Nach der Landtagswahl löste Fabian Mehring (Freie Wähler) Judith Gerlach (CSU) im Digitalministerium ab. Obwohl sein Haus den kleinsten Etat hat, sei es eines der wichtigsten, meint er im BSZ-Interview. Woran es bei der Digitalisierung im Freistaat hapert, was er in Zukunft anders machen will und wie ältere Menschen bei der Entwicklung nicht abgehängt werden.
BSZ: Herr Mehring, Sie nennen die Digitalisierung die „Masteraufgabe unserer Zeit“. Ihr Ressort ist aber personaltechnisch das kleinste der Staatsregierung. Schmerzt Sie das?
Fabian Mehring: Für mich ist nicht entscheidend, wie viele Beamte in einem Ministerium sitzen oder wie viel Steuergeld dort ausgegeben wird. Letztlich geht es darum, wie bedeutsam das Thema ist, das von meinem Haus bearbeitet wird. Mir fällt kein Politikfeld ein, in dem Digitalisierung keine Rolle spielt. Insofern sind wir vom Impact her eines der wichtigsten Häuser. Das wird auch im neuen Koalitionsvertrag deutlich.
BSZ: Aber Ihr Etat beträgt nur etwas mehr als 100 Millionen Euro. Was können Sie als neuer Digitalminister da überhaupt konkret erreichen?
Mehring: Ich habe nicht vor, mich damit aufzuhalten, mit anderen Ressorts um Gelder oder Kompetenzen zu feilschen. Ich will die Digitalisierung in allen Lebensbereichen voranbringen. Dabei wird mein Ministerium eine ressortübergreifende Koordinationsfunktion einnehmen und auf sämtlichen Politikfeldern als Antreiber für die digitale Transformation wirken. Insgesamt stehen im bayerischen Haushalt 2,2 Milliarden Euro für die Digitalisierung zur Verfügung – das kann sich im Vergleich zu anderen Ländern sehen lassen. Wir haben außerdem mit unserem Koalitionspartner vereinbart, dass künftig alle Gesetze im Freistaat vor der Verabschiedung den Digitalcheck unseres Hauses durchlaufen müssen.
BSZ: Die wirklich wichtigen Themen wie Breitband- und Mobilfunkausbau oder Quantencomputer haben in der Vergangenheit aber immer die anderen Ressorts an sich gezogen. Wie wollen Sie das künftig verhindern?
Mehring: Aus meiner Sicht können sich gar nicht genug Ministerien im Freistaat um derlei Zukunftsthemen kümmern. Die Staatsregierung ist seit der Wahl insgesamt neu aufgestellt und unser Ministerium steht stärker da denn je. Das kommt auch in einer Organisationsreform zum Ausdruck, die ich zum Jahreswechsel vollziehen werde. Damit wird unser Haus endgültig erwachsen, bekommt eine neue Abteilung und agiert dann quasi als ein „Digitalministerium 2.0“. Hinzu kommt, dass wir als Querschnittsministerium durch gemeinsame Projekte in alle anderen Ministerien hinein die besten Drähte haben, insbesondere natürlich Richtung Wirtschaft sowie in die Ressorts Bildung und Umwelt. Aber auch alle anderen Häuser ziehen kräftig mit uns an einem Strang, und Ministerpräsident Söder gibt mir viel Rückenwind.
BSZ: Bei der Mobilfunkabdeckung, für die Hubert Aiwanger verantwortlich ist, oder bei der Schulsoftware Mebis war Bayern in der Vergangenheit nicht die Nummer eins. Ex-Kultusminister Michael Piazolo riet Schulen sogar zeitweise von der Nutzung ab.
Mehring: Natürlich geht auch mir als jungem Politiker vieles zu langsam. Netz- und Internetempfang sollten im Jahr 2023 zur Grundversorgung gehören – das muss so selbstverständlich werden wie der Wasser- oder Stromanschluss. Selbstverständlich müssen hierfür zuvorderst die jeweils zuständigen Ministerien sorgen. Aber wir bringen uns dabei auch aktiv ein: Wir haben gemeinsam mit der Staatskanzlei, dem Wirtschaftsministerium, dem Bau-, Finanz-, und Innenministerium sowie den Mobilfunkbetreibern und Kommunen einen Pakt zum Ausbau der digitalen Infrastruktur geschlossen, der bereits jetzt die Versorgung entscheidend voranbringt. Zum Beispiel haben wir gemeinsam die Bauordnung geändert, um mehr Mobilfunkmasten schneller in die Fläche zu bringen. Allerdings würde ich mir mehr Unterstützung vom Bund wünschen.
BSZ: Sie sagten kürzlich im Interview, Ex-Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) gelang es nicht, andere Ministerien von ihren Ideen zu überzeugen. Was unterscheidet Sie noch von Ihrer Vorgängerin?
