Politik

Im Ausland will niemand länger ungebremst deutschen Müll aufnehmen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

30.08.2019

Müll aus Bayern – nein danke!

Die Wirtschaft boomt, vor allem der Baubereich – doch die Firmen werden ihren Abfall nicht mehr los

Bayerische Firmen werden immer seltener ihren Müll los. Den Anfang dazu machte vor knapp zwei Jahren China. Insgesamt 24 verschiedene Recyclingmaterialien dürfen seit dem 1. Januar 2018 nicht mehr nach China exportiert werden – darunter unsortierter Plastikabfall, Altpapier, alte CDs und alte Textilien. Die Begründung der Chinesen: Der Müll sei zu dreckig und zu gefährlich. An die Welthandelsorganisation (WTO) schrieb die Regierung, man wolle die Umwelt und die Gesundheit der Menschen schützen.

Das ist allerdings ein wenig scheinheilig angesichts des wenig ausgeprägten Umweltbewusstseins im Reich der Mitte. Der Schritt erfolgte wohl vor allem deshalb, weil China seine Kapazitäten darauf konzentrieren möchte, primär Rohstoffe aus eigenem Müll zu recyceln und damit eine eigene Kreislaufwirtschaft aufzubauen.

Auch die Niederlande möchten nicht länger ungebremst deutschen Müll aufnehmen. Die Regierung in Den Haag traf die Entscheidung, keine weiteren Siedlungsabfälle zur Verbrennung einführen zu lassen. Hintergrund ist der Ausfall einer riesigen Anlage in Amsterdam, aber auch die Tatsache, dass die Niederlande selbst die Müllmeister der EU sind. Nirgendwo in der Gemeinschaft wird pro Kopf der Bevölkerung mehr Abfall produziert. Eine strikte Abfalltrennung wie in Deutschland findet nicht statt. Von diesem Negativ-Image möchten die Niederländer weg.

Und Malaysia, das Land, in das Deutschland bisher den meisten Müll exportierte, mag ebenfalls nicht mehr mitspielen. Der südostasiatische Staat ertrinkt nämlich förmlich in Abfällen. Im Mai dieses Jahres ließ Umweltministerin Yeo Bee Yin in einer spektakulären Aktion mehr als 3000 Tonnen Müll wieder zurück in die Herkunftsländer verfrachten, darunter neben Kanada, den USA und Großbritannien auch Deutschland.

Eigentlich bräuchte man neue Verbrennungsanlagen

Beim Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft (BDE) ist man alarmiert. Die Entsorgungsengpässe dürften sich „nicht negativ auf die Entsorgungssituation in Deutschland auswirken“, warnt BDE-Präsident Peter Kurth. Das dürfte zunächst mal ein frommer Wunsch bleiben.

Und auch aus dem Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung – Fachbereich Mineralik, Recycling und Verwertung – kommen deutliche Alarmsignale. „Im Bauschuttbereich wie im Bodenbereich verzeichneten unsere Mitgliedsunternehmen 2018 und im laufenden Jahr einen deutlichen Mengenanstieg“, klagt Geschäftsführer Stefan Schmidmeyer. Dieser Anstieg sei getragen von den großen Investitionen in die Infrastruktur – wie Neubau, Umbau und Instandhaltungsmaßnahmen. Aufgrund der sehr guten Baukonjunktur habe sich die Entsorgungsproblematik weiter verschärft.

Erhebliche Engpässe an Verfüll- und Deponiekapazitäten seien inzwischen bundesweit zu beobachten. Dies führe unter anderem dazu, dass teilweise weite Transportwege in Kauf genommen werden müssen, um anfallende Bau- und Abbruchabfälle überhaupt entsorgen zu können, so Schmidmeyer. Den Recyclingunternehmen würden zwar immer größere Bauschuttmengen angeboten, doch die Kapazitäten sind ausgelastet. Die Entwicklung werde sich sogar noch weiter verschärfen. „Die zunehmende Verknappung bebaubarer Grundstücke wird zu einer Zunahme der Bauschuttmengen führen, da es zu einem gesteigerten ,Bauen im Bestand‘ und damit zu einem erhöhten Anteil von mineralischen Bau- und Abbruchabfällen kommt“, erläutert der Geschäftsführer des Fachverbands.

Die Entsorgungskosten variieren stark je nach Anbieter, Region und Größe. Für einen Container für Baumischabfall fallen Kosten von zirka 200 bis 250 Euro je Tonne an. Die kommunalen Müllverbrennungsanlagen, die bisher immer einsprangen und den Firmen halfen, arbeiten an der Kapazitätsgrenze. Immer öfter müsse man private Firmen abweisen, bedauerte kürzlich im Bayerischen Rundfunk Thomas Knoll, der Geschäftsführer des Zweckverbands Müllverwertung Schwandorf. Dessen Einzugsbereich reicht von Hof im Norden bis Landshut im Süden. In erster Linie ist der Zweckverband aber für die Entsorgung des privaten Hausmülls zuständig, und da falle eben auch immer mehr an.

Auch die Verbrennungskapazität des Müllheizkraftwerks in Bamberg ist mehr als ausgereizt. Das Volumen des Müllbunkers ist fast restlos genutzt, die Zahl der offenen Abkippstellen nimmt ab, heißt es in einer Mitteilung des Zweckverbands Müllheizkraftwerk Stadt und Landkreis Bamberg. Im Anlieferbereich sei daher mit deutlich längeren Wartezeiten zu rechnen. „Momentan ersticken die meisten der 14 bayerischen Anlagen im Müll“, erklärt Peter Baj, Werkleiter des Coburger Zweckverbands für Abfallwirtschaft auf Nachfrage.

Laut Irene Lindner, Geschäftsleiterin des Zweckverbands Müllverwertungsanlage Ingolstadt (MVA), hat die wachsende Nachfrage nach thermischer Müllverwertung damit zu tun, dass die Wirtschaft brummt. „Die anhaltend gute Konjunktur hat einen höheren Anfall von Abfällen zur Folge“, sagt sie der Staatszeitung. Bayern könnte aktuell also gut noch ein oder zwei weitere Müllverbrennungsanlagen gebrauchen, die Rendite wäre sicher. Mit einem solchen bei den Bürgern wenig beliebten Projekt allerdings wird sich ein halbes Jahr vor der Kommunalwahl kein Bürgermeister oder Landrat aus der Deckung wagen. (André Paul)

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