 21,6 Kilogramm. Naheliegend, dass vor allem das Münchner „Bringprinzip“ schuld ist. Denn während etwa in Nürnberg Plastikmüll in der Gelben Tonne landet, trägt man ihn in München umständlich zur Wertstoffinsel und stopft ihn in den überfüllten Container. Das motiviert nicht gerade zum Sammeln. Vieles, was recycelt werden könnte, dürfte darum in der Restmülltonne landen.

Ein ineffektives, halbherziges System, für das die Stadt München seit Langem kritisiert wird. „München liegt in der Recyclingquote weit hinter anderen bayerischen Städten zurück“, bemängelt schon seit Jahren etwa der Bund Naturschutz. Und fordert: „Wir wünschen uns Gelbe Säcke/Tonnen für alle Haushalte in München. Mülltrennung und Recycling muss leicht zugänglich gemacht werden.“

Ein Hol- statt des eingeführten Bringsystems scheint da der beste Weg, um die Menschen zum Sammeln zu ermuntern. Der Abfallwirtschaftsbetrieb AWM begründet den Münchner Sonderweg in einer Eigenpublikation so: „In München hat man sich für Wertstoffinseln entschieden, da die Bürgerinnen und Bürger auch ihre Glasflaschen dorthin bringen.“ Für die Wertstoffinseln spreche außerdem, dass der Aufwand für die Leerung der rund 950 Container an den Wertstoffinseln um ein Vielfaches geringer sei als an rund 108 000 Tonnenstandplätzen an den Häusern. Und: „Eine Leerung am Haus würde eine deutliche Zunahme des Straßenverkehrs im Münchner Stadtgebiet bedeuten.“

Immerhin: München plant einen Pilotversuch

Eine komplizierte Erwägung – und nicht gerade bürgernah. Ohnehin ist das Recyceln von Plastik keine Erfolgsgeschichte. Denn Verpackungen bestehen meist aus verschiedenen Kunststoffen, die in den Sortieranlagen nicht getrennt werden können. Der Output an Rezyklat, dem wiederverwertbaren Kunststoff, ist entsprechend gering. Für die Verpackung von Lebensmitteln eignet sich recycelter Kunststoff besonders schlecht.

Das Vernünftigste wäre natürlich, Kunststoffe schlicht zu vermeiden. Eine große Gelbe Tonne vorm Haus könnte da durchaus ein falsches Signal setzen. Dennoch ist es in jedem Fall besser, Plastik wiederzuverwerten als wegzuschmeißen. Und: Die Zeiten ändern sich. Die im Verpackungsgesetz vorgeschriebene Recyclingquote für Plastik liegt seit diesem Jahr bei 63 Prozent. Noch 2019 waren es 36 Prozent.

Wie das Bundesumweltministerium erklärt, hat die Steigerung Investitionen angestoßen. So ändert sich auch die Berechnungsgrundlage des Münchner AWM. „Bis dato steht ein zu geringer Rezyklat-Output einem deutlich höheren Sammelaufwand gegenüber, weshalb ein Bringsystem in summa ökologischer war“, sagt auch die Kommunalreferentin Kristina Frank von der CSU. „Doch es zeichnet sich ab, dass sich der Rezyklateinsatz in der Produktion zukünftig deutlich erhöhen wird.“

Allerhöchste Zeit also für den Pilotversuch in fünf Stadtteilen, den der AWM gerade dem Stadtrat vorgestellt hat. Ermittelt werden soll, welches System sich künftig für München am besten eignet. Dabei will man auch das Modell Wertstofftonne prüfen, manchmal „Gelbe Tonne plus“ genannt. Darin werden nicht nur ausschließlich Verpackungen gesammelt, sondern außerdem Kunststoffspielzeug, Gartenmöbel und alte Töpfe. Das spart Fahrten zu Wertstoffcontainern und verhindert, dass verwertbare Materialien in der Restmülltonne landen.

Der Bund Naturschutz setzt sich schon lange mit Nachdruck für eine Wertstofftonne ein. „Die Wertstofftonne macht Mülltrennung leicht.“ Er rechnet vor, dass mit Wertstofftonne pro Jahr und Haushalt etwa sieben Kilogramm mehr gesammelt und recycelt werden könnten. Erfolgreiches Recyceln setze allerdings auch voraus, dass wenig Fremdstoffe wie Elektroschrott, Biomüll oder Windeln in die Tonne gelangen. Denn die müssen aufwendig aussortiert werden. Um die sogenannte Fehlwurfquote kleinzuhalten, sei Aufklärung besonders wichtig.

Wie die Menschen in München künftig sammeln: Das könnte der Pilotversuch zeigen. Schon 2020 hatte der AWM allerdings versucht, die Dualen Systeme (DSD) davon zu überzeugen, einem Pilotversuch zur Gelben Tonne zuzustimmen – und scheiterte. Auch eine Online-Petition für eine „gelbe“ Lösung in München änderte erst mal gar nichts.

Immerhin: Das Image hat bereits die Ankündigung des Pilotversuchs ein bisschen poliert. Die Initiative Frosch für nachhaltige Kreislaufwirtschaft etwa reagierte sofort und stufte München vom „Greenwasher“, der seinen Bewohner*innen das Recyceln von Plastikmüll erschwere, hoch zum „Sitzenbleiber“, weil da noch einige Luft nach oben sei.

Aber wer sagt denn, dass sich nichts bessern kann? Auch auf der kleinen Insel Lipari hatte man anfangs so seine Schwierigkeiten mit dem vorbildlichen Müllsystem. Bei der Planung, erzählt ein Bewohner, wurde nämlich vergessen, dass man fürs verlangte Sammeln auch Behälter braucht. Ein paar chaotische Wochen folgten. Dann aber landeten die Behälter da, wo sie hingehörten: in den Haushalten.
(Monika Goetsch)

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