Seit vier Jahren schon hat er überhaupt keinen Kontakt mehr zu seinen beiden Ki

ndern. Der Regensburger Günter Mühlbauer ist verzweifelt. Der lapidare Rat einer Sachbearbeiterin des Jugendamts: „Schreiben Sie den Kindern doch ab und an eine Karte.“ Die leben mit ihrer Mutter nur 2,5 Kilometer entfernt. Manchmal sieht Mühlbauer sie von Weitem auf der Straße. Doch sprechen kann er mit ihnen nicht.
Vorausgegangen ist ein langer Rechtsstreit. „Am Ende hieß es, die Kinder hätten Angst vor mir“, erzählt Mühlbauer. Das Umgangsrecht wurde ausgesetzt. Ein Sorgerecht hatte er ohnehin nie. Denn mit der Mutter seiner Kinder war Günter Mühlbauer nicht verheiratet. Heute kommt etwa jedes dritte Kind in Deutschland unehelich zur Welt – Tendenz steigend.
So schwierig es meist ist, Sorgerechtsstreitigkeiten tatsächlich zu durchschauen, klar ist auch: Als lediger Vater hat man in Deutschland nur sehr eingeschränkte Rechte. Gerade hat der Europäische Gerichtshof die Klage von zwei Männern abgelehnt, die als biologische Väter auch rechtlich als Väter anerkannt werden wollten. Die Begründung aus Straßburg: Da eine „sozial-familiäre“ Beziehung bereits bestehe – zum Ehemann beziehungsweise Lebensgefährten der Mutter –, halte man die Benachteiligung der leiblichen Väter für gerechtfertigt.
Straßburg: Ledige Vätern werden „diskriminiert“
Mühlbauer ist enttäuscht: „Jedes Kind hat doch ein Recht auf seine Herkunft“, schimpft er. Seit Jahren kämpft der Regensburger für mehr Gleichberechtigung von Müttern und Vätern. Im Jahr 2002 hat er in Amberg den Verein Trennungsväter mit ins Leben gerufen und 2008 die Trennungseltern-Initiative gegründet. Seither haben Mühlbauer und seine Mitstreiter mit einigen Aktionen auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Mal sind sie mit einem Blasorchester vor das Bundesverfassungsgericht gezogen, „um die Karlsruher Richter wachzurütteln“. Und in Straßburg hat er den Richtern Blumen überreicht.
Denn meist waren es in der Vergangenheit europäische Urteile, wenn es um die Stärkung der Rechte von Vätern ging. Bereits 2009 hat der Menschenrechts-Gerichtshof mit einer Entscheidung klargemacht, dass das Sorgerecht in Deutschland neu geregelt werden müsse. Denn Väter nichtehelicher Kinder würden hierzulande „diskriminiert“. Sie können bislang nur mit der Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht erhalten, ein Veto war gerichtlich nicht anfechtbar. Das Bundesverfassungsgericht erklärte daraufhin im Jahr 2010 diese Bestimmung für verfassungswidrig. Seither gilt eine Übergangsregelung, mit der Väter den Gerichtsweg beschreiten können.
Nach langem Streit einigten sich die Koalitionsspitzen in Berlin nun auf die Eckpunkte eines neues Gesetzes, mit dem Väter es beim Sorgerecht einfacher haben sollen. Wenn die Mutter künftig Nein sagt, hat der Vater die Wahl, entweder direkt das Gericht anzurufen oder zunächst mit der Hilfe des Jugendamtes eine Einigung herbeizuführen. Für alle unproblematischen Fälle soll ein neues beschleunigtes Gerichtsverfahren greifen. Das Gericht entscheidet ohne Anhörung im schriftlichen Verfahren, wenn sich die Mutter entweder nicht zum Wunsch des Vaters äußert oder wenn Ablehnungsgründe erkennbar nichts mit dem Kindeswohl zu tun haben.
Das Kindeswohl – haben das nicht alle im Blick? Doch was für ein Kind das Beste ist, ist nicht nur von der Perspektive des jeweiligen Elternteils abhängig, auch grundsätzliche Überzeugungen spielen eine Rolle. So waren sich FDP und CDU/CSU lange nicht einig. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wollte ursprünglich, dass auch nicht miteinander verheiratete Eltern automatisch ein gemeinsames Sorgerecht erhalten. Das ist in den meisten europäischen Ländern so üblich und auch die Hauptforderung von Väter-Aktivisten wie Mühlbauer.
Auch künftig geht das Sorgerecht an die Mutter
Mühlbauer, der große Hoffnung auf die FDP-Ministerin gesetzt hat, ist enttäuscht. Denn auch künftig bekommt nur die Mutter automatisch das Sorgerecht, der Vater muss es beantragen. Auch Rainer Sonnenberger, Vorsitzender des bundesweit tätigen Vereins Väteraufbruch für Kinder kritisiert, dieses „Reförmchen“ ginge am Kern des Problems vorbei. Eine Gleichstellung nichtehelicher Kinder sei nicht erreicht.
Was sich tatsächlich im Vergleich zur geltenden Übergangsregelung ändert: Die Beweislast wird umgekehrt. Nicht mehr der Vater muss beweisen, dass es dem Wohl des Kindes dient, wenn er beispielsweise mitentscheiden darf, auf welche Schule sein Kind gehen soll oder welche medizinische Behandlung angebracht ist. Künftig muss die Mutter darlegen, warum ein gemeinsames Sorgerecht dem Kindeswohl nicht entspricht.
Kritik kommt auch von der SPD. Die stellvertretende Bundesfraktionsvorsitzende Christine Lambrecht hält es für „unverantwortlich“, dass „Schwarz-Gelb eine derart weitreichende Entscheidung im Sorgerecht ohne Anhörung der Eltern“ zulassen will. Der Deutsche Juristinnenbund sieht deshalb sogar die „grundrechtlichen Ansprüche von Mutter und Kind beeinträchtigt“.
Richtig zufrieden mit der geplanten Neuregelung ist dagegen Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), die immer wieder dafür plädiert hatte, die gemeinsame Sorgerechtserklärung aufrechtzuerhalten. Denn das sei „die tragfähigste Grundlage dafür, dass sie die gemeinsame Sorge anschließend auch verantwortungsvoll miteinander ausüben“, sagt sie der Staatszeitung. Automatisch eine gemeinsame Sorge eintreten zu lassen, ergibt in Merks Augen keinen Sinn. „Was bringt ein gemeinsames Sorgerecht, wenn der Vater nicht auffindbar oder nicht bereit ist, sich um sein Kind zu kümmern?“
„Doch was ist mit den Vätern, die wollen, aber nicht dürfen“, kontert Mühlbauer. Aus eigener Erfahrung bezweifelt er, dass Jugendämter und Gerichte immer die beste Entscheidung zum Wohl des Kindes treffen. Er fordert deshalb unter anderem eine Fachausbildung für Familienrichter und Anwälte, die nur die Rechte der Kinder vertreten, „denen es also weder um die Rechte der Väter noch der Mütter geht“. (
Angelika Kahl)
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