Mit dem Krieg in der Ukraine wächst auch der Druck auf Bayerns Schulen. Möglichst schnell soll den Kindern und Jugendlichen, die aus ihrem Heimatland fliehen mussten, der Schulbesuch ermöglicht werden. Doch vieles ist noch gar nicht absehbar. Wie viele Menschen aus der Ukraine kommen überhaupt nach Bayern?
Fest steht bislang: An jeder Schule im Freistaat sollen laut bayerischem Kultusministeriums möglichst rasch besondere pädagogische Angebote für die Geflüchteten entstehen. In einem ersten Schritt sollen dort Willkommensgruppen mit festen Bezugspersonen den Kindern das Ankommen erleichtern. „Wir wollen den vielfach traumatisierten Kindern und Jugendlichen Halt und Stabilität geben und sie keineswegs alleine lassen“, erklärt Kultusminister Michael Piazolo (FW). Das Angebot soll aber freiwillig sein.
Bei den Lehrerverbänden stößt dieses Konzept auf ein gemischtes Echo. „Willkommen ist immer gut“, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). „Umsetzen muss das aber die Schule vor Ort.“ Und hier fehle es an Personal, finanziellen Ressourcen und der Rückendeckung durch die Politik. „Schnelle Hilfe ist wichtig und richtig“, sagt auch Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. „Wichtig ist aber auch, dass wir jetzt keine starren bürokratischen Vorgaben bekommen, sondern an den Schulen entsprechend der Gegebenheiten flexibel reagieren können.“
Pandemie hat Spuren hinterlassen
Einfach wird es nicht. Lehrermangel und zwei Jahre Corona-Pandemie haben im Gesamtsystem ihre Spuren hinterlassen. Schulleiter*innen, Lehrkräfte und Schulpsycholog*innen sind erschöpft. „Viele der Lehrerinnen und Lehrer, die jetzt ukrainischen Kindern helfen wollen, stellen fest, dass ihre Kraft endlich ist“, betont Fleischmann. Anders als in der öffentlichen Wahrnehmung sei auch die Pandemie noch längst nicht vorbei. Die Infektionszahlen steigen, auch immer mehr Lehrer erkranken. Der Krankenstand insgesamt liegt derzeit bei 10 Prozent. „Das ist eine kritische Marke, bei der ich als Schulleiter den Unterricht gerade noch aufrechterhalten kann“, sagt Meidinger.
Bayerns Schulen benötigen Hilfe und vor allem mehr Personal, wenn sie Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine helfen sollen. Davon geht auch das Ministerium aus. Um den Mangel auszugleichen, hat Piazolo einmal mehr die pensionierten Lehrkräfte im Blick. Mit dieser Idee wollte man schon vor zwei Jahren den Lehrkräftemangel bekämpfen. In der jetzigen Situation seien die Chancen auf positive Resonanz aber besser, sagt Meidinger. „An vielen Schulen haben sich schon Pensionisten gemeldet, die helfen wollen.“
Ukrainische Lehrkräfte einbinden
Neben den Pensionist*innen kann sich Piazolo auch vorstellen, ukrainische Lehrkräfte einzubinden. „Die Kinder sollen vorerst in ihrer Muttersprache unterrichtet werden“, sagt auch die Integrationsbeauftragte der Staatsregierung, Gudrun Brendel-Fischer (CSU). „Die Übergangszeit im Ankunftsland darf keine verlorene Zeit sein.“ Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) indes kritisiert die hohen Hürden, die für Lehrkräfte aus dem Ausland gelten. Diese müssten jetzt niedriger angesetzt werden als in Friedenszeiten. Deutsch lernen sollen die Kinder nach dem Willen des Ministeriums aber in jedem Fall. „Spracherwerb ist ein wichtiger Baustein bei der Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen, auch wenn die Bleibeperspektive noch nicht abschätzbar ist“, erklärt ein Sprecher.
Drei Monate nach ihrer Ankunft beginnt für geflüchtete Kinder im Freistaat die Schulpflicht. Sie werden meist in Deutschklassen untergebracht, bevor sie am regulären Unterricht teilnehmen. Für die ukrainischen Kinder sieht Meidinger dieses Konzept skeptisch und plädiert stattdessen für eigene Klassen. Alternativ könnten jeweils zwei oder drei Kinder in Regelklassen integriert werden. Das schlägt auch die GEW vor. Piazolo spricht von mehreren Möglichkeiten, wie die Kinder beschult werden können. Es werde besondere Schulklassen und Unterrichtsgruppen geben, aber auch der Besuch der Regelklassen sei im kommenden Schuljahr nicht ausgeschlossen.
Dass nur mit Pensionist*innen und ausländischen Lehrkräften die Aufgabe gestemmt werden kann, glaubt Fleischmann indes nicht. Sie setzt auch auf die Zivilgesellschaft, auf Studierende, Eltern, Jugendliche. Sie betont: „Wir werden alle, die helfen wollen und können, einbinden müssen.“
(Beatrice Ossberger)
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