Zur Präsentation der neuen Flutpolder-Studie kam Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) direkt von der Front - hochwassertechnisch gesehen. In Mittelfranken war am Wochenende Land unter. „Wir hatten an der Aisch Pegelstände wie noch niemals zuvor“, berichtete der sichtlich aufgewühlte Minister. „Das sind Seelandschaften am Entstehen.“
Und nun ist die Aisch verglichen mit der Donau eher ein Rinnsal. Dort könnten die „zunehmenden Naturgewalten“ wahre Katastrophen anrichten. Und deshalb gäbe es zu den Poldern „keine Alternative, sie wirken“, ist Thorsten Glauber überzeugt, der sich durch die Ergebnisse der im Januar 2019 vom Kabinett in Auftrag gegebenen Studie bestätigt sieht.
Entlang der Donau, dem größten Fluss in Bayern, soll nun in den nächsten zehn Jahren eine Kette von neun Poldern entstehen. Zwei Milliarden Euro will der Freistaat dafür investieren. Eigentlich hatte der Koalitionsvertrag drei Polder weniger vorgesehen. Zwei davon, Wörthof und Eltheim im niederbayerisch-oberpfälzischen Grenzgebiet, werden nun zusammen gefasst. Der dritte, bei der Bevölkerung am heftigsten umstrittene liegt bei Bertoldsheim im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.
Es geht um das Leben von 120.000 Menschen
„Im Ernstfall zählt jeder Zentimeter und mit den Poldern können wir im Ernstfall die Notbremse ziehen und extreme Hochwasserwellen wirksam kippen.“ Und es sind laut Studie eine Menge Zentimeter. Der Polder Bertoldsheim allein bewirkt am Pegel in Ingolstadt eine entsprechende Absenkung von mehr als 20 Zentimetern - eine Absenkung des Hochwasserscheitels um 50 Prozent.
Am Pegel Straubing sind es sogar knapp 40 Zentimeter und am Pegel Deggendorf immerhin noch bis zu 24 Zentimeter. Mit den Poldern könne man die Scheitel über einen Zeitraum von bis zu 60 Stunden kappen, versichert der , und damit die Donauwelle durchbrechen.
Denn es geht um immense Werte, die entlang der Donau vor Schäden geschützt werden müssen. Die materiellen - Wohnhäuser, Schulen, Fabrikgebäude - belaufen sich nach den Berechnungen des Ministeriums auf rund neun Milliarden Euro, und, viel wichtiger: das Leben von 120.000 Menschen, die entlang des Flusses leben.
Katastrophenszenarien in 2-D-Modellierung durchgespielt
Die neue Studie, versichert Martin Grambow, Professor an der Technischen Universität München und im Umweltministerium zuständig für Wasserwirtschaft, sei technisch viel aufwändiger gewesen als vorherige. So wurde etwa mit einer 2-D-Modellierung gearbeitet, mit der sich mögliche Katastrophenszenarien detailliert durchspielen lassen. Auch die Auswirkungen auf die Schifffahrt wurden untersucht.
Mit seinen Polder-Plänen, für die Umweltminister Glauber leidenschaftlich warb, schafft er sich freilich nicht nur Freunde. Widerstand schlägt ihm nicht nur von den Landwirten entgegen, die um den Wert ihrer Ackerböden und Weiden bangen. Sondern auch aus den Reihen der Kommunalpolitik. Zu deren Wortführerinnen gehört Tanja Schweiger von den Freien Wählern, die Landrätin von Regensburg.
Sie ist außerdem Lebensgefährtin von Vize-Ministerpräsident und FW-Chef Hubert Aiwanger. Was in der Vergangenheit wohl dazu führte, dass dieser seinen Parteifreund im Umweltressort in Sachen Polder nicht so unterstütze, wie es sich Glauber vielleicht gewünscht hätte.
Doch den von Tanja Schweiger und ihren Anhängern ins Spiel gebrachten Alternativen zu den Poldern - Rückhaltebecken an den Zuflüssen und ein sogenanntes optimiertes Staustufenmanagement - sind aus Sicht Thorsten Glaubers keine solchen; zumindest keine ausreichenden.
Bauern erhalten 100 Prozent Ausgleich für Ernteausfälle
Rückhaltebecken hätten im besten Fall nur 70 Prozent der Wirkung von Poldern. Und das Staustufenmanagement „reduziert die Pegel nur im sehr niedrigen einstelligen Prozentbereich“. Allein die Polder in Wörthof und Eltheim dagegen könnten rund 30 Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten. Für die Landwirte soll es bei einer Flutung auch einen 100-prozentigen Ausgleich der Ernteausfälle geben.
Trotz der von ihm mehrfach betonten „Alternativlosigkeit“ zu den Poldern will der Umweltminister intensiv für diese in der Bevölkerung werben. Am kommenden Montag soll es im Kloster Weltenburg ein Treffen mit den Landräten und Bürgermeistern der Anrainer-Kommunen geben, am Dienstag dann einen Online-Dialog mit Bürgern.
„Aber klar ist auch: Es wird am Ende immer noch jemand geben, der sich benachteiligt fühlt“, sagt der Minister abschließend.
(André Paul)
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