Politik

Der Alte Hof in München: Der Freistaat veräußerte das Luxusgrundstück im Jahr 2001 an die Schörghubergruppe, die dort Erbbauwohnungen errichtete. (Foto: dpa)

29.06.2018

Immobilienkauf für 99 Jahre

Um den Kauf von Wohnraum erschwinglicher zu machen, setzen Städte verstärkt auf Erbbaurechte – was bringt das wirklich?

Allein in München fehlen rund 80 000 bezahlbare Wohnungen. In Nürnberg sind es etwa 58 500 und in Augsburg 27 200. Während auf dem Mietmarkt über die Mietpreisbremse versucht wird, Wohnungen erschwinglich zu halten, soll mit verschiedenen Instrumenten versucht werden, Durchschnittsverdienern auch den Kauf einer Immobilie zu ermöglichen. Das neu geschaffene Baukindergeld ist eine Möglichkeit. Eine andere ist die Ausweitung des Erbbaurechts. Darauf wollen verschiedene bayerische Städte jetzt verstärkt setzen. Eine Superlösung für alle ist das aber nicht.

Der Münchner Stadtrat hat im Rahmen des „preisgedämpften Konzeptionellen Mietwohnungsbaus“ (KMB) bereits im November 2016 beschlossen, Grundstücke nur noch im Erbbaurecht zu vergeben. Für einen Erfahrungsbericht ist es noch zu früh. „Es zeichnet sich aber ab, dass das Erbbaurecht nicht nur für die Stadt eine gute Alternative zum Verkauf ist“, sagt ein Sprecher der Landeshauptstadt. Die Stadt halte sich damit nämlich die Möglichkeit offen, nach dem Auslaufen des Erbbaurechtes neu planen zu können.
Das Erbbaurecht ermöglicht es, ein Haus zu bauen, ohne das Grundstück kaufen zu müssen. Die Immobilie gehört einem dann für einen begrenzten Zeitraum – 50 bis 99 Jahre. Doch diese verlockende Möglichkeit muss genau durchgerechnet werden. Denn Erbpacht lohnt sich nur, wenn sowohl Kreditzinsen als auch Grundstückskosten hoch sind.

Man muss genau rechnen: Nicht immer lohnt sich der Erbbau

Beispiel: Eine Familie will sich ein Haus für 250 000 Euro und den dazugehörigen Grund für 100 000 Euro kaufen. Dafür setzt sie 70 000 Euro Eigenkapital ein. Es bleiben 280 000 Euro, die finanziert werden müssen. Das ergibt bei 15 Jahren Zinsbindung, 2 Prozent Sollzins und 3 Prozent Tilgung eine monatliche Rate von 1167 Euro. Würde die Familie auf Erbbau setzen, entfielen zwar 100 000 Euro für den Grund. Doch unterm Strich spart sie im Monat bei 3 Prozent Erbbauzins nur 167 Euro. Denn zur Kreditrate von 750 Euro kommen noch einmal 250 Euro monatliche Pachtgebühr für den Grund hinzu. Der Liquiditätsvorteil ist also sehr bescheiden.

Entscheidend für interessierte Käufer ist vor allem, wie hoch die Kommune die Erbbauzinsen ansetzt. Nürnberg beispielsweise geht von 6 Prozent aus, wie ein Sprecher der Stadt sagt. Trotzdem will die Stadt in ihrem Sonderprogramm Wohnen demnächst ein Grundstück im Erbpachtmodell anbieten und hofft auf Käufer. Auch in Regensburg denkt die bunte Koalition im Stadtrat derzeit über Erbbaurechte auf dem Gebiet der ehemaligen Prinz-Leopold-Kaserne nach. „Zukünftig soll die Stadt generell mehr Einfluss auf die Bodenpreisentwicklung nehmen, und Grundstücke sollen auch in Erbpacht vergeben werden“, erklärt eine Sprecherin der Stadt. Augsburg will neue Grundstücke ab 2019 ebenfalls zum Verkauf oder zur Vergabe im Erbbaurecht anbieten.

Ein weiteres Risiko des Erbbaurechts liegt in der Laufzeit, die bis zu 99 Jahre betragen kann. Den niedrigen Einstiegskosten stehen laufende Erbpachtzinsen während der gesamten Nutzungszeit gegenüber. „Besonders nachteilig werden vielfach die im Laufe der Jahre steigenden Erbpachtzinsen empfunden“, betont eine Sprecherin des bayerischen Bauministeriums. Die Erhöhungen werden oft an den Lebenshaltungskostenindex gekoppelt. Dazu kommt, dass sich gegen Ende des Erbbaurechts die Beleihung der Immobilie, zum Beispiel um Modernisierungen durchführen zu können, wegen des möglichen Heimfalls an den Grundstückseigentümer schwierig gestalten kann.

Um das Instrument Erbbaurecht zu verbessern, muss die öffentliche Hand bereit sein, Grundstücke hierfür zu bezahlbaren Preisen anzubieten – und eben nicht meistbietend an Investoren zu verhökern. Ein gewisser Prozentsatz der Areale müsste per Gesetz für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum reserviert werden. (Ralph Schweinfurth)

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