Politik

06.06.2024

Nach dem Sylt-Eklat: Soll man das Lied "L’amour toujours“ verbieten?

Immer mehr Kommunen verbieten das Spielen des Liedes „L’amour toujours“, weil zur Melodie gehäuft ausländerfeindliche Parolen gegrölt wurden. Clemens Baumgärtner (CSU), Referent für Arbeit und Wirtschaft bei der Stadt München, erklärt, warum das Lied auch bei der Wiesn nicht gespielt wird. Dirk Wöhler, Präsident des Berufsverbands Discjockey e.V., argumentiert gegen ein Verbot

JA

Clemens Baumgärtner (CSU), Referent für Arbeit und Wirtschaft bei der Stadt München

Das Oktoberfest ist international und weltoffen. Nicht nur unsere Besucherinnen und Besucher, sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wirts- und Schaustellerbetriebe und damit alle, die zum Gelingen des größten Volksfests der Welt beitragen, kommen nicht nur aus Bayern, aus Deutschland, sondern aus aller Welt.

Und auch deswegen passt ein „Ausländer raus“ nicht auf die Wiesn. Das würde die über Jahrzehnte gelebte und umgesetzte Ausrichtung des Oktoberfests zerstören. 

Aus meiner Sicht geht es auch nicht mehr um ein Musikverbot. Durch die missbräuchliche Verwendung dieses Liedes hat es den Charakter von Musik verloren und den einer politischen Parole angenommen. Oftmals reicht schon das bloße Anspielen des Refrains dafür, die fremdenfeindliche Botschaft zu verbreiten. Der Song funktioniert mittlerweile wie eine Art Code unter Rechtsextremisten. Damit transportiert schon der Refrain die Botschaft Fremdenhass.

Und als Chef des Oktoberfests, lasse ich Fremdenhass, Intoleranz und Hetze auf dem Oktoberfest nicht zu. 

Wichtig ist mir in diesem Zusammenhang auch eine Signalwirkung. Durch ein schon vor dem Oktoberfest ausgesprochenes Verbot wird klargestellt, welche Ausrichtung das Oktoberfest nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in künftigen Jahren hat und behalten wird.

Juristisch bieten dafür die Betriebsbedingungen die Grundlage. Dort ist ausdrücklich niedergelegt, dass rassistische Äußerungen auf der Wiesn nicht geduldet werden. Wird dagegen verstoßen, gibt es viele Möglichkeiten der Ahndung, vom Platzverweis und Hausverbot bis letztlich zum künftigen Ausschluss als Beschicker vom Oktoberfest.

Ich glaube aber nicht, dass wir so weit gehen müssen, und mich freut, dass es auch unter den Beschickern einen Grundkonsens für eine weltoffene, tolerante und ganz einfach schöne Münchner Wiesn gibt.

NEIN

Dirk Wöhler, Präsident des Berufsverbands Discjockey e.V.

Einen Song zu verbieten, weil der in irgendeiner Form gekapert wurde, ist die völlig falsche Herangehensweise. Es geht gar nicht um L’amour toujours. Es geht grundsätzlich darum, dass man einen Song nicht verbieten sollte, weil er von irgendwelchen Gruppen, seien sie links oder rechts, genutzt wird. Wir als Gemeinschaft sollten da anders reagieren.

Jeder Gast muss die Zivilcourage haben einzuschreiten, wenn er so etwas wie den Sylt-Vorfall mitbekommt. Und wenn der DJ das mitbekommt, sind die Mitglieder unseres Berufsverbands Discjockey e.V. auch entsprechend geschult. 

Wir bieten regelmäßig Moderationsseminare an, damit DJs in der Lage sind, bei einem Brand oder einer Schlägerei zu reagieren, das gilt auch für solche Vorfälle. Ein DJ hat auch die Macht, die Leute dann bloßzustellen und ihnen zu zeigen, dass ein solches Verhalten hier nicht hingehört. Ich spiele den Song auf jeden Fall weiterhin.

Wir als Berufsverband würden uns wünschen, dass man diese eingängige Melodie nutzt und vielleicht anlässlich der anstehenden Heim-EM einen deutschen Text darauf dichtet, der positiv ist und der zeigt, dass wir Mulitkulti sind, dass wir alle stolz auf Deutschland sind und hier Meinungsfreiheit genießen dürfen und – unabhängig von Herkunft oder Hautfarbe – eine große Gemeinschaft sind.

Die Mitglieder des Berufsverbands Discjockey e.V. sind als organisierte Profis allesamt in der Lage, in solchen Situationen angemessen zu reagieren. Das heißt für uns, zum Beispiel durch Moderation einzugreifen und zeitnah den nächsten Song zu spielen. Ich habe solch einen Vorfall in 30 Jahren als hauptberuflicher DJ noch nie erlebt. Und wenn, dann hätte ich sofort eingegriffen.

Für die bevorstehende EM wünschen wir uns einen unverkrampften Umgang mit unserem weltoffenen Land – mit tollen Partys, vielen Fahnen und lauten Fußballhymnen. Und dass wir alle ein paar besoffenen Prolls nicht die Macht geben, uns dieses schöne Fest zu versauen. Wir DJs sind bereit für viele tolle EM-Partys. 
 

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