Politik

Marina Dietweger, Kreissprecherin der Münchner Linken, mit dem Flyer für die Flüchtlinge. (Foto: Stumberger)

19.07.2024

Mit Tauschorten gegen den CSU-Plan

Bündnis für Flüchtlinge will die Einführung der Bezahlkarte in Bayern aushebeln

Mit einer sogenannten Kartentauschaktion will das Bündnis „Offen“ in Bayern die Flüchtlingspolitik der bayerischen Regierungskoalition unterlaufen. Diese hatte jüngst die Bezahlkarte für Asylbewerber*innen eingeführt, die so nur noch 50 Euro an Bargeld erhalten. Mit der Tauschaktion können Betroffene nun Einkaufsgutscheine in Bares umtauschen.

Das Kulturzentrum „Bellevue di Monaco“ liegt in der Münchner Innenstadt nahe dem Viktualienmarkt. Hier gibt es für Flüchtlinge ein Café, eine Beratungsstelle, Sprachkurse und sogar ein Sportprogramm. Und künftig jeden Mittwoch von 18 bis 20 Uhr auch eine Tauschbörse der besonderen Art: Asylbewerber*innen können nun Gutscheine in Bargeld umtauschen. Das ist an insgesamt drei Orten in der Stadt möglich: neben dem Bellevue di Monaco im Wohnprojekt „Ligsalz8“ (jeden Donnerstag von 18 bis 20 Uhr) und im Büro der Linkspartei in der Schwanthalerstraße (jeden Montag 14 bis 17 Uhr).

Diese drei Umtauschorte sollen der Beginn eines flächendeckenden Netzes in Bayern sei, über das Geflüchtete an zusätzliches Bargeld kommen können und mit dem das Prinzip der Bezahlkarte ausgehebelt werden soll, die die bayerische Staatsregierung jüngst auf den Weg gebracht hat. Danach sollen Flüchtlinge nur noch über 50 Euro an Bargeld verfügen können, ansonsten müssen die Einkäufe bargeldlos über die Karte getätigt werden. Ziel der Karte ist, Geldleistungen weitgehend durch Sachleistungen abzulösen, insgesamt sollen rund 70 000 Asylbewerbende ab 14 Jahren eine solche Karte bekommen.

Der Freistaat prescht vor

Das löse nicht alle Probleme, aber sei „Bestandteil einer großen Problemlösung“, so Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Man wolle ein Signal setzen, dass Sachleistung der bessere Weg als Geldleistung sei. Und der Freistaat prescht dabei vor, Bayern hat im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht auf ein bundesweites Verfahren gewartet, da Söder dies zu lange dauerte.

Für wen ist die Bezahlkarte gedacht? Für alle, die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten, die Höhe der Summe auf der Karte hängt dann von Alter, Familienstand und Art der Unterbringung ab. Das Bargeld ist auf monatlich 50 Euro pro Person beschränkt.

"Uns ist wichtig, dass wir das verfügbare Bargeld, das es noch gibt, geringer ansetzen als in anderen Bundesländern“, sagte dazu der bayerische Ministerpräsident. Begrenzt werden kann die Einsatzmöglichkeit der Bezahlkarte auf einen bestimmten Landkreis oder auf eine kreisfreie Stadt. Neuankömmlinge, die ihren Landkreis wegen der Residenzpflicht nicht verlassen dürfen, können dann mit der Karte auch nur in diesem Landkreis bezahlen. Man will mit der Einführung der Bezahlkarte die „Anreize“ verkleinern, in Deutschland Asyl zu beantragen. Zugleich soll damit der Geldhahn für Schleuser und Schlepper zugedreht und Geldüberweisungen ins Ausland sollen erschwert werden.

Die Einführung der Bezahlkarte ist von Flüchtlingsorganisationen als „rechtspopulistische Symbolpolitik“ heftig kritisiert worden und soll jetzt mit einem flächendeckenden Netz von Tauschorten ausgehebelt werden. Initiator ist das Bündnis „Offen! Für eine solidarische Gesellschaft!“, nach eigenen Worten „eine breite Kampagne“ mit Beteiligten aus sozialen Verbänden, Einrichtungen, Beratungsstellen, Gewerkschaften, politischen Gruppen und Wohnprojekten, auch die „Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns“ ist dabei.

Die Tauschaktion wird auf einem bunten Flugblatt in sieben Sprachen erklärt. Da heißt es: In Bayern bekommen geflüchtete Menschen ihr Geld auf eine Bezahlkarte. Von dieser Karte kann man nur 50 Euro Bargeld im Monat abheben. An Orten und in Läden, in denen keine Kreditkartenzahlung möglich ist, kann man nicht einkaufen. „50 Euro Bargeld im Monat sind zu wenig und du findest, mit dieser Einschränkung planen zu müssen, ist diskriminierend?“ wird in dem Flyer gefragt. Und weiter: „Du bist gegen rechtspopulistische Symbolpolitik und willst ihr mit deiner praktischen Solidarität etwas entgegensetzen?“ Das sei ganz einfach: „Du kommst in unsere Wechselstube und tauschst dein Bargeld gegen einen Gutschein. Den Gutschein hat eine Person mit ihrer Bezahlkarte gekauft und dafür von uns Bargeld bekommen.“

Die Flüchtlinge können also in Läden wie Rewe, Aldi oder Lidl mit der Bezahlkarte bargeldlos die Einkaufsgutscheine erwerben. Damit kommen sie zu den Tauschorten und tauschen die Gutscheine gegen Bargeld. Das Geld kommt von Menschen, die einerseits die Flüchtlinge unterstützen wollen und andererseits mit den Gutscheinen ihre Einkäufe erledigen. Das Bündnis ruft zur Einrichtung derartiger Tauschorte in ganz Bayern auf, auch in Ingolstadt soll es bereits eine Initiative geben.

Das bayerische Innenministerium sagte der BSZ, das bayerische Bezahlkartensystem funktioniere. Daran könnten „auch solche Tricks nichts ändern“. Das Vorgehen der Flüchtlingsunterstützer sei dem Ministerium bekannt, könne aber nicht verhindert werden. Das Ministerium glaubt zudem, dass nur wenige Menschen dauerhaft bereit seien, solche Gutscheine abzukaufen, die außerdem immer die Gefahr bergen, bereits eingelöst zu sein. (Rudolf Stumberger)
 

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