Kinderarmut gehört zu den Themen, die gern groß diskutiert werden. Dennoch geschieht politisch nur wenig, um sie zu bekämpfen. Für Abhilfe wollen Kindertafeln sorgen, die bedürftige Zwergerl mit kostenlosem Essen versorgen. In den vier bayerischen Städten Würzburg, Schweinfurt, München und Trostberg funktioniert das gut. In Würzburg werden mehr als 300 Kinder in 18 Schulen und zwei Kitas durch acht Ehrenamtliche täglich mit Pausenbroten versorgt. Die Münchner Helfer*innen unterstützen rund 100 Kinder.
Etwa jedes fünfte Kind gilt laut der Organisation „Ratschlag Kinderarmut“ bundesweit als arm. Die bayernweite Quote unterscheidet sich davon kaum. „Seit Jahrzehnten verharrt die Kinder- und Jugendarmut auf einem viel zu hohen Niveau“, klagt der Ratschlag. In München versucht die Kindertafel Glockenbach bereits seit Anfang 2008 gegenzusteuern. Inzwischen werden Kinder aus zwölf Bildungseinrichtungen unterstützt, berichtet Vorstand Ulrich Ludwig. Die Münchner Kindertafel finanziert Schulmahlzeiten und Schulfrühstück. Spendenmittel fließen aber auch in Hausaufgabenbetreuung, Kunstunterricht sowie in Schulausflüge.
Viel mehr Unterstützung wäre nötig: „Unsere Hilfe reicht nicht aus“, sagt Ludwig. Die genaue Dimension der Problematik in München ist laut Ulrich nicht bekannt: „Das weiß vermutlich niemand.“
Politisch werde seit Jahren nichts gegen Kinderarmut unternommen, konstatiert Ulrich Ludwig frustriert: „Wir haben deshalb schon lange keine Wünsche mehr an die Politik.“ Die letzte Hoffnung starb mit dem gescheiterten Vorhaben von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), jene Kindergrundsicherung durchzusetzen, die im Vertrag der soeben zerbrochenen Koalition vorgesehen war.
Wie viele bedürftige Kinder in Würzburger Kitas und Schulen unterstützt werden müssten, weiß auch Ute Kremen von der dortigen Kindertafel nicht. Dazu bräuchte es mehr Rückmeldung aus den Einrichtungen: „Leider ist noch zu wenig bekannt, dass wir alle bedürftigen Kinder in Würzburg unterstützen“, sagt Kremen.
Sonderaktion Brotzeitbox
Aus personellen Gründen ist das nicht einfach. Das Konzept der Würzburger Kindertafel ist etwas anders als das in München. In Würzburg kommen Ehrenamtliche an Schultagen zusammen und schmieren Pausenbrote für Kinder, die ohne Essen zur Schule geschickt werden. „An jedem Morgen sind vier bis sechs Helfer vor Ort“, berichtet die Vorstandsfrau. Außerdem gehören zwei Fahrer dem Ehrenamtsteam an. „Wir suchen ständig Ehrenamtliche“, so Kremen. Besonders Fahrer.
Wie man das Problem der Kinderarmut endlich in den Griff bekommen könnte – Ute Kremen hat kein Patentrezept. Zumindest verbessert werden könnte die Situation, wenn die staatliche Unterstützung für arme Kinder auch tatsächlich bei den Kids ankommen würde. Kremen meint auch: Dem Thema Ernährung sollte in Schulen mehr Gewicht beigemessen werden.
In Schweinfurt erhalten arme Kinder seit 2009 von der dortigen Tafel ein gesundes Pausenbrot. Täglich werden dort über 350 Kinder versorgt. Laut dem Team der Kindertafel ist Schweinfurt bayernweit mit am stärksten von Kinderarmut betroffen.
In Trostberg bei Traunstein organisieren die Malteser eine Kindertafel, die allerdings direkt zur örtlichen Tafel gehört. Fünf Ehrenamtliche versorgen allmorgendlich zwischen 7 und 7.50 Uhr hungrige Kinder mit einem Frühstück. Rund 25 Kinder nutzen das Angebot regelmäßig.
Angesichts der Problematik verwundert, dass es nicht noch mehr Kindertafeln in Bayern gibt. Allerdings existieren schulbezogene Initiativen. So gibt der in München angesiedelte Verein Brotzeit an mehreren Schulen in Nürnberg Frühstück aus.
In der Nürnberger Wirtschaftsschule wurde 2018 von Lehrkräften und Schüler*innen ein Schulfrühstück ins Leben gerufen. Die vom Roten Kreuz getragene Tafel in Nürnberg gibt bei Sonderaktionen Brotzeitboxen aus. Ende 2023 bezogen gut 15 Prozent aller Minderjährigen in Nürnberg eine Transferleistung. Laut der städtischen Pressestelle ist die Zahl aber gesunken: 2014 lag sie noch bei 20 Prozent. „Kinder und Jugendliche sind von allen Altersgruppen nach wie vor am häufigsten von Armut betroffen“, so Pressesprecherin Natalie Lebrecht. Auch seitens der Stadt Nürnberg wünscht man sich mehr staatliche Mittel im Kampf gegen Kinderarmut.
Wie viele Kinder aus ärmeren Nürnberger Familien ohne Pausenbrot in die Schule geschickt werden, weiß man in der Stadtverwaltung nicht. „Es gibt keine verlässlichen Zahlen“, so die Pressesprecherin. Ein gelegentlich fehlendes Pausenbrot bedeute ohnehin nicht unbedingt, dass ein Kind arm ist. Sollte das Pausenbrot regelmäßig fehlen und das Kindeswohl gefährdet sein, müsse der Allgemeine Sozialdienst eingeschaltet werden. Die städtische Pressestelle verweist darauf, dass arme Kinder durch das Bildungs- und Teilhabepaket unterstützt werden. So könnten sie am gemeinsamen Mittagessen in Kita und Schule teilnehmen. Nicht möglich sei es, sich durch das Teilhabepaket belegte Brötchen oder Ähnliches am Schulkiosk zu kaufen.
In Regensburg gibt es ebenso wenig eine für das gesamte Stadtgebiet zuständige Kindertafel wie in Nürnberg, bestätigt auf Nachfrage Susanne Schophoff vom Diözesan-Caritasverband. „In erster Linie passieren solche Initiativen direkt an Schulen, Krippen, Kindergärten und Horten“, sagt sie. Mit armen Kindern hat die Caritas durch ihre Beratungsdienste ziemlich viel zu tun, erklärt Sozialexperte Robert Seitz vom Caritasverband. Durch finanzielle Familienpatenschaften werden Wünsche armer Kinder aus Regensburg erfüllt. Die Nachfrage nach den Angeboten der Caritas steigt laut Seitz seit Jahren. (Pat Christ)
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