Politik

Der Kreativität beim Erfinden von Zusatzgebühren für Tickets sind keine Grenzen gesetzt, klagen die Grünen. (Foto: dpa)

28.04.2017

Nervige Zusatzgebühren

Selbst staatliche Theater verlangen Servicezuschläge für Print@home-Tickets – die Grünen wollen das verbieten

Alexander traute seinen Augen nicht. Er bestellte Karten für ein Konzert der Rockband Okta Logue und entschied sich wie üblich für das sogenannte Print@home-Verfahren, bei dem die Tickets einfach zu Hause ausgedruckt werden können. Doch dieses Mal sollte er dafür plötzlich Servicegebühren von mehreren Euro zahlen. „Wenn ich Print@home wähle, nehme ich Ticketverkäufern einen Großteil der Arbeit ab, benutzte meine Druckertinte und mein Papier, erspare