Politik

Sollte es durch die Cannabislegalisierung nicht zu weniger Fällen bei Polizei und Justiz kommen? Ganz so einfach ist es nicht. (Foto: dpa/Marcus Brandt)

24.01.2025

Lob von Grünen und Hanflobby

Entlastet die Cannabislegalisierung Polizei und Justiz oder führt sie gar zu mehr Arbeit? Eine Bestandsaufnahme

Mit der Cannabislegalisierung der Ampel-Regierung waren zwei große Ziele verbunden: Einerseits sollte der Schwarzmarkt ausgetrocknet, andererseits Polizei und Justiz entlastet werden. „Sie können dann noch stärker relevanter Kriminalität nachgehen“, betonte der damalige Justizminister Marco Buschmann (FDP). Neun Monate später sind aus Sicht von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt beide Vorhaben gescheitert. „Was ist durch dieses Gesetz eigentlich besser geworden? Ich erkenne da nichts“, kritisierte er. Bei einem Wahlsieg will die selbsterklärte Antiverbotspartei Cannabis wieder verbieten. Ist wirklich nichts besser geworden?

So ist es, sagt der Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Jürgen Köhnlein, der Staatszeitung. Noch gebe es zwar keine belastbaren Zahlen, aber in der Praxis entstehe durch das Cannabisgesetz (CanG) viel Zusatzarbeit – etwa durch die aufwendigen Urinkontrollen potenziell bekiffter Autofahrerinnen und Autofahrer. Unklar sei etwa auch, ob sichergestellte Cannabispflanzen gegossen werden müssten. „Das Gesetz wieder rückabzuwickeln wäre sicher sinnvoll. So ist es nur ein Bürokratiemonster für eine Vielzahl von öffentlichen Stellen.“

Das sieht das bayerische Innenministerium natürlich ebenso. „Von einer Entlastung kann keine Rede sein“, klagt ein Ministeriumssprecher. Durch das CanG sei es sogar schwieriger geworden, Verstöße nachzuweisen. „Daher sind jetzt aufwendige verdeckte polizeiliche Maßnahmen wie Observationen nötig.“

Klagen kommen auch aus der Justiz. Sven Rebehn, der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds (DRB), spricht ebenfalls von einem „Bürokratiemonster“: „Eine Entlastung der Strafjustiz durch die Teilfreigabe von Cannabis ist bislang nicht in Sicht.“ Das Gesetz sehe Dutzende neue Ordnungswidrigkeiten vor, die nach Einsprüchen wieder bei der Justiz landen. „Und die weitreichenden Amnestievorgaben für Altfälle binden viel Personal, das für andere Aufgaben schmerzlich fehlt.“

Die Bundesregierung mauert einfach und sagt: nix

Laut Rebehn ist auch die Strafverfolgung schwerer Drogendelikte durch das CanG erschwert. Tatsächlich wurden Ermittlungsbefugnisse im Vergleich zur alten Rechtslage enger gefasst. „Dadurch kann selbst der Handel mit Hunderten Kilos Cannabisprodukten unter Umständen nicht mehr bestraft werden“, kritisiert er. Obwohl davon ausgerechnet Drogendealer profitieren könnten, ist er nicht grundsätzlich für eine Abschaffung des Gesetzes. „Eine neue Bundesregierung wäre aber gut beraten, das Cannabisgesetz zumindest so zu überarbeiten, dass es vernünftig anwendbar ist und keine Schlupflöcher für organisierte Kriminelle lässt.“

Die drogenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Kirsten Kappert-Gonther, ist erwartungsgemäß vom aktuellen CanG überzeugt. Polizei und Justiz würden durchaus entlastet, sagt sie der BSZ. So sei beispielsweise die Zahl der registrierten Straftaten im Zusammenhang mit Cannabis in Berlin deutlich zurückgegangen. Dass der Schwarzmarkt nicht ausgetrocknet sei, liege auch an der CSU. „Wenn die Landesregierung aktiv Cannabisclubs an der Gründung hindert, treibt sie Menschen auf den Schwarzmarkt.“ Ihr Fazit: „Keines der Schreckensszenarien von CDU und CSU ist eingetreten.“

Dass es durch die Legalisierung zu mehr Bandenkriegen in Bayern kommt, wie es im Wahlprogramm von CDU und CSU heißt, kann der DPolG-Landesvorsitzende Köhnlein nicht bestätigen. Der DPolG-Bundesvorsitzende Rainer Wendt verweist zwar auf schwere Gewaltdelikte im Kölner Raum durch die niederländische „Mocro-Mafia“. Das Bundeskriminalamt, das dem SPD-Innenministerium untergeordnet ist, schreibt jedoch auf Anfrage: „Ein Zusammenhang der Aktivitäten niederländischer Banden und der Legalisierung von Cannabis in Deutschland ist bis dato nicht feststellbar.“ Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) musste auf Nachfrage einräumen, dass empirische Belege für seine These einer Ausweitung illegaler Geschäfte bislang fehlen.

Der Deutsche Hanfverband ist natürlich ein Verfechter des CanG. Geschäftsführer Georg Wurth räumt zwar ein, dass es aktuell zu einer Mehrbelastung bei der Justiz kommt. „Spätestens nach Abarbeitung der Altfälle ist aber unter dem Strich mit einer deutlichen Entlastung zu rechnen.“ Bei der Polizei werde viel über das CanG gejammert. „Allerdings ist die Polizei für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten gar nicht zuständig.“ In den meisten Bundesländern sei inzwischen offiziell festgelegt, dass etwa die Überwachung der Abstandsregeln und der Anbauvereine nicht zu ihren Aufgaben gehört. Und Verkehrskontrollen habe es schon immer gegeben.

Außerdem hängt es aus Wurths Sicht auch immer davon ab, wie viel Arbeit sich ein Bundesland machen möchte. So gab es in Bayern zum Beispiel schon über tausend Bußgeldverfahren, während es in Sachsen-Anhalt bei insgesamt 23 Verfahren noch gar keinen Bußgeldbescheid gab. „Die Bayerische Polizei wird auch weiterhin alles daran setzen, um einen unzulässigen Umgang mit Cannabis, auch in Kleinmengen, konsequent zur Anzeige zu bringen“, heißt es aus dem bayerischen Innenministerium.

Allerdings sieht Wurth ebenso Reformbedarf am CanG – auch um die Arbeitsbelastung von Polizei und Justiz weiter zu senken. Dazu gehört vor allem das Schließen von Interpretationslücken, um die sich die Justiz derzeit kümmern muss. Zum Beispiel, ab wann ein wurzelloser Pflanzenableger zur Vermehrung als eigenständige Cannabispflanze gilt.

Wer bei der Bundesregierung nachfragt, ob sich die Arbeitsbelastung von Polizei und Justiz wie angekündigt reduziert hat, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Das Bundesinnenministerium verweist auf das Bundesgesundheitsministerium, das wiederum aufs Verkehrsministerium, das aufs Justizministerium. Dort heißt es lediglich, dass diese Frage unabhängig wissenschaftlich evaluiert werden soll. Ein erster Zwischenbericht wird für den 1. April 2026 erwartet, der Abschlussbericht zwei Jahre später. Gut möglich, dass es das Gesetz bis dahin gar nicht mehr gibt. (David Lohmann)

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