Mehring: Judith Gerlach hat einen exzellenten Job gemacht. Sie hat aus einem Polit-Start-up mit 18 Leuten ein voll funktionstüchtiges Ministerium mit knapp 200 Digitalexpertinnen und -experten erschaffen, das in der Branche einen exzellenten Ruf hat und aus Bayern nicht mehr wegzudenken ist. Bei der Verwaltungsdigitalisierung ist Bayern die Nummer eins in Deutschland. Auf dieser erfolgreichen Pionierarbeit baue ich nun auf. Dabei wird mir meine bisherige Rolle als Parlamentarischer Geschäftsführer helfen, in der ich die Politik unserer Bayernkoalition im Landtag mit allen Ministerien zu koordinieren hatte. Dabei ist ein großes Netzwerk in alle Ressorts und ein belastbares Vertrauensverhältnis zu meinen heutigen Ministerkollegen entstanden, wovon ich in meiner neuen Rolle massiv profitiere.
"Bürokratische Vorgänge nicht einfach ins Internet übertragen"
BSZ: Finanzminister Albert Füracker (CSU) beklagte kürzlich, dass die Digitalisierung oft mehr Arbeit verursacht, als sie eigentlich einsparen soll. Stimmen Sie ihm zu?
Mehring: Albert Füracker ist ja selbst seit Jahren ein engagierter Antreiber für die Digitalisierung im Freistaat. Was er meint, ist sicher, dass man bürokratische Vorgänge nicht einfach ins Internet übertragen darf. Es genügt nicht, denselben Antrag wie vorher online auszufüllen und dann auszudrucken. Stattdessen müssen wir den Mut finden, den ganzen Prozess neu zu denken und dabei verzichtbare Bürokratie ersatzlos über Bord zu werfen. Das ist für eine moderne Verwaltung und auch demokratietheoretisch zwingend notwendig. Wenn die Menschen beim Staat nur an staubige Ordner denken, brauchen wir uns nicht wundern, wenn sie den Eindruck haben, die Verwaltung hinkt auf dem Weg in die Zukunft hinterher. Digitalisierung birgt die Chance, die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Hand unter Beweis zu stellen – der Staat muss in den Augen der Menschen wieder modern und cool sein!
BSZ: Viele ältere Menschen haben kein Smartphone. Manche ÖPNV-Tickets lassen sich aber schon jetzt nur noch digital lösen. Was tun Sie, damit diese Generation nicht abgehängt wird?
Mehring: Es ist entscheidend, die Menschen mitzunehmen – nur dann sind wir erfolgreich. Daher müssen wir alle Menschen im Freistaat für die digitale Zukunft fit machen. Dazu arbeitet unser Haus beispielsweise in der Initiative „Digital Vereint“ für das Ehrenamt mit Trachtenverband, Landessportverband und Feuerwehrverband zusammen. Mit dem Programm „Zusammen Digital“ richten wir 30 Beratungstheken für digitale Einsteiger in ganz Bayern ein. Mir liegt es am Herzen, die Menschen aktiv für das Digitale zu begeistern, damit Digitalisierung als etwas Positives wahrgenommen wird.
BSZ: Die US-Firma Palantir gehört dem umstrittenen Trump-Unterstützer Peter Thiel. Die bayerische Polizei nutzt trotz Datenschutzbedenken seine Software. Warum nennen Sie die Sorgen des Bundesverfassungsgerichts und von Fachleuten „Zukunftsverweigerung“?
Mehring: Dank unserer Hightech-Agenda ist Bayern bei Zukunftsthemen wie künstlicher Intelligenz bestens aufgestellt. Umso ärgerlicher ist es, dass wir immer wieder durch Überregulierung und Bürokratie von Bund oder Europäischer Union ausgebremst werden. Wenn wir ernsthaft schon daran zweifeln, KI innerhalb unseren eigenen staatlichen Behörden und auf Basis einer klaren Rechtslage auszuprobieren, nehmen wir am globalen Rennen Richtung Zukunft nicht teil. Natürlich müssen wir die Risiken von KI im Blick haben. Wir sollten uns aber schon auch trauen, die gewaltigen Chancen zu nutzen.
BSZ: Sie sind Politologe. Was qualifiziert Sie als Digitalminister?
Mehring: Mittdreißiger aus einem 800-Seelen-Dorf bin ich Digital Native und Dorfbub zugleich. Das heißt, ich verstehe die Chancen der Digitalisierung, aber auch die Denkweise der Menschen in Bayern, die sich nicht täglich mit Quantencomputern befassen. Deshalb glaube ich, ein positiver Botschafter für das digitale Zeitalter sein zu können, der die Menschen auf dem Weg in die digitale Zukunft mitnimmt. (Interview: David Lohmann)
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