Politik

Neben den großen Parteien wie der SPD kämpfen dieses Jahr unter anderem auch Freie Wähler und ÖDP um den Einzug in den Bundestag. (Foto: loh)

10.09.2021

Kleine Parteien – große Pläne

19 Parteien, die noch nicht im Bundestag sind, treten in Bayern an – wir stellen sieben davon vor

Die ÖDP ist mit über 8000 Mitgliedern und 530 kommunalen Mandaten (400 in Bayern) längst eine feste Größe. Christian Rechholz, Bundesvorsitzender und bayerischer Spitzenkandidat, hofft, dass der Rückenwind aus dem erfolgreichen Artenschutz-Volksbegehren im Freistaat seiner Partei nun auch bei Bundestagswahlen einen Stimmenzuwachs bringt. Bislang kam die ÖDP dort nie auf mehr als 0,4 Prozent. Klima- und Umweltschutz stehen bei der Ökopartei, die keine Konzernspenden annimmt, im Mittelpunkt. Ein weiterer Schwerpunkt der Partei liegt seit der Corona-Krise auf einer Reform des sozialen Sicherungssystems, das durch Steuern finanziert werden soll. Außerdem fordert die ÖDP ein Erziehungs- und Pflegegehalt.

„Europäisch denken, lokal handeln“ ist der Wahlslogan der Volt-Partei, deren Vision ein geeintes Europa mit einer gemeinsamen europäischen Regierung ist. Volt ist als paneuropäische Partei in 28 Ländern aktiv, in Deutschland hat sie etwa 4000 Mitglieder und stellt einen Abgeordneten im EU-Parlament. Bei der Bundestagswahl tritt Volt zum ersten Mal an. Auf nationaler Ebene stehen Bildung, Klima und Digitalisierung im Mittelpunkt. „Ich bin fassungslos, dass ich selbst auf den Hauptstrecken der Bahn keinen Internetempfang habe“, sagt Hans-Günter Brünker, Spitzenkandidat und Bamberger Stadtrat, der zu seinen Wahlkampfterminen mit dem Zug fährt.

Er ist nicht nur Kanzlerkandidat von Team Todenhöfer – der Gerechtigkeitspartei, die er im November 2020 an seinem 80. Geburtstag gegründet hat. Sondern er hält sich auch für „den Einzigen, der Kanzler kann“. Bescheidenheit ist nicht das Ding des ehemaligen CDU-Bundestagsabgeordneten und Publizisten Jürgen Todenhöfer. Das Wahlprogramm der Ein-Mann-Partei, die nach eigenen Angaben etwa 7500 Mitglieder hat, fordert „einen Aufstand der Anständigen“. Eines der Kernthemen: die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Außerdem sollen Mandate und Regierungsämter auf zwei Wahlperioden beschränkt, Großspenden an Parteien verboten und die öffentliche Verwaltung um mindestens ein Drittel verkleinert werden.

Lobbyismus bekämpfen – das wollen viele

Die Mitglieder der HipHop Partei Die Urbane (du.) wollen die Werte der Subkultur „in die politischen Strukturen“ bringen: Sie setzen sich gegen Rassismus, Kolonialisierung, Antisemitismus und jede Form der Diskriminierung ein. Die Partei will Personengruppen repräsentieren, die bisher kaum in Parlamenten vertreten sind – insbesondere „People of Color“, aber auch Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten. 50 Prozent der Vorstandspositionen in der Partei müssen mit Nichtweißen und Frauen oder Transgender-Menschen besetzt sein, erklärt die bayerische Vorsitzende Ulrike Jarsetz. Ein wichtiger Baustein dafür: Bildung – ohne Noten und Fixierung auf Fachwissen. Ebenfalls im Programm: ein bedingungsloses Grundeinkommen. Bundesweit hat du. 339 Mitglieder, in Bayern, wo es sie erst seit Juni gibt, 42.

Die Unabhängige kann in Bayern und Brandenburg gewählt werden. Sie fordert mehr direkte Demokratie, vor allem mittels Volksentscheiden. Im Zentrum stehen Entscheidungen über das Grundgesetz und eine „künftige europäische Verfassung“. Außerdem will man eine von der Industrie unabhängige Wissenschaft, eine objektivere Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien, weniger Lobbyismus, eine faire Parteienfinanzierung und ein bürgerfreundliches Wahlrecht. Neben eigenen Kandidierenden unterstützt die Partei Einzelbewerber*innen, die sich bei dieser Bundestagswahl in sieben Bundesländern parteifrei für mehr Bürgerbeteiligung einsetzen. Einer ist Konrad Dippel im Wahlkreis Weiden. Seit 2005 tritt der Holzkaufmann und Bio-Bauer regelmäßig an, aktuell auf Listenplatz 2. Er will unbedingt in den Bundestag, sagt er. Das sei seine „Lebensaufgabe“.

Für die Freien Wähler ist es der dritte Versuch, in den Bundestag einzuziehen. Immerhin: Die Umfragewerte lassen zumindest ein bisschen hoffen. Nach FW-Angaben liegt die Partei bundesweit bei Werten zwischen 3,5 und 4 Prozent. Bei der letzten Bundestagswahl kamen die Freien nur auf 1 Prozent. Warum braucht man die FW, die eigentlich aus der Kommunalpolitik kommen, in Berlin? „Wir kommen aus der Praxis“, betont FW-Generalsekretärin Susann Enders. Im Parteiprogramm liest sich das so: „Wir sind eine Bürgerbewegung des gesunden Menschenverstandes.“ Die FW wollen unabhängig bleiben, verzichten deshalb auf Spenden von Konzernen. Damit, sagt Enders, wäre man dann „ein absolutes Novum im Bundestag“. Erste Amtshandlung der FW, sofern sie es dorthin schaffen sollten und was zu sagen hätten, wäre laut Fabian Mehring, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der FW im Landtag, die Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Sprich: ein deutschlandweiter Corona-Freedom Day. Im Landtag sitzen die FW bereits seit 2008, dort sind sie inzwischen in Regierungsverantwortung, als Koalitionspartner der CSU.

Die Basis-Partei entstand im Zuge der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen. Der Vorsitzende des bayerischen Landesverbands, Clemens Sandmeier (54), sagt, er habe sich damals „von allen im Bundestag vertretenen Parteien im Stich gelassen gefühlt“. Der Rechtsanwalt aus Schwaben war zuvor treuer FDP-Wähler. Im Zentrum der Basispartei, die bundesweit 24 000 und bayernweit 6000 Mitglieder zählt, stehen Freiheit und Basisdemokratie – für letztere hat sie den etwas diffusen Begriff Schwarmintelligenz gesetzt. Als Corona-Leugner sieht sich Sandmeier absolut nicht; auch missfällt ihm, dass seine Partei oft in einem Atemzug mit der AfD genannt wird – „die für mich nie infrage kam“. Weitere Forderungen der Basispartei sind eine solidere Geldpolitik, Eindämmung des Lobbyismus in der Politik oder bezahlbares Wohnen.
(Angelika Kahl, David Lohmann, Waltraud Taschner)

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