Je mehr, desto besser: Bei dem Versuch, zusätzlichen Impfstoff im Kampf gegen Corona zu ergattern, setzt Bayern seine Hoffnung auch auf das russische Vakzin Sputnik V. Jede weitere Zulassung sei ein Lichtblick, betont der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), der die Impfstoffproduktion im Freistaat, womöglich in Illertissen, vorantreiben will.
Von etwa 200 Vakzinen, die gerade weltweit entwickelt und schon getestet werden, befinden sich knapp 20 in der letzten Testphase III. Bislang sind vier Impfstoffe in Deutschland zugelassen, drei weitere könnten bald folgen. Seit Anfang März prüft die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA den Vektorimpfstoff des Moskauer Gamaley-Instituts. „Wenn Sputnik V in der EU zugelassen wird, würde ich mich freuen, wenn der Impfstoff auch aus Bayern kommen könnte“, so Holetschek, der sich nach eigenen Worten auch damit impfen lassen würde. Ministerpräsident Markus Söder hofft ebenfalls auf die rasche Zulassung des russischen Mittels und warnt die EU, „nicht wieder eine Chance zu verpassen“. Nach allen Gutachten sei Sputnik V „zum Teil ein besserer Impfstoff als bereits zugelassene“.
Vergangene Woche besuchte Holetschek das Unternehmen R-Pharm in Illertissen bei Neu-Ulm, das im Fall einer Zulassung den russischen Impfstoff importieren und die Chargen in der EU freigeben möchte. Dazu investiere es laut Gesundheitsministerium 30 Millionen Euro in die Produktion.
Der Vektorimpfstoff wird bereits in 50 Ländern gespritzt, darunter auch in Ungarn, das als einziges EU-Land eine Notzulassung beantragt hatte. Das Besondere bei Sputnik: Bei der ersten und zweiten Impfung dienen jeweils unterschiedliche Erkältungsviren als Fähre zur Übertragung für den Bauplan von Sars-CoV-2, den das Immunsystem braucht, um die Abwehr aufzubauen. Damit erhöhe sich die Schutzwirkung
Die Impfkommission nennt das russische Vakzin „clever gebaut“
Jüngst lobte auch der Chef der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, das „clever gebaute“ Vakzin. Lange hatten Fachleute außerhalb Russlands kritisiert, dass Sputnik V in Russland ohne erfolgreichen Abschluss der Testphase III zugelassen wurde.
Doch wann der Stoff auf den Markt und womöglich in die Arztpraxen kommt, ist noch ungewiss. Bislang erhielten in Bayern rund neun Prozent der Menschen die erste Spritze, rund 4,5 die zweite mit den mRNA-Impfstoffen von Biontech/Pfizer, Moderna oder dem Vektorimpfstoff Astrazeneca.
Eine größere Auswahl der Vakzine begrüßt auch Jörg Schelling, Mitglied der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft Impfen. Der Allgemeinmediziner freut sich ebenfalls über Sputnik V, „wenn dieser nach dem Prüfverfahren von der EMA zugelassen wird“. Der russische Impfstoff habe eine gute Schutzwirkung von 91,6 Prozent, sagt Schelling und verweist auf eine im Fachmagazin The Lancet veröffentlichte Studie. Schelling, der eine Hausarztpraxis in Martinsried leitet, ist froh, dass nun auch wieder mit Astrazeneca geimpft werden darf, wenngleich mit einer Sicherheitsbelehrung.
Der Vektorimpfstoff war wegen des Verdachts, Hirnvenenthrombosen auszulösen, zwischenzeitlich gestoppt worden. Nun berichteten Forscher an der Uni Greifswald, Ursache und Therapie für die seltene Erkrankung gefunden zu haben. „Ab 1. April erhalten wir in den Hausarztpraxen pro Woche erst einmal zehn Dosen von Astrazeneca, nach Ostern dann 20 Dosen“, sagt Schelling. Als nächsten Player erwarte er zudem in den Praxen den bereits zugelassenen Impfstoff von Johnson & Johnson.
Der Vorteil bei diesem Vakzin auf Proteinbasis: Es reicht eine einzige Impfung, und es kann bei Kühlschranktemperatur gelagert werden. Laut Schelling ist auch mit dem Proteinimpfstoff Novavax bald zu rechnen, der um die 90 Prozent Schutzwirkung haben soll. Anfang Sommer könnte möglicherweise auch der mRNA-Impfstoff CureVac aus Tübingen auf den Markt kommen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Ärzteverbands, Jürgen Büttner, begrüßt, dass die Hausärzt*innen nun endlich impfen dürfen. „Wir haben in unseren Praxen bereits Listen mit Impfpatienten erstellt, die wir anrufen.“ Denn es gebe keine Information darüber, wer schon in den Impfzentren war. „So manche der über 80-Jährigen sagen uns, sie hätten sich gar nicht registriert, sondern lieber auf ihren Hausarzt gewartet“, erzählt Büttner, der eine Allgemeinarzt-Praxis in Roth bei Nürnberg leitet. Die Mehrheit seiner Kundschaft warte bereits auf die Impfung, so Büttner.
Er hofft, dass bald mehr Vakzine in die Praxen kommen, auch Johnson & Johnson oder Novavax könnten dort gut geimpft werden. Außerdem seien neue Lieferungen von Biontech im Mai zu erwarten. Mit der richtigen Logistik könne dieser Impfstoff auch in der Hausarztpraxis gespritzt werden. Wie Allgemeinmediziner Schelling betonte, sei allerdings noch unklar, wann Kinder und Schwangere geimpft werden könnten. Außerdem müsse untersucht werden, wie die Impfstoffe mit ihren unterschiedlichen Technologien kombinierbar seien, so Schelling. Er ist „verhalten optimistisch“, dass bis September jede und jeder ein Impfangebot bekommen kann.
(Lucia Glahn)
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