Vom Nasenspray bis zur Antikörperspritze: Auch die Entwicklung und Erforschung von Medikamenten gegen das Coronavirus laufen auf Hochtouren. Doch eine Allzweckwaffe gibt es nicht und ist nach Ansicht von Fachleuten wohl nicht zu erwarten. Dafür sind einige vielversprechende Mittel für unterschiedliche Krankheitsphasen am Start, an denen auch deutsche Unternehmen beteiligt sind.
Laut Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) laufen derzeit 30 klinische Tests mit Wirkstoffen gegen das Sars-CoV-2-Virus. Das Bundesforschungsministerium stockte die als zu wenig kritisierten Fördergelder für die Medikamentenforschung nun um 300 Millionen Euro auf. Bayern unterstützt Corona-Forschungsprojekte mit 50 Millionen Euro. Welche Wirkstoffe es im Kampf gegen das Virus schon gibt und welche erwartet werden – hier im Überblick:
Bei Klinikpatient*innen wird bisher vor allem das entzündungshemmende, altbewährte Medikament Dexamethason eingesetzt, ein Kortikoid, das überschießende Immunreaktionen eindämmen soll und vor allem beatmeten Covid-19-Erkrankten hilft. In schweren Fällen könnte zudem das entzündungshemmende Rheumamittel Tocilizumab helfen, an dem auch die Münchner Universität (LMU) forscht. Im Klinikalltag schützen zudem bekannte Arzneien vor Komplikationen im Krankheitsverlauf, etwa Gerinnungshemmer vor Thrombosen.
Zu den großen Hoffnungen für eine Erkrankung im Anfangsstadium zählen im Labor hergestellte Antikörpermedikamente. Sie sollen einen schweren Verlauf verhindern, indem sie das Virus angreifen. In den USA haben Antikörpermedikamente der US-Unternehmen Regeneron und Eli Lilly eine Notfallzulassung. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA prüft derzeit die Zulassung dieser Mittel. Als Sonderkontingent lagern trotzdem bereits 200 000 Dosen dieser Antikörpermedikamente in deutschen Unikliniken. Sie können bei Bedarf in sehr frühem Stadium gespritzt werden.
Lauterbachs Gamechanger
Auch in bayerischen Krankenhäusern gibt es das Antikörpermedikament für Hochrisikopatient*innen. „Bei uns im mittelfränkischen Landkreis steht die Therapie etwa in Tageskliniken zur Verfügung, die Hausärzte sprechen die Behandlung mit Klinik-Koordinatoren ab“, sagt der erste stellvertretende Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbands, Jürgen Büttner. Trotz bekannter Risikofaktoren sei es aber schwierig zu entscheiden, wer diese Behandlung brauche. Denn es gebe auch schwere Verläufe bei jüngeren Menschen ohne Vorerkrankung. „Da sind wir in einer Riesen-Lernkurve“, so der Allgemeinmediziner aus Roth.
Große internationale Beachtung findet ein Antikörpermedikament der TU Braunschweig und der Firma Corat Therapeutics, das in klinischen Studien erprobt wird und Covid-19-Erkrankte mit mittelschwerem Verlauf vor der Intensivstation bewahren soll.
Auch in Bayern gibt es hoffnungsvolle Projekte, etwa das antikörperbasierte Arzneimittel der Biotechfirma Formycon in Martinsried bei München. Das Medikament soll Sars-CoV-2-Viren mithilfe von speziellen Molekülen hindern, in die menschlichen Zellen einzudringen. Diese Moleküle sind gentechnisch mit einem Antikörperabschnitt kombiniert. Das Medikament soll auch schwer an Corona Erkrankten helfen.
Als „Gamechanger“ bezeichnete der SPD-Politiker Karl Lauterbach das Asthmaspray mit dem Kortison Budesonid, das hierzulande für die Covid-Therapie wegen unsicherer Datenlage und befürchteter Medikamentenengpässe nicht zugelassen ist. Laut einer Studie der Uni Oxford könnte das Spray im frühen Stadium schwere Krankheitsverläufe verhindern. Der Bayerische Hausärzteverband listet in seiner Corona-Behandlungsempfehlung auch Budesonid auf. „Das entscheiden wir individuell, off label“, sagt Allgemeinarzt Büttner, der das Spray auch schon bei Corona-Kranken eingesetzt hat. „Es ist ein bekanntes Medikament aus der Asthmatherapie, wo es den Husten reduziert“, erklärt Büttner. „Dass es sich bei dem Spray um einen Gamechanger handelt, kann ich allerdings noch nicht erkennen.“
Hoffnungen gibt es auch bei der Vorbeugung. Israel hat ein Nasenspray mit Stickstoffmonoxid für die Corona-Behandlung zugelassen, das auch als Schutz gegen eine Erkrankung verwendet werden kann. Die Münchner Virologin Ulrike Protzer findet das Medikament vielversprechend, allerdings müssten noch die Nebenwirkungen untersucht werden.
An der Uni Köln wird das Heuschnupfenmittel Azelastin untersucht, das laut ersten Studien die Viren im Nasenrachenraum reduziert. Auch die virenhemmende Wirkung bei Sprays mit einem Rotalgen-Wirkstoff weckt Optimismus. Chinesische Fachleute testeten Nasentropfen mit antiviral wirksamem Interferon, mit dem sich das Pflegepersonal vor einer Corona-Ansteckung schützt.
Manche Mittel enttäuschten allerdings, wie etwa der antivirale Wirkstoff Remdesivir, der nur noch selten zum Einsatz kommt, oder auch das Antiparasitenmittel Ivermectin. Es war in Kolumbien beliebt und floppte dort zuletzt in einer groß angelegten Studie. Die WHO sprach sich nun gegen den breiten Einsatz des Antiwurm-Medikaments in der Covid-Therapie aus, in Deutschland ist es nur in klinischen Studien zugelassen.
(Lucia Glahn)
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