Mit 72 nochmal an die Uni: Nach seinem Rückzug aus dem Landtag vergangenen Herbst hätte er es sich gemütlich machen können daheim im niederbayerischen Reisbach: radeln, lesen, Opern hören. Stattdessen entschied sich Ex-CSU-Chef Erwin Huber für ein Studium an der Münchner Hochschule für Philosophie. Soeben hat er das erste Semester geschafft. Anlass für ein Gespräch.
BSZ: Herr Huber, wie darf man sich Ihr Studentendasein vorstellen? Sind Sie immerfort auf Parties?
Erwin Huber: Parties? Was stellen Sie sich vor? Das Studium ist für mich eine ernsthafte Angelegenheit. Wissenschaftlich zu arbeiten ist eine große Umstellung. Ich bin als Berufspolitiker geprägt davon, Emotionen aufzunehmen, bildreich zu sprechen, praktische Lösungen zu finden für aktuelle Probleme. Die wissenschaftliche Diskussion läuft anders: grundsätzlicher, kühler und präziser. Aber das Studium und alles, was damit zu tun hat, fesselt mich sehr.
BSZ: Sie haben gerade das erste Semester hinter sich gebracht, samt Prüfung. Haben Sie bestanden?
Huber: Ja, ich habe bestanden. Aber ich fand die Prüfung an der Hochschule für Philosophie, der Universität der Jesuiten in München, ganz schön schwierig. Ich bin da wohl auch zu blauäugig reingegangen, hab mich falsch vorbereitet. Obwohl ich wirklich nicht faul war! Sogar während des Skiurlaubs mit der Familie hab ich jeden Mittag gelernt. Thema der Prüfung war die philosophische Gotteslehre, eine Frage drehte sich zum Beispiel um das Verhältnis des Menschen zu Gott. Ein weites Feld!
BSZ: Fällt Ihnen das Lernen heute schwerer als früher?
Huber: Ja. Es wird schwerer im Alter, es strengt mehr an, ich brauche mehr Pausen. Wobei Philosophie für mich halt auch eine schwierigere Thematik ist als Volkswirtschaft. Der Umgang mit Zahlen liegt mir einfach mehr. Aber ich wollte das ja so. Und ich sehe auch die Vorteile: Als Student bleibt man geistig fit. Ich sehe dieses Studium als Glücksfall meines Post-Politikerdaseins: Ich hab Zugang zu einer inspirierenden Materie, die mich fordert, auch wenn ich jetzt auf meine alten Tage nochmal Prüfungsängste durchlebe.
BSZ: Wie haben denn Ihre Mitstudenten auf Sie reagiert?
Huber: Am Anfang war schon eine gewisse Distanz da. Bestimmt haben die sich gesagt, da kommt so ein Polit-Oldie, na, schauen wir mal, wie er sich so macht. 80 bis 90 Prozent meiner Kommilitonen sind ja viel jünger als ich, die meisten kommen frisch vom Abitur. Es sind Theologen darunter, die nebenher noch Philosophie studieren. Aber inzwischen bin ich akklimatisiert und angenommen als Mensch. Viele helfen mir gern, in der Bibliothek oder wenn ich mal irgendwas nicht weiß. Und was mir große Freude bereitet hat: Ich wurde eingeladen zu studentischen Gesprächskreisen. Dort werden philosophische Themen diskutiert, was auch sehr hilfreich ist im Vorfeld von Prüfungen.
BSZ: Wie oft sind Sie an der Uni?
Huber: Während des Semesters drei-bis viermal pro Woche – das ist zeitlich durchaus fordernd. Ich habe ja nebenher auch noch CSU-Termine. Zum Beispiel ist am Montag oft Parteivorstand. Gott sei Dank haben da bisher keine Vorlesungen stattgefunden. Das würde mich echt in Gewissenskonflikte bringen, ich versuche nämlich, alle Uni-Termine wahrzunehmen.
„Auf meine alten Tage durchlebe ich Prüfungsängste“
BSZ: Welcher Philosoph fasziniert Sie besonders?
Huber: Descartes. Mit ihm beginnt der Rationalismus in der Philosophie. Seine Erkenntnisphilosophie, sein „Ich denke, also bin ich“, das spricht mich sehr an – wohl auch deshalb, weil ich selber ein disziplinierter, strukturierter Mensch bin.
BSZ: Was bringt das zweite Semester, das nun beginnt?
Huber: Nach der mündlichen Prüfung im ersten Semester, bei der es um philosophische Grundlagen ging, steht jetzt die erste schriftliche Prüfung an. Da geht es um Metaphysik– also darum, das zu ergründen, was hinter der sinnlich erfahrbaren Welt liegt. Ich muss auch meine erste Hausarbeit schreiben, im Seminar Religionskritik, im Mittelpunkt stehen der Religionskritiker Ludwig Feuerbach und der Theologe Eugen Biser. Das ist faszinierend!
