Politik

Hass und Hetze gibt es nicht nur im Netz. Auch die Zahl analoger Straftaten gegen Politiker steigt. (Foto: Lukas Schulze/dpa)

01.07.2020

Kommunalpolitiker im Visier des Hasses

Immer häufiger sind Bayerns Kommunalpolitiker Hasskriminalität ausgesetzt. Während Experten vor gravierenden psychologischen Folgen für die Betroffenen warnen, kündigt die Staatsregierung weitreichende Schutzmaßnahmen an

Tote Ratten, Hetzbriefe und hasserfüllte Drohungen - wenn Gudrun Donaubauer, Bürgermeisterin der Stadt Hauzenberg im Landkreis Passau, an die Postsendungen des letzten Sommers denkt, kehrt das beklemmende Gefühl zurück. "Damals war es erstmal das brutale Erstarren, dass es mir passiert. Auf einmal kommt da so ein Hass an bei mir", erinnert sich die parteilose Politikerin.

Über Wochen hinweg bekam sie Tierkadaver, Rattengift, Hassbekundungen und Androhungen sexualisierter Gewalt ins Rathaus und nach Hause geschickt. Ihren Vater erreichte sogar ein Schreiben, in dem jemand der Bürgermeisterin ein qualvolles Krebsleiden wünschte. Bei jeder neuen Postsendung sei sie wieder in Hab-Acht-Stellung gewesen, erzählt Donaubauer. "Ich habe mir gedacht, was ist die Stufe nach der Post, ist das dann Gewalt?" Bis heute seien die Urheber nicht ermittelt worden.

Ein Einzelfall ist Donaubauers Erfahrung mit Hass und Hetze nicht - im Gegenteil. Die Bayerische Staatsregierung und kommunale Spitzenverbände schlagen Alarm: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zufolge stieg die Zahl der analogen und digitalen Straftaten gegen Kommunalpolitiker von Verleumdungen und Beleidigungen bis hin zu Morddrohungen und körperlichen Attacken zuletzt immer weiter an. Während es 2017 im Freistaat 194 angezeigte Fälle gegeben habe, seien es 2019 bereits 272 gewesen. Bis Ende Mai dieses Jahres habe es schon 158 entsprechende Strafanzeigen gegeben.

Brief mit expliziten Morddrohungen

Jörg Wolstein, Psychologe an der Universität Bamberg, schätzt Drohungen und massive persönliche Anfeindungen für die betroffenen Politiker als extrem belastend ein. "Das sind sogenannte interpersonelle Traumata, also von anderen Menschen absichtlich zugefügte Schäden." Wenn jemand wiederholt mit Hass und Hetze konfrontiert sei, wiege die Belastung in der Regel noch schwerer, erklärt Wolstein.

Den niederbayerischen FDP-Kommunalpolitiker Marco Altinger hat jüngst sogar ein Brief mit expliziten Morddrohungen erreicht. Sorgen mache er sich besonders um seine Familie, zu der auch zwei kleine Kinder gehören, schildert Altinger. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) im vergangenen Jahr habe gezeigt, dass Drohungen auch Taten folgen könnten: "Man hat gesehen, dass die abstrakte Gefahr sehr konkret werden kann."

Mit einem umfassenden Maßnahmenpaket will die Staatsregierung deshalb Bayerns Kommunalpolitiker besser vor Hasskriminalität schützen. Das am Mittwoch in München von Innen- und Justizministerium vorgestellte Schutzkonzept sieht beispielsweise vor, dass im Netz bedrohte oder beleidigte Kommunalpolitiker künftig in einem Online-Verfahren direkt Anzeige erstatten können. Außerdem soll es feste Ansprechpartner für Kommunalpolitiker bei allen bayerischen Staatsanwaltschaften geben. Bei der Polizei sollen besonders geschulte Experten wie beispielsweise Cybercrime-Spezialisten zur Verfügung stehen.

Manche ziehen sich von Ämtern zurück

Was aber machen Drohbriefe, Mails und offenkundige Anfeindungen mit ihren Empfängern? "Das hängt davon ab, wie ein Mensch mit Belastungen umgehen kann. Es gibt Leute, die haben da ein dickeres Fell und Leute, die sind sehr dünnhäutig", sagt Psychologe Wolstein. Bürgermeisterin Donaubauer hat vor allem die Unberechenbarkeit der Situation belastet, wie sie sagt. "Die körperliche Bedrohung habe ich gar nicht so sehr als Gefühl gehabt, sondern eher, dass mir jemand auflauern oder mich beobachten könnte."

Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sieht inzwischen das politische Leben im Freistaat durch Hass und Hetze als beeinflusst an, weil manche Bürger in der Folge nicht mehr für politische Ämter kandidieren wollten. Einen Rückzug hält auch Psychologe Wolstein für eine durchaus übliche Reaktion: "Manche entwickeln dann eher ein Vermeidungsverhalten und es gibt andere, die selber aktiv werden und "in den Angriff übergehen".

So kam für Donaubauer ein Rückzug aus der Politik wegen der Drohungen nicht in Frage, wie sie betont: "Das war für mich nie der Gedanke, dass ich sage, jetzt kandidiere ich nicht mehr, weil mir das zu gefährlich wird. Das sind einzelne, wirklich kranke Geister, die glauben, auf dieser Schiene irgendeine Meinungsbildung beeinflussen zu können." Auch Altinger bremsen die nur wenige Wochen alten Drohungen nach eigener Aussage nicht aus. "Ich fühle mich dadurch eigentlich bestärkt, den Kampf für die Demokratie zu intensivieren."
(Josefine Kaukemüller, dpa)

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