Politik

Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) bei ihrer ersten Regierungserklärung im Landtag. (Foto: dpa/Sven Hoppe)

24.03.2023

Mit Giga-Vorsätzen ins Jahr 2030

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach (CSU) hat große Pläne, aber wenig Geld und Kompetenzen

Der Bayerische Landtag erlebt mal wieder eine Premiere. Zum ersten Mal hält eine Digitalministerin eine Regierungserklärung. Viereinhalb Jahre ist Judith Gerlach (CSU) im Amt, so alt ist auch ihr Ministerium. Ihre selbst gezogene Bilanz fällt ziemlich gut aus: Bayern sei bundesweit die Nummer eins bei der Verwaltungsmodernisierung, verfüge über das erste Digitalgesetz und die erste Digitalagentur und sei Top-Standort für Digitalunternehmen. „Wir in Bayern sind keine Follower, wir sind Leader“, frohlockt Gerlach.

Damit das so bleibt, hat sie einen ins Jahr 2030 weisenden Digitalplan für Bayern erarbeitet, der mehr als 200 Einzelpunkte umfasst. Glasfaseranschluss für weitere 3,1 Millionen Haushalte, 2000 neue Mobilfunkstandorte und vor allem mehr Digitalisierung im Alltag. Weil Gerlach um die Vorbehalte bei Online-Angeboten in jenen Altersgruppen weiß, die nicht mit Tablet und Smartphone aufgewachsen sind, will sie die digitale Bildung breiter aufstellen und verstärken. Zudem soll es mehr Transparenz, eine „neue Datenkultur“ und eine moderne Datennutzung als Mehrwert für Bürger*innen und Unternehmen geben. Ein „Kompetenzzentrum für Datenschutz“ will Gerlach zudem einrichten und Klima- und Katastrophenschutz durch künstliche Intelligenz verbessern.

Schöne Digitalpläne schreiben

Die Stichpunkte für ihre Rede hat Gerlach nicht auf Papier notiert, sondern auf einem Tablet abgespeichert. Ihre Kabinettskolleg*innen treten im Regelfall mit gedruckten Manuskripten ans Pult. Diese Tatsache ist eine gute Metapher für Gerlachs Hauptproblem: Sie kann schöne Digitalpläne schreiben, die Umsetzung aber liegt bei den nicht immer ganz so digitalaffinen Fachressorts. Die regionalen Ämter für Digitalisierung und der Breitbandausbau fallen in die Zuständigkeit des Finanzministers, der digitale Auftritt der inneren Verwaltung und der Kommunen ist Sache des Innenministers, den Mobilfunkausbau fördert der Wirtschaftsminister und um die Digitalisierung an Schulen müht sich der Kultusminister. Die Reihe ließe sich fortsetzen.

Die bescheidenen Kompetenzen Gerlachs sind Folge der Aufgabenbeschreibung, die Regierungschef Markus Söder (CSU) dem neuen Ministerium 2018 auf den Weg gab: Das Haus sollte ein Thinktank sein, also eine Denkfabrik. Laut Stellenplan hat Gerlach dafür 158 Mitarbeitende, aber für 2023 nur ein Budget in Höhe von 113,5 Millionen Euro. Das sind ziemlich genau 0,16 Prozent des bayerischen Gesamthaushalts. Große digitale Sprünge lassen sich damit nicht bewerkstelligen. Immerhin betont Gerlach tapfer, dass die Ideen ihres Hauses mehr und mehr in die Digitalpläne der anderen Ministerien einsickern, auf die weitere rund 400 Millionen Euro verteilt seien.

Maue Bilanz

Die Bilanz der Opposition fällt trotzdem recht mau aus. Der Ministerin wird ihr Bemühen nicht abgesprochen, doch sie erntet eher Mitleid, weil sie vom Rest der Regierung so knapp gehalten wird. Die Kritik richtet sich also an den Chef. Söder habe ein wohlklingendes Ministerium ohne Substanz, Mittel und Kompetenz geschaffen, heißt es bei den Grünen. „Wir brauchen eine echte Digitalstrategie, keine Ansammlung von Hunderten Projekten“, fordert Fraktionschefin Katharina Schulze. Digitalsprecher Benjamin Adjei ergänzt: „Die Söder-Regierung macht um das Thema Digitalisierung zwar ein großes Getöse, aber hinten kommt zu wenig heraus.“ Sein Fazit: viel Stückwerk, wenig Strategie.

Volkmar Halbleib (SPD) nennt Gerlach eine „Ministerin ohne Land“. Mit ihren 200 Maßnahmen betreibe sie eine „Schrotkugelpolitik“ nach dem Motto, irgendein Treffer werde schon dabei sein. Dabei brauche es gerade für die Schulen und die digitale Weiterbildung von Arbeitskräften gezielte Maßnahmen statt blumiger Versprechen. Helmut Kaltenhauser (FDP) tut Gerlachs Plan als „Ansammlung von Schlagwörtern und Beschwörungen für die Zukunft“ ab, Gerd Mannes (AfD) sieht in der bayerischen Digitalpolitik eine „Großbaustelle“. Und anders als die der „Bayern vorn“-Rhetorik verpflichteten CSUler äußert sich auch Gerald Pittner vom Koalitionspartner Freie Wähler nur gedämpft euphorisch: „Wir haben in Bayern noch Luft nach oben, aber der Digitalplan ist der richtige Weg dorthin.“
(Jürgen Umlauft)

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