Immer weniger junge Menschen wollen den Lehrberuf ergreifen. Dabei kämpfen die Schulen schon jetzt mit massivem Lehrkräftemangel. Bis 2035 werden laut Kultusministerkonferenz deutschlandweit fast 70 000 Lehrkräfte fehlen, viele davon auch in Bayern. Und die jüngste Pisa-Studie zeigt: Auch die Qualität hat gelitten. Die Bildungspolitik muss jetzt massiv gegensteuern.
Das geht schon beim Lehramtsstudium los. Viele Studierende finden es nicht mehr zeitgemäß, wie eine Umfrage unter bayerischen Lehramtsstudierenden und dem Landesstudierendenrat zeigt. Besonders stört die 3000 befragten angehenden Lehrkräfte das Staatsexamen, eine zentrale Prüfung am Ende des sonst sehr modularisierten Lehramtsstudiums. Ein Drittel erwägt allein wegen dieser Prüfung, das Studium abzubrechen und in einem anderen Bundesland fortzusetzen.
In anderen Bundesländern ist der Zugang zum Beruf nämlich weniger exklusiv. Mancherorts reicht sogar ein Bachelorstudium, um an Mittel- oder Berufsschulen zu unterrichten. Nach einer Analyse des Stifterverbands ist die Abbrecherquote beim Lehramtsstudium allerdings deutschlandweit eklatant hoch. Von 52.500 Studienanfänger*innen schlossen nur rund 30.000 ihr Studium erfolgreich ab. Die Zugangsvoraussetzungen zum Beruf sind es also nicht allein. Womöglich braucht es generell eine bessere Begleitung der Lehramtsstudierenden.
Nach dem Studium nicht ins Lehramt
Doch auch wer sein Lehramtsstudium erfolgreich beendet hat, landet nicht unbedingt an einer Schule. Eine neue bundesweite Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe zeigt, dass 20 Prozent der angehenden Lehrkräfte der Schule den Rücken zukehren. Teils, weil sie bessere Angebote am Arbeitsmarkt sehen, teils, weil das bevorstehende Referendariat ihnen nicht attraktiv genug erscheint.
In Bayern dauert die relativ gering bezahlte Vorbereitung auf das Lehramt zwei Jahre. Die Teilnehmer*innen unternehmen an einer Seminarschule erste Unterrichtsversuche, später unterrichten sie an einer Einsatzschule erstmals eigenverantwortlich. An welche Schulen die Referendar*innen kommen, erfahren sie eher kurzfristig. Der Druck ist hoch. In der bereits erwähnten Befragung der bayerischen Studierenden äußerten drei von vier der Befragten große Angst vor dem Referendariat. Mehr als die Hälfte denkt über einen Ausstieg nach.
Und es sieht so aus, als hätte die bayerische Politik den Ernst der Lage verstanden: Im Juli 2023 nahm die von Kultus- und Wissenschaftsministerium initiierte Expertenkommission zur Lehrerbildung ihre Arbeit auf. Darin sitzen Fachleute aus Verbänden und Wissenschaft sowie ein Student. Ziel ist die Reform der Ausbildung, vom Studium bis zur fertigen Lehrkraft. Bis Ende 2024 soll die Kommission konkrete Vorschläge erarbeitet haben.
Mit Bachelor unterrichten?
Bis dahin haben alle Beteiligten Stillschweigen vereinbart. Doch natürlich sind die grundsätzlichen Positionen bekannt. Dass ein Bachelor zum Unterrichten reicht, ist nicht erwünscht. Auch an der zweijährigen Dauer des Referendariats will niemand rütteln. Die zwei Jahre brauche es, um die angehenden Lehrkräfte auf ihren Job vorzubereiten, lautet der Tenor. Bei der „unangemessen niedrigen Besoldung“ müsse man allerdings etwas tun, fordert Pankraz Männlein, der Landesvorsitzende des Verbands der Lehrkräfte an beruflichen Schulen in Bayern (VLB), der ebenso wie Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), auch eine stärkere Verzahnung von Studium und Referendariat möchte.
Den stärksten Dissens dürfte es zwischen BLLV und Bayerischem Philologenverband (BPV) geben: Während der BLLV eine flexible Lehrkräfteausbildung fordert, bei der zunächst alle das gleiche Grundstudium absolvieren und sich erst im Masterstudium auf den jeweiligen Schultyp spezialisieren, will der BPV an der bisherigen Spezialisierung festhalten. Es wird spannend zu beobachten sein, wer sich wie bewegt. „Es ist notwendig, die Lehrerausbildung zu verändern“, bekräftigt BPV-Vorsitzender Michael Schwägerl. „Dafür brauche ich aber Zeit und keine Schnellschüsse.“ Allerdings ist der Druck hoch, dass Ende des Jahres auch wirklich konkrete Ergebnisse präsentiert werden.
Einig sind sich alle darin, dass das Lehramt derzeit auch ein Imageproblem hat. Denn ein sicherer Arbeitsplatz, viele Teilzeitmodelle und ein ordentliches Gehalt könnten ja durchaus Pluspunkte bei der Berufswahl sein. Um das ins Bewusstsein zu rufen, hat das Kultusministerium nun ein Projekt ins Leben gerufen: Bayernweit informieren rund 500 Lehrkräfte an Schulen über den Lehrberuf. Vielleicht lässt sich so tatsächlich Nachwuchs gewinnen. Es bräuchte dann nur eine gute Reform, um diesen bei der Stange zu halten. (Thorsten Stark)
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