BSZ: Fehlt Ihnen die Politik?
Huber: Ich bin noch im Umstellungsprozess. Von der Tagespolitik habe ich mich schon ein Stück weit entfernt. Es ist jetzt eben so, dass ich nicht mehr aktiv auf dem Spielfeld bin, sondern das Geschehen auf einem der besten Logenplätze beobachte. Aber natürlich bin ich immer noch mit Leib und Seele am politischen Geschehen beteiligt. Ich versuche bloß, mich nicht allzu stark einzumischen, da will ich aufpassen, nicht den Besserwisser zu geben. Hin und wieder, wenn mich etwas sehr beschäftigt, schicke ich aber schon eine SMS. Mit der Distanz vom politischen Betrieb erkennt man auch, wie abgehoben die Themen teilweise sind, die uns Politiker beschäftigen. Wir regen uns über Dinge auf, die eigentlich Insiderthemen sind und die die anderen 12 Millionen Menschen in Bayern kaum betreffen. Dass man als Politiker in einer politischen Blase lebt, erkennt man eben erst, wenn man nicht mehr in dieser Blase ist.
"Die CSU kann nicht hinter die Forderungen des Volksbegehrens zurück"
BSZ: Im Rückblick: Was war Ihre schönste Zeit in der Politik?
Huber: Meine vierzehn Jahre als Regierungsmitglied. Ich bin ein Mann der Tat, und in der Regierung kann man am meisten gestalten und bewegen. Der Wechsel vom Entscheider zum Antragsteller ist nicht ganz leicht. Obwohl mir meine Arbeit als Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Landtag durchaus Freude gemacht hat.
BSZ: Gibt es Dinge, die Sie mit dem Wissen von jetzt anders machen würden?
Huber: Ja, die gibt es. Ich war jemand, der immer sehr aufs Ergebnis geschaut hat, auf die Sachbilanz. Ich hätte öfter darauf achten sollen, mit welcher Methode erreiche ich dieses Ergebnis, wie ist der Weg zum Ziel. Zum Beispiel bei Stoibers Reformpolitik im Jahr 2003. Da waren ja durchaus umstrittene Projekte dabei, die Einführung des G 8, die Forstreform – bei der es auch ein Volksbegehren gab –, rigide Sparbeschlüsse im sozialen Bereich, etwa beim Blindengeld. Als Staatskanzleichef habe ich das exekutiert und Widerstände teilweise negiert. Ich habe zu spät erkannt, dass man Umfeld und Betroffene mitnehmen muss, um echt Erfolg zu haben. Heute würde ich mehr Zeit einplanen für Diskussionen und runde Tische. Generell finde ich, dass die CSU zu spät erkannt hat, dass man stärker auf Partizipation setzen und sich als Brückenbauer sehen muss.
BSZ: Gerade sitzt die CSU an einem runden Tisch zum Thema Artenschutz. Ihre Prognose?
Huber: Wir als CSU haben die ökologische Frage unterbewertet. Wir haben für diese Themen auch kein prominentes Gesicht. Das hat sich jetzt gerächt, wie man an dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ sieht. Wir müssen jetzt in der grünen Szene eine Vertrauensbasis schaffen, bei Umweltverbänden und NGOs. Und natürlich müssen wir trotzdem Ökologie und Ökonomie in eine Balance bringen. An den wesentlichen Punkten des Volksbegehrens werden wir eh nicht vorbeikommen – die CSU muss sogar noch einen Schritt weiter gehen.
BSZ: Ganz schön revolutionäre Ansagen für einen ehemaligen Grünen-Fresser. Wollen Ihre Kommilitonen mit Ihnen eigentlich auch über das Volksbegehren oder andere politische Themen reden?
Huber: Nein, das ist noch nicht vorgekommen.
BSZ: Und wie oft werden Sie von Leuten auf der Straße in politische Themen verwickelt?
Huber: Zu meinem Entsetzen kaum mehr. Die wollen alle nur darüber reden, dass ich jetzt studiere! Ich staune, wie oft mich fremde Menschen in der U-Bahn darauf ansprechen. Im Fasching war ich bei einer Veranstaltung, bei der ich extra begrüßt wurde: aber nicht als Ex-CSU-Chef, sondern als Student. Da hieß es, hier ist der Huber, der vom Kinderwagen raus direkt in die CSU gefallen ist. Aber jetzt, auf seine alten Tage, da will er nochmal was Gescheites machen. (Interview: Waltraud Taschner )
Kommentare (0)
Es sind noch keine Kommentare vorhanden!