Josefa Schmid hat der heilige Zorn gepackt. So wirkt es zumindest, wenn man die zahlreichen Berichte und Protestschreiben liest, mit denen die Mitarbeiterin des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) seit Wochen die Leitung der Behörde, das Bundesinnenministerium und das Bremer Verwaltungsgericht bombardiert. Informationen im "größten Flüchtlingsskandal der Republik" bietet sie an - und fühlt sich ausgebootet.
Getrieben wird die Beamtin einerseits von ihrem Willen, zur Aufklärung der Affäre um möglicherweise mangelhafte Asylverfahren in der Bremer Bamf-Außenstelle beizutragen. Andererseits geht es ihr auch darum, ihre erst zu Jahresbeginn angetretene Stelle als neue Leiterin der Bremer Dienststelle nicht zu verlieren. Davon abgesehen hat Schmid, die ehrenamtliche Bürgermeisterin der kleinen niederbayerischen Gemeinde Kollnburg ist, auch politische Ambitionen. Die FDP-Kommunalpolitikerin ist Kandidatin ihrer Partei für die bayerische Landtagswahl im Oktober.
Als Josefa Schmid aus Bayern nach Bremen kommt, da ist es als Krisenmanagerin. Die bisherige Leiterin der Bamf-Außenstelle, Frau B., muss ihren Posten räumen. Der Verdacht: Unter ihrer Führung sollen im großen Stil Asylbewerber zu Unrecht als Flüchtlinge anerkannt worden sein, die Rede ist von mindestens 1200 Fällen. Dabei geht es vor allem um Menschen, die Kurdisch sprechen und erklärten, sie seien Angehörige der religiösen Minderheit der Jesiden. Hinweise, dass die damalige Dienststellenleiterin B. dafür Geld genommen haben soll, gibt es aber nicht. Im November 2017 erstattet das Bamf Anzeige. Inzwischen ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft.
Schmid versucht mit Seehofer Kontakt aufzunehmen
Schmid tritt den Dienst als neue Leiterin des Bremer Bamf-Ablegers im Januar an. Sie arbeitet sich ein, wälzt Akten und elektronische Dokumente. Im Februar handelt sie: Unaufgefordert schreibt sie einen Bericht an die Behördenleitung in Nürnberg, mit Verdachtsmomenten und Beobachtungen zu dem Fall.
Als die gewünschte Resonanz ausbleibt, wendet sie sich an eine höhere Ebene. Sobald Anfang März klar wird, dass der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) als Innenminister nach Berlin wechselt, versucht sie Kontakt herzustellen. So jedenfalls schildert sie es in einem auf den 13. Mai datierten Schreiben an Seehofer, das der Deutschen Presse-Agentur und anderen Medien vorliegt. Schmid schreibt darin, "bereits seit Anfang März" habe sie sich an das Vorzimmerbüro Seehofers in der Münchener Staatskanzlei gewandt.
Doch Schmid stößt, so jedenfalls empfindet sie es, auf taube Ohren: "Unendlich darüber gefreut" hätte sie sich über den neuen Mann in Berlin, der dies doch sicher zur "absoluten Chefsache" erklären müsste. "Leider wurden wir nicht erhört", schreibt sie im Rückblick bitter in ihrem Schreiben vom Mai.#
Schmid erhebt schwere Vorwürfe
Dann wird Schmid "erhört". Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Stephan Mayer, telefoniert am 4. April mit ihr. Der bisherige CSU-Bundestagsabgeordnete gilt als enger Vertrauter Seehofers. "Die Abgabe von an den Minister gerichteten Terminanfragen, beispielsweise an Staatssekretäre, entspricht dem üblichen ministeriellen Verfahren", versichert das Innenministerium. Danach schickt Schmid Mayer eine schriftliche Darstellung der Vorgänge in der Bremer Bamf-Stelle.
Schwere Vorwürfe erhebt Schmid in diesem Dokument: "Hier wurden systematisch und grob fahrlässig Identitäten von Antragstellern nicht ermittelt." Bereits rechtskräftige, negative Asylbescheide seien aufgehoben worden. Das Bundesinnenministerium solle alsbald eine Sicherung früherer Datenbestände veranlassen, um ein Verschwindenlassen von Beweismitteln zu verhindern. Zwei Tage nach Schmids Telefonat mit Mayer lobt Minister Seehofer bei einem Besuch der Nürnberger Bamf-Zentrale die "hervorragende" Arbeit der Behörde.
Rund einen Monat später muss Schmid gehen. Sie soll künftig wieder im bayerischen Deggendorf arbeiten. Das Bamf teilte dazu auf Anfrage mit, dies sei "aus Gründen der Fürsorge für die Beamtin" geschehen, die Gegenstand öffentlicher Berichterstattung geworden sei. Das Bundesinnenministerium will da nicht widersprechen: Der Schritt des Bamf "erfolgte aus Fürsorgegründen anlässlich des hohen öffentlichen Druckes durch die intensive Presseberichterstattung". Aus Sicht des Ministeriums sei das "angemessen".
Mit dem Licht der Öffentlichkeit hat Schmid als langjährige Kommunalpolitikerin gar kein Problem - im Gegenteil. Sie darf als Beamtin aber nicht über interne Vorgänge in der Behörde sprechen. Ihre Versetzung erfolgte nur einen Tag, nachdem der interne Bericht an Mayer öffentlich geworden war.
Auf ein Treffen mit Seehofer hofft Schmid weiterhin: "Lieber Herr Minister Seehofer, ich bitte Sie freundlichst um ein kurzes persönliches Gespräch", schreibt sie am 13. Mai. Parallel kämpft sie vor Gericht weiter gegen ihre Versetzung - bisher erfolglos.
(Anne-Beatrice Clasmann und Martina Herzog, dpa)
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