Politik

Auf dem Land muss sich noch immer jeder siebte Bayer mit einem Anschluss zufriedengeben, der nicht einmal 30 Megabit (Mbit) pro Sekunde schafft. (Foto: dpa/Sina Schuldt)

02.08.2019

Heute Highspeed, morgen Schneckentempo

Bayern verschläft Experten zufolge den Glasfaserausbau – Schuld haben auch die Netzanbieter

Die Zahlen, die Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) vergangene Woche verkündete, klingen wie eine große Erfolgsgeschichte. Demnach surfen mittlerweile rund 94 Prozent aller Haushalte im Freistaat mit „schnellem Netz“. Über eine Milliarde Euro ließ sich der Freistaat seit 2015 dessen Ausbau kosten. Doch die Jubelmeldung hat zwei gewaltige Schönheitsfehler. So muss sich auf dem Land noch immer jeder siebte mit einem Anschluss zufriedengeben, der nicht einmal 30 Megabit (Mbit) pro Sekunde schafft. Selbst in manchen Schwellenländern surft ein großer Teil der Bürger im Gigabit-Bereich.

Für eine ostbayerische Firma kann da die Online-Konferenz mit Übersee schnell im Fiasko enden. Weit schwerer wiegt aber ein anderes Problem: Das, was der Freistaat heute als „schnelles Netz“ definiert, also Übertragungsraten von 30 bis 50 Mbit, wird Experten zufolge bereits in einigen Jahren für viele Anwendungen zu langsam sein. Mehr als ein Viertel der bayerischen Betriebe rechnet für 2023 damit, 100 Mbit zu benötigen. „Perspektivisch braucht es auch auf der letzten Meile die Glasfaser“, fordert deshalb Stefan Graf, Digitalexperte beim Bayerischen Gemeindetag.

Ende 2018 waren lediglich 11,6 Prozent der bayerischen Haushalte direkt mit Glasfaserkabeln ans Netz angeschlossen. In Staaten wie China oder Südkorea werden gut sieben bis neun von zehn Haushalten bis zur Haustüre versorgt. EU-weit liegt die Quote bei rund 40 Prozent. Die Grünen fürchten, dass der aktuelle Ausbau seitens der Staatsregierung das Problem fehlender Glasfasernetze dauerhaft zementiert. Denn dabei wird zumeist auf das Vectoring-Verfahren gesetzt, mit dem die Telekom aus den vom Verteilerkasten bis zum Haus reichenden, mitunter jahrzehntealten Kupferkabeln noch bis zu 100 Mbit herausholt – durch Super-Vectoring sogar 250 Mbit. Doch Gigabit-Geschwindigkeiten sind unmöglich. „In den neun von zehn Fällen, in denen heute lieber auf Vectoring gesetzt wird, wird morgen kein Highspeed-Anschluss mit über 100 Mbit entstehen“, klagt der Landtagsabgeordnete Benjamin Adjei (Grüne).

"Die Telekom weigert sich immer öfter, Dörfer zu erschließen"

Zwar will der Freistaat verstärkt in den Ausbau des Glasfasernetzes investieren und laut Finanzminister sogar „Vorreiter in ganz Europa“ werden. Doch vor Ort braucht man Partner. Hier hätten die Kommunen bislang auf die Telekommunikationskonzerne zählen können, sagt Gemeindetags-Experte Graf. „Doch die Telekom weigert sich immer öfter, Dörfer zu erschließen.“ Das Unternehmen argumentiere etwa, wenn die Zahl der Haushalte mit unter 50 zu gering sei, lohne sich der Ausbau nicht. Die Telekom weist den Vorwurf als „nachweislich falsch“ zurück.

Doch auch für andere Anbieter ist das superschnelle Netz außerhalb der Metropolen oft nicht rentabel genug. Nicht selten fragen die Anbieter bei den Bewohnern einer Gemeinde verbindlich ab, ob diese den teuren Highspeed-Anschluss tatsächlich buchen. So verfuhren zuletzt etwa die Lechwerke – mit teils unschönen Folgen: Weil sich nicht einmal ein Drittel der Haushalte in Dürrlauingen im Landkreis Günzburg beteiligen will, bleibt der Ort außen vor. Im Landkreis Erding hatte die Firma Deutsche Glasfaser Highspeed-Anschlüsse für ländliche Gemeinden angeboten – doch nicht überall beantragten sie wie gefordert 40 Prozent der Haushalte. „Eine Möglichkeit zur Behebung der Misere wäre, den Firmen über die Regulierung den Ausbau aufzuerlegen“, sagt Graf. Oder der Bund gründet eine staatliche Ausbaufirma. In Berlin stößt diese Idee bislang jedoch auf wenig Gegenliebe. (Tobias Lill)

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