Politik

Hat den Grünen den Rücken gekehrt: Claudia Stamm. (Foto: dpa)

30.01.2018

Mit Mut und grenzenlosen Optimismus

Claudia Stamm hat ehrgeizige Pläne: Sie will mit ihrer Partei im Herbst in den Landtag einziehen. Und tourt dafür gerade durch die Oberpfalz

Claudia Stamm ist angetreten die Quadratur des Kreises zu vollbringen. Sie will mit Ehrlichkeit Politik machen. Dazu tourt sie gerade durch die Oberpfalz und stellt ihre neue Partei mut vor. Das muss man sich so vorstellen: Am Nachmittag steht die Ex-Grünen-Politikerin klassisch an einem Infostand in der Innenstadt und steht Bürgern Rede und Antwort. In Weiden, Arzberg, Straubing oder wie gestern in Regensburg. Am Abend trifft sie sich mit geneigten Bürgern zum Stammtisch in einem Wirtshaus, diskutiert, sammelt Anregungen und erklärt die Partei.  Kommen kann jeder, der er es „satt hat von Politikern nur Phrasen zu hören“. Von Politikern, die sich nicht an die eigenen Beschlusslagen halten und deren Parteien in Berlin anders entscheiden als in Stuttgart oder München, sagt sie. Diese ganze „political correctness“ mache einen wütend, hört man am Stammtisch. Solche Töne kennt man freilich auch aus anderen „neuen“ Parteien. Parteien vom rechten oder linken Rand wie die AFD und die Linke oder Parteien, die schlicht in Bedeutungslosigkeit verschwinden wie die Piraten.

Noch ein Sammelbecken für Frustrierte?

Jetzt also noch ein Sammelbecken für frustrierte Piraten, SPD-ler, CDU und CSU-ler oder Grüne? Oder ist mut doch mehr? „Es gibt eine gewisse Wut“, sagt Stamm, „ja, aber nicht als Haltung.“ Die sei geprägt von Mut, meint sie. Die meisten, die sich bei mut engagieren haben bereits Karrieren in anderen Parteien hinter sich. Wie Claudia Stamm. Ein Teil ihrer Führungsriege sind ehemalige Piraten wie Pressesprecherin Marion Ellen oder Vorstandsmitglied Nicole Britz. Stamm und der Münchner Soziologie Professor, Stephan Lessenich, führen die Partei als Doppelspitze. Das kennt man von den Grünen. Viele an diesem Abend kommen aus dem ehrenamtlichen Engagement für Flüchtlinge. Sie sind gekommen, weil Claudia Stamm verspricht, die „Flüchtlingspolitik wieder menschlich zu machen“. Und sie nicht, wie sie sagt: „Aus Angst vor dem rechten Rand, eine Position nach der anderen räumt“. Wir wollen nicht, dass der junge geflüchtete Mann ständig gegen die alte deutsche Oma ausgespielt wird. Wie es seit einer Weile schon geschieht, auch in der angeblich großen Volkspartei in Bayern“.

Fünf zentrale Punkte

Fünf Punkte stehen für „die DNA der Partei“. Man will Demokratie wieder lebendig machen, nicht zerstören. Das politische System ehrlicher machen, nicht abschaffen. Vielfalt, statt Abgrenzung. Für einander einstehen. Man will „eine lebendige Demokratie“ mit einem funktionierenden Gemeinwesen. Das ergebe sich nicht zwangsläufig aus dem wirtschaftlichen und sozialen Wettbewerb, heißt es. Vor diesem Hintergrund hat mut zwei weitere zentrale Werte formuliert: „die Achtung der Menschenwürde“ und „Mut zu gesellschaftlicher Vielfalt“. „Menschen und Bürgerrechte seien unteilbar, sie müssten für alle gelten. Genauso wie der Minderheitenschutz und die Gleichstellung unterschiedlicher sexueller Orientierungen.“ Und freilich soll es auch um „ökologische Nachhaltigkeit“ gehen und um „soziale Gerechtigkeit“. Für jeden einzelnen Punkt sieht Stamm gerade in Bayern erheblichen Bedarf. Seit 2009 sitz Claudia Stamm im bayerischen Landtag. Bis März 2017 als Abgeordnete für das Bündnis90/die Grünen. Sie ist die Tochter von Barbara Stamm, der bayerischen Landtagspräsidentin, die seit 40 Jahren für die CSU im Landtag sitzt. Claudia Stamm ist also kein politischer Neuling. Kein Polit-Träumer. Oder doch? Ganz und gar nicht sagt sie im Gespräch mit der BSZ. Was diese neue Partei von allen anderen Parteien unterscheide, sei ihre Kompromisslosigkeit. „Unsere fünf Positionen werden für keinen politischen Kompromiss geopfert“, sagt Stamm. „Sie sind unverhandelbar.“

