Es war gleich der erste Prozess von Ralf Heigl als Schöffe, der den IT-Experten von der Richtigkeit und Wichtigkeit seines Amtes überzeugte. Es ging vor dem Landgericht München II um ein Revisionsverfahren gegen einen etwa 80-jährigen Rentner. Das Landratsamt hatte den Mann verklagt, weil dieser widerrechtlich Büsche auf einem Grundstück umgesägt hatte. Der Schaden: 140 Euro.
„In dieser Verhandlung“, erinnert sich Heigl, „war ein äußerst beseelter Staatsanwalt, der von dem Rentner unbedingt ein psychologisches Gutachten anfertigen lassen wollte. Und auch der Richter schien nicht abgeneigt.“ Dem neuen Schöffen Heigl aber, der sich eigentlich vorgenommen hatte, in seiner ersten Verhandlung eher zurückhaltend aufzutreten, kam die Sache komisch vor. Er stellte Fragen. Und so kam heraus, dass der Rentner für dieses Gutachten mindestens ein halbes Jahr in eine psychiatrische Anstalt hätte eingewiesen werden müssen. „Und das wegen 140 Euro Schaden!“ Der 57-jährige Weilheimer klingt auch vier Jahre später noch empört. Er schaffte es letztendlich, Richter und Staatsanwaltschaft zu überzeugen, das Gutachten wieder zu verwerfen. Die Revision wurde fallengelassen.
Schöffen wie Heigl sind ehrenamtliche Richter in Strafsachen, die für eine Amtsperiode von fünf Jahren gewählt werden. Sie kommen bei den Strafkammern und Jugendkammern der Landgerichte sowie bei den Schöffengerichten beziehungsweise Jugendschöffengerichten der Amtsgerichte zum Einsatz. Heigl, der zudem den Vorsitz des bayerischen Landesverbandes der Schöffinnen und Schöffen übernommen hat, hat jetzt fünf Jahre als Schöffe hinter sich.
Aktuell werden neue Schöffen gesucht – für den Zeitraum von 2019 bis 2023. Bayerns Justizminister Winfried Bausback hat die Bürger des Freistaats aufgerufen, sich als Laienrichter zur Verfügung zu stellen: „Ohne das großartige Engagement von ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern kann bürgernahe und transparente Strafjustiz nicht gelingen.“
Bei zu wenigen Bewerbern ist eine Zwangrekrutierung möglich
Die Beteiligung von juristischen Laien an der Rechtsprechung geht auf das frühe Mittelalter zurück. Diese Tradition findet sich wieder in der bayerischen Verfassung, in der es heißt, dass Männer und Frauen aus dem Volke an der Rechtspflege mitwirken sollen. Derzeit gibt es in Bayern insgesamt 4497 Schöffen, davon sind 2333 Männer und 2164 Frauen. Wie viele Bürger im nächsten Zeitraum als Laienrichter benötigt werden, konnte das Justizministerium nicht beziffern. Der Bedarf dürfte sich aber größenmäßig an der aktuellen Zahl orientieren.
Schöffen leisten nach Bausbacks Worten einen Beitrag zur lebensnahen und verständlichen Rechtsprechung, indem sie ihre eigenen Überzeugungen sowie ihre Berufs- und Lebenserfahrung in die Gerichtsverhandlungen einbringen. Bewerben können sich alle Bayern, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, zwischen 25 und 69 Jahre alt sind und nicht vorbestraft.
Maximal zwölf Mal im Jahr soll ein Schöffe zu Sitzungen herangezogen werden. Der Arbeitgeber muss den Schöffen freistellen, der Schöffe erhält für seinen Einsatz auf der Richterbank eine Aufwandsentschädigung zwischen fünf und 20 Euro.
Was jedoch viele nicht wissen: Finden sich nicht genügend Freiwillige fürs Schöffenamt, werden Bürger zwangsrekrutiert. Eine Ablehnung ist für diese unfreiwilligen Schöffen kaum möglich. Ob sich genügend freiwillige und geeignete Bewerber finden, ist noch unklar. Die Rückmeldungen aus den von der Staatszeitung angefragten Gemeinden und Städten zeigen kein einheitliches Bild. Und die Bewerbungsfristen enden unterschiedlich und teilweise erst im April.
In Regensburg haben sich genügend Bewerber gefunden, auch München und Rosenheim sind auf einem guten Weg. München muss 2243 Schöffen besetzen, bis Anfang der vergangenen Woche hatten sich 2050 Bewerber gemeldet. Für die 51 Schöffen aus Rosenheim haben sich bereits 49 geeignete Bewerber gefunden. Deggendorf meldete 25 Bewerber für 25 Schöffen, die Gemeinde Lohr am Main zehn Bewerber für zehn Schöffen.
Laienrichter sollen sich mit Lebens- und Berufserfahrung einbringen
Anders zeigt sich die Situation in Augsburg. Dort fehlt es noch an rund 300 Bewerbern. In Nürnberg, das 1226 Schöffenstellen besetzen muss, fehlen noch 600 Bewerber. „Wir glauben nicht, dass wir die geforderte Zahl an Bewerbungen aufgrund eigener Anstrengungen erreichen werden“, erklärt Roland Schmittfull vom Nürnberger Amt für Stadtforschung und Statistik. „Zudem haben wir den Eindruck, dass sich weniger Personen bewerben als in der Vergangenheit, obwohl wir von uns aus mehr unternehmen.“
Ralf Heigl ist jedoch zuversichtlich, dass die große Mehrheit der Schöffen mit Freiwilligen besetzt werden kann. Viele Bürger hätten sich beim Verein gemeldet und ihr Interesse bekundet, sagt er. Zudem sei die frühere Beschränkung auf zwei aufeinanderfolgende Amtsperioden im Juni 2017 vom Bundestag aufgehoben worden. „Jetzt können die, die wollen, sich ein drittes Mal bewerben“, sagt er. Heigl findet das gut. „Es handelt sich schließlich um erfahrene Leute“, sagt er.
Bayerns Justizministerium hat auf seiner Internetseite viel unternommen, um den Bürgern das Ehrenamt des Schöffen nahezubringen. Merkblätter, Broschüren und Informationsvideo klären auf, was ein Schöffe für Aufgaben hat. Er steht dem Gesetz nach gleichberechtigt neben dem Berufsrichter und ist im Wesentlichen auch gleichberechtigt an der Urteilsfindung beteiligt. Er hat Akteneinsicht und darf Zeugen befragen. Juristische Vorkenntnisse braucht er nicht. Der Laienrichter soll sich mit seiner Lebens- und Berufserfahrung einbringen. Und mit seinem gesunden Menschenverstand.
Allerdings, das sagt Heigl auch, hat er durchaus die Erfahrung gemacht, dass Berufsrichter die Schöffen nicht ernst nehmen, die ihn nur als „schmückendes Beiwerk“ betrachteten. „In so einem Fall liegt es an einem selbst, aktiv zu werden und dem Richter zu zeigen, dass man sich einbringen will.“
Aber auch wenn er sich über manchen Richter ärgert, insgesamt sieht Heigl das Schöffenamt als ein interessantes, aber auch sehr lehrreiches Amt. „Ich hatte einmal eine Verhandlung, in der Täter und Opfer aus dem Rotlichtmilieu stammten“, sagt er. „Das war spannend“, sagt er und lacht.
(Beatrice Oßberger)
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