Politik

Kerzen und Rosen bei einer Mahnwache anlässlich des Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. (Foto: dpa/Swen Pförtner)

14.11.2019

Kommunalpolitiker in Angst

Immer öfter werden Bürgermeister und andere Mandatsträger beleidigt und bedroht – viele wollen deshalb nicht mehr kandidieren

Dass Kommunalpolitiker immer häufiger Anfeindungen, Bedrohungen oder gar körperlichen Attacken ausgesetzt sind, wussten bis vor Kurzem nicht einmal die Betroffenen selbst. So auch Silvia Kugelmann, Bürgermeisterin der 2500-Seelen-Gemeinde Kutzenhausen im Landkreis Augsburg und Mitglied einer parteiunabhängigen Wählervereinigung. „Verbale Hinrichtungen“ im Internet hat sie erlebt, musste zerstochene Autoreifen beklagen, offene Anfeindungen ertragen – in der Annahme, es gehe nur ihr so. Im Innenausschuss des Landtags erzählt sie nun, wie einsam man sich in dieser Situation fühle. Man suche die Fehler bei sich, martere sich mit der Frage, warum es „ausgerechnet mich“ treffe. Erst als sie an die Öffentlichkeit gegangen sei und viele Rückmeldungen von Kollegen erhalten habe, sei ihr klar geworden, dass es sich um ein leider weit verbreitetes Phänomen handle.

Inzwischen ist die Bedrohung von Amts- und Mandatsträgern in der „großen Politik“ angekommen. Erschreckende Vorfälle wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), der Messeranschlag auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) und die Morddrohungen gegen die Grüne Claudia Roth oder Bayerns SPD-Generalsekretär Uli Grötsch haben das Thema ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gespült. Wie groß das Problem wirklich ist, lässt sich bislang jedoch nur erahnen, belastbare statistische Daten gibt es auch in Bayern nicht. Eine Annäherung liefert eine Umfrage des bayerischen Städtetags. Demnach hat ein Drittel der kommunalen Mandatsträger im Freistaat bereits Erfahrung mit Hassbotschaften und Gewalt gemacht.

Nur ein Bruchteil der Betroffenen erstattet Anzeige

Allerdings ist das Dunkelfeld groß, wie bei einer Expertenanhörung im Innenausschuss deutlich wurde. Denn nur ein Bruchteil der Betroffenen geht an die Öffentlichkeit oder erstattet Anzeige. Kugelmann nennt einen Grund. Viele sprächen aus Angst nicht darüber, weil ihnen das als Schwäche ausgelegt werden könnte. Andere versuchen es zu verdrängen. Hans-Peter Mayer vom bayerischen Gemeindetag verweist zudem auf das Gefühl der Ohnmacht vieler Betroffener. Zum einen erlebten diese im Ort oft kaum Solidarität, zum anderen würden die meisten Strafanzeigen im Sande verlaufen. „Wer Anzeige erstattet, erlebt oft, dass im Verfahren nichts herauskommt“, klagt Mayer.

Die Wünsche der beleidigten und bedrohten Kommunalpolitiker sind klar: mehr Hilfe, Unterstützung und Solidarität sowie eine viel konsequentere Strafverfolgung der Täter. Sie fordern das nicht nur im eigenen Interesse. Denn bei Städte- und Gemeindetag mehren sich die Meldungen, dass Bürgermeister und kommunale Räte wegen der Hassattacken ihr Amt aufgeben wollen und es immer schwieriger wird, überhaupt Kandidaten für kommunale Ämter und Mandate zu finden – letztlich ein Menetekel für die Demokratie. (Jürgen Umlauft)

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