Stamm wirft den Grünen vor, sich von Grundwerten verabschiedet zu haben

Man kennt Claudia Stamm als engagiert, streitbar und eine, die gerne darüber spricht, dass etwas „nicht verhandelbar“ ist. Es ist mehr als bloßer Protest, mehr als die Wut auf Dinge, von denen sie glaubt, dass sie seit Jahrzehnten in die falsche Richtung laufen. Ihr „nicht verhandelbar“ bezieht sich auf unveräußerliche Werte wie Menschlichkeit, Demokratie, Aufrichtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Alles Begriffe, die auch andere Parteien, gerne im Mund führen. Aber, glaubt man Claudia Stamm, nicht wirklich meinen. Die Ex-Grünen-Politikerin will anders sein. Es reichte ihr nicht weiter nur der Stachel im Fleisch einer Partei zu sein, die sich längst von ihren Grundwerten verabschiedet habe. Drei Monate nach ihrem Abgang bei den Grünen gründet sie gemeinsam mit vier weiteren Mitstreitern die Partei mut. Mag sein, dass sie Anfangs auf eine Art Macron-Effekt gesetzt hat. Möglichst schnell, möglichst viele Anhänger, in einer politischen Bewegung jenseits des Rechts-Links-Schemas einen zu wollen, um damit an den Grundfesten der Konsensrepublik rütteln. Nein, nein“, sagt sie. „La republique en marche und Marcron sind in einem ganz anderen System groß geworden. Deutschland sei ein Parteienstaat und deshalb sei mut jetzt eben auch eine Partei.“ Auch wenn sie zugibt, dass man sich zu Beginn nicht ganz im Klaren war: Bleibt es bei einer Bewegung und wird es eine neue Partei. Das ehrgeizige Ziel: Mit mut will Stamm bei der nächsten Wahl in den bayerischen Landtag einziehen. Etwas mehr als 160 Mitglieder engagieren sich derzeit in der Partei. Überwiegend politisch Heimatlose. Menschen, die unbedingt wählen, politisch denken und handeln wollen, aber sich keiner Partei zu Hause fühlen. Wohl aber in „radikal neu gedachten Konzepten“, wie sie sagt. Kindergrundsicherung, kommunalisiertes Gesundheitswesen, eine neue Steuerpolitik und natürlich die Flüchtlingspolitik. „Eine Politik, die Fluchtursachen bekämpft und den Menschen, die bei uns in Deutschland ankommen Perspektiven bietet“, fordert sie.

Statt dem Ortsverband gibt es ein Themenforum

Auch von bayerischer Agrarwirtschaft und Massentierhaltung ist die Rede und von schlauen Bauern, die eine Nacht lang bei Weißbier aushecken, wie sie die neue Gülleverordnung umgehen können. Was bleibt ist ein Bild von Politik, dass eigentlich wenig Mut macht auf noch eine Partei. Aber genau da sieht Claudia Stamm die Chance.  „Durchbuchstabiert“, sei das alles noch nicht, räumt sie ein. Es gibt knapp acht Seiten Grundsatzpapier, einige Fachgespräche und Arbeitsforen. Statt den klassischen Ortsverband organisiert man lieber ein Themenforum. Alles müsse jetzt schnell gehen. Dennoch sei man optimistisch. Die Menschen seien interessiert, die Stammtische gut besucht. Zu all dem braucht sie Mut, sagt Stamm. Aber den hat sie ja zum Parteiprogramm erhoben. (Flora Jädicke)

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