Politik

Kommen Sie neu ins Kabinett? Von links oben: Thomas Kreuzer, Ernst Weidenbusch, Markus Blume, Florian Herrmann, Christian Bernreiter, Oliver Jörg, Kerstin Schreyer, Angelika Schorer und Hans Reichhart. (Fotos: dpa; BSZ)

04.08.2017

Hoffnungsträger in Wartestellung

Horst Seehofers Ankündigung, das Kabinett nach der Bundestagswahl umzubilden, elektrisiert die Nachwuchstalente in der CSU – wer von ihnen hat Chancen?

Seit zwei Wochen wird wild spekuliert: Welche Regierungsmitglieder dürfen bleiben, welche müssen gehen, und wer kommt neu rein ins Kabinett? Nach der Bundestagswahl Ende September will Seehofer eine große Regierungsumbildung in Bayern vornehmen. Die Staatszeitung stellt neun Aspiranten auf einen Kabinettsposten vor – acht Mitglieder der CSU-Landtagsfraktion sowie einen Landrat.
Thomas Kreuzer:
Der Erfahrene
Fachlich wäre Thomas Kreuzer (58), Chef der CSU-Landtagsfraktion, die beste Option, wenn der Posten des Innenministers tatsächlich frei wird. Wenn also Amtsinhaber Joachim Herrmann wie erhofft Bundesinnenminister wird. Kreuzer ist Jurist, verfügt als ehemaliger Staatskanzleichef über Regierungserfahrung und gilt als Eins-a-Innenexperte. Außerdem hat der Mann mit der sonoren Stimme kein Problem damit, Tacheles zu reden und Sachverhalte auch mal zuzuspitzen. Er ist also bierzelt- und talkshowtauglich. Allerdings ist fraglich, ob Kreuzer überhaupt Minister werden will. Als Regierungsmitglied wäre er eingebunden in die Kabinettsdisziplin – was bedeutet: Er müsste Seehofers Kapriolen, von denen die Fraktion samt Chef gelegentlich genervt ist, brav mittragen. Hinzu kommt: Mit Beate Merk sitzt bereits eine Schwäbin im Kabinett. Die gilt zwar nicht als Seehofers stärkster Aktivposten, muss aber wegen der sehr überschaubaren Frauendichte im Kabinett eher nicht um ihren Posten bangen. Markus Blume:
Die Allzweckwaffe
Der 42-jährige Münchner hat das neue Grundsatzprogramm der CSU federführend erarbeitet und sich damit große Meriten erworben. Blume gilt als brillanter Analytiker und sehr guter Redner. Praktisch jeder in der Partei lobt ihn. Auch wenn der Lobpreis in der chronisch zerstrittenen Münchner CSU etwas leiser ausfällt. Um Blume in die Regierung zu befördern, müsste Seehofer aus Proporzgründen entweder Kultusminister Ludwig Spaenle oder dessen Staatssekretär Georg Eisenreich ausmustern. Beides ist nicht sonderlich wahrscheinlich – der eine ist Münchner Bezirksvorsitzender, der andere sein Vize. Neben einem Kabinettsposten hat Blume, der Physik und Politikwissenschaften studiert hat, aber andere Karriereperspektiven: Im Februar 2017 avancierte er zum stellvertretenden CSU-Generalsekretär. Weshalb Parteifreunde raunen, er könnte nach der Bundestagswahl den amtierenden General Andreas Scheuer beerben. Florian Herrmann:
Der Aufstrebende
Florian Herrmann (46) hat einen auch im Politikbetrieb bekannten Vater, den seit 1995 amtierenden Präsidenten der TU München, Wolfgang A. Herrmann. Seine politische Karriere hat Herrmann von Freising aus aber ohne die erkennbare Protektion des Vaters verfolgt. Der Jurist mit dem Prädikatsexamen ist Stimmkreisnachfolger des CSU-Urgesteins Otto Wiesheu. Im Landtag hat sich der redegewandte und stets gut vorbereitete Herrmann schnell einen Namen gemacht, schon nach einer Legislaturperiode stieg er 2013 mit 42 Jahren zum Chef des Innenausschusses auf. Herrmann gehört dem konservativen Law-and-Order-Flügel der CSU an, dem alles links Angehauchte sehr suspekt ist. Mit seinem wahrscheinlichen Aufstieg ins Kabinett würde der Bau einer 3. Startbahn am Münchner Flughafen nicht leichter. Als Freisinger ist er erklärter Gegner der Piste. Kerstin Schreyer:
Die Fleißige
Die 46-jährige Sozialpädagogin gilt als die heißeste Anwärterin auf den Posten der Sozialministerin – falls Ministerpräsident Seehofer den Job nicht kabinettsintern besetzt. Amtsinhaberin Emilia Müller (65) jedenfalls wurde bereits bedeutet, dass sie im Falle einer Regierungsumbildung ihren Posten los wäre. Müller hatte angekündigt, 2018 nicht mehr für den Landtag zu kandidieren. Schreyer avancierte 2013 zur stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und ist seit März 2017 Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung. In dieses Amt hat sie sich schnell und gründlich eingearbeitet, engagierte sich vor allem für die Eingliederung weiblicher Migranten. In der Fraktion gilt Schreyer als fleißig und fachlich solide. Zupass kommen dürfte Schreyer, dass die sozialpolitischen Koryphäen der Fraktion, Joachim Unterländer (60) und Hermann Imhof (64), angekündigt haben, 2018 nicht mehr in den Landtag zu wollen. Fachlich wäre Schreyer somit erste Wahl für die Müller-Nachfolge. Ernst Weidenbusch:
Der Umstrittene
Der Münchner Ernst Weidenbusch (54) gehört zu den Menschen, die keine Ämter brauchen, um Einfluss zu haben. Er versteht sich auf das Strippenziehen im Hintergrund und ist mit Schlüsselfiguren der CSU gut vernetzt. Sein Meisterstück lieferte er, als er im Geheimauftrag von Finanzminister Markus Söder die Landesbank-Altlast Hypo Alpe Adria mit den Österreichern geräuschlos und für den Freistaat ohne neue Kosten abräumte. Weidenbusch verfügt über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein und eine manche Parteifreunde irritierende Kaltschnäuzigkeit. Im Haifischbecken Politik sind das aber durchaus hilfreiche Attribute. Ob er aber für einen Wechsel ins Kabinett seinen bestens dotierten „Nebenjob“ als Syndikus von „Lotto Bayern“ aufgeben würde, ist fraglich. Finanziell wäre das ein Abstieg. Oliver Jörg:
Der Übergangene
Für den Unterfranken Oliver Jörg (45) wäre die Berufung ins Kabinett eine Beförderung im zweiten Anlauf. Der altphilologisch gebildete und katholisch geprägte Rechtsanwalt war 2013 eine der Top-Wetten auf das Amt des Wissenschaftsministers. Doch dann verschmolz Horst Seehofer das Kultur- und das Kultusressort unter der Leitung von Ludwig Spaenle und machte Winfried Bausback zum unterfränkischen Minister (Justiz). Als Landesvorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten hat Jörg schon früh die Basis für sein späteres politisches Engagement im Bereich Hochschulen und Wissenschaft gelegt. In diesem Bereich ist er fachlich unumstritten, für die dem Ressort zugeordnete Hochkultur fehlt ihm ein wenig die Weltläufigkeit. Aufgrund der Gesamtumstände könnte er erneut zu den Übergangenen zählen. Angelika Schorer:
Die Bodenständige
Um 2013 Vorsitzende des Agrarausschusses zu werden, hat Angelika Schorer (58) fraktionsintern kämpfen müssen. Dass sich die gelernte Bankkauffrau am Ende durchgesetzt hat, lag nicht nur am sprichwörtlichen „Stallgeruch“ – Schorer führt zusammen mit ihrem Ehemann einen Bauernhof im Allgäu – sondern auch an ihrer Fachkompetenz und ihrer gewinnenden Art. Dahinter verbirgt sie nach Auskunft von Parteifreunden ihren durchaus vorhandenen Ehrgeiz. Schorers Einsatz gilt dem Erhalt des bäuerlichen Familienbetriebs, grundlegende Reformen in der Landwirtschaft sind ihr Ding nicht. Neben der Agrarpolitik nennt sie das Soziale ihr „Steckenpferd“, was sich in ihrer Mitarbeit bei der Bäuerlichen Familienberatung und im Landesvorstand des BRK ausdrückt. Eine Frau als Agrarministerin? Möglich, hängt aber von der Gesamtkonstellation ab. Christian Bernreiter:
Der Umtriebige
Über die Grenzen Deggendorfs hinaus bekannt wurde der Landrat Christian Bernreiter (53) im Sommer 2013, als das Hochwasser der Donau Dämme eindrückte und ganze Ortsteile der Stadt meterhoch überflutete. Bernreiter in Gummistiefeln neben Ministerpräsident Seehofer, Bernreiter mit Regenschirm neben Innenminister Herrmann. Abseits der Kameras, als rastloser Leiter des Krisenstabs und als verständiger Tröster der Flutopfer, hat er, so hieß es hinterher von allen Seiten, einen prima Job gemacht. Schnell raunten die ersten in der CSU, der Mann sei ministrabel. Noch aber ist Bernreiter Landrat – gewählt bis 2020, wie er betont. Und als Chef des Landkreistages hat er auch so Einfluss in München und Zugang bis nach ganz oben. Ambitionen nach mehr werden ihm trotzdem nachgesagt. In der CSU-Fraktion sind Quereinsteiger aber nicht sonderlich beliebt. Hans Reichhart:
Der Unterschätzte
Der 35-jährige Schwabe ist Landesvorsitzender der Jungen Union (JU). Was ihn schon mal per se für höhere Weihen prädestiniert – sämtliche JU-Chefs machten früher oder später in der CSU Karriere. Seine Job-Perspektive hängt auch davon ab, ob die Schwäbin Beate Merk ihren Kabinettsposten behält. Das Anforderungsprofil für Kabinettsaspiranten erfüllt er recht passabel: Reichhart kann reden, ist kommunikativ und gilt in den Bereichen Inneres und Soziales als kompetenter Fachpolitiker. Wegen seines bubihaften Aussehens wird der frühere Richter allerdings oft unterschätzt.

(Waltraud Taschner / Jürgen Umlauft)

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