Politik

Windräder stehen im Sonnenuntergang unter aufziehenden Wolken. Die Bürgerinnen und Bürger in Mehring im Landkreis Altötting haben am Sonntag in einem Ratsentscheid und Bürgerentscheid mit großer Mehrheit und bei einer hohen Wahlbeteiligung von 75 Prozent Windräder auf ihrem Gemeindegebiet abgelehnt. (Foto: dpa/Hildenbrand)

29.01.2024

Mehringer lehnen Windräder ab – Folgen für Bayerns größten Windpark?

Sonne und Wind sollen helfen, die Energieprobleme der Zukunft zu lösen. Doch nicht zuletzt Stromtrassen und Windräder sind bei den Anwohnern oft unbeliebt. Das betrifft auch Pläne zu Bayerns größtem Windpark

Es ist ein ehrgeiziges Projekt, fast eine halbe Milliarde Euro schwer. An die 40 Windräder im Altöttinger Staatsforst mit einer Gesamtleistung von 288 Megawatt könnten in Zukunft rechnerisch rund 150.000 Haushalte mit sauberem Windstrom versorgen. Es wäre Bayerns größter Windpark. Er soll auch dem bayerischen Chemiedreieck mit Tausenden Arbeitsplätzen zusätzliche Energie liefern. Etwa zehn Prozent des hier benötigten Stroms, so heißt es, könnten mit dem Wind produziert werden.

Widerstand in der Region

Doch jetzt ist klar: Ein Teil der Anwohner geht hier nicht mit. Die Bürgerinnen und Bürger in Mehring im Landkreis Altötting haben am Sonntag in einem Ratsentscheid und Bürgerentscheid mit großer Mehrheit und bei einer hohen Wahlbeteiligung von 75 Prozent Windräder auf ihrem Gemeindegebiet abgelehnt. Dort sollten nach bisherigen Plänen zehn der rund 40 Windanlagen stehen. Das Ergebnis könnte deutliche Auswirkungen auf das Gesamtprojekt haben.

"Schade, dass die Mehrheit dagegen war", sagte Bürgermeister Robert Buchner (Freie Wähler) am Abend. "Sollte es zum Genehmigungsverfahren kommen, müssen wir unsere Zustimmung verweigern, weil der Bürgerwille bindend ist."

Die Initiative "Gegenwind Altötting", die das Bürgerbegehren initiiert hatte, begrüßte das Ergebnis. "Das zeigt, dass sich die Menschen für ihren Wald, für ihre Umwelt und für ihre Heimat einsetzen", sagte Rainer Harböck von "Gegenwind". "Jetzt können wir mit Zuversicht die nächsten Schritte gehen."

Geplant seien weitere Bürgerbegehren in Nachbargemeinden, unter anderem in Marktl am 9. Juni zur Europawahl. Zwei von neun betroffenen Kommunen - Emmerting und Kastl - hatten dem Projekt schon zuvor nicht zugestimmt. Auf ihrem Gebiet wird bisher keine Windkraft geplant.

Wirtschaftsminister mahnte Bürger

"Wir haben hier in der Region rund um das Chemiedreieck einen sehr hohen Strombedarf. Je mehr Strom lokal erzeugt werden kann, desto besser ist es", hatte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zuvor gemahnt - und seine Hoffnung auf breite Zustimmung ausgedrückt.

Pro Jahr würden voraussichtlich rund 1,1 Millionen Euro in die Kassen der Gemeinden fließen. "Hinzu kommen wichtige Impulse für die lokalen Handwerker, Unternehmen und Gastronomie, wenn für den Windpark hier rund eine halbe Milliarde Euro investiert wird."

"Ich bin nach wie vor dafür, Windräder in der Region zu errichten, um erneuerbare Energie für den Chemiepark und die Bürger zu erzeugen", sagte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) am Montag nach dem Entscheid.  "Die Entscheidung der Bürger von Mehring zeigt, dass sie mehrheitlich von der bisherigen Planung nicht überzeugt sind. Es gilt jetzt zu prüfen, wie das Windenergie-Projekt weitergeführt wird", sagte Aiwanger.

Auch Mehrings Bürgermeister Buchner und die meisten Gemeinderäte hatten das Projekt befürwortet und deshalb das Ratsbegehren auf den Weg gebracht. Der Windpark sei wichtig zur Sicherung der Arbeitsplätze und zum Erhalt des Wirtschaftsstandorts, sagte Buchner.

Wie stark ist der Wind?

Die Initiative "Gegenwind Altötting" argumentiert hingegen, die Gegend sei für Windkraft nicht geeignet. "Wir sind ein ausgewiesenes Schwachwindgebiet", sagte Harböck. In dem Gebiet gebe es im Schnitt Windstärken von rund 4,5 Metern pro Sekunde, für einen sinnvollen Betrieb seien 12 bis 13 Meter pro Sekunde nötig. Zudem müssten große Teile des Waldes gerodet werden, der als Bannwald fungiere, die Anwohner vor Emissionen und Lärm der Chemiebranche schütze und die Luft reinige.

Das mit dem Projekt betraute deutsch-französische Unternehmen Qair legt andere Zahlen vor. In der geplanten Nabenhöhe von rund 200 Metern liege die Windstärke bei 5,6 bis 6,1 Metern pro Sekunde, sagte Geschäftsführerin Heike von der Heyden. "

Wir planen mit einer neuen Generation von Anlagen." Sie liefen bei Wind von 3 Metern pro Sekunde bis 25 Metern pro Sekunde. "Wir haben genügend Wind, um mit 2000 Volllaststunden 550 Millionen Kilowattstunden im Jahr zu erzeugen."

Pro Windrad rechnet Qair mit gut einem Hektar Wald, der für den Bau gerodet werden muss. Dauerhaft müsse pro Anlage etwa ein dreiviertel Hektar waldfrei bleiben, sagt von der Heyden. Für die gerodete Fläche müsse an anderer Stelle Wald neu gepflanzt werden.

Naturschützer pro Windräder

Der Bund Naturschutz in Bayern (BN) sieht das Windprojekt in Altötting positiv. Zwar seien Waldgebiete weniger geeignet als offenes Land. Aber: "Um die Klimakrise abzumildern, brauchen wir eine echte Energiewende, die in Bayern leider jahrelang systematisch verhindert wurde", sagt der Landesvorsitzende Richard Mergner mit Blick auf die 10H-Abstandsregel.

Erst die Lockerung dieser Regel, nach der Windräder das Zehnfache ihrer Höhe von Siedlungen entfernt sein mussten, hatte neue Projekte möglich gemacht, die das Staatsunternehmen Bayerische Staatsforsten nun in mehreren Waldgebieten im Freistaat vorantreibt. Nicht zuletzt zwingt das "Wind-an-Land-Gesetz" den bei Windkraft abgeschlagenen Freistaat, Flächen für Windräder zur Verfügung zu stellen - bis 2030 sollen es 1,8 Prozent der Landesfläche sein. Auch der Landkreis Altötting müsse seinen Beitrag leisten, heißt es beim Wirtschaftsministerium.

Sportlicher Zeitplan

Die Staatsforsten sehen von rund 7200 Hektar Fläche des Altöttinger und Burghausener Forstes 1150 Hektar als potenzielle Projektflächen - auch wenn der Flächenbedarf für ein Windrad unter einem Hektar liegt. "Wir verfügen über ein gutes Netz an Lkw-fahrbaren Waldwegen", sagte ein Sprecher weiter. Das werde bei der Standortwahl berücksichtigt, um eine möglichst waldschonende Bauweise sicherzustellen.

Derzeit laufen Windmessungen, das Gebiet wird kartiert, wie Qair-Geschäftsführerin von der Heyden sagte. Das Unternehmen plant bisher die Inbetriebnahme 2027 - "ein sportlicher Zeitplan".

Die Staatsforsten teilten am Montag mit, das Ergebnis des Bürgerentscheids werde respektiert. "Die Bayerischen Staatsforsten und der Projektentwickler Qair Deutschland sind sich einig, dass das Gesamtprojekt Ausbau der Windenergie im Burghauser und Altöttinger Forst weiterverfolgt werden soll." (Sabine Dobel, dpa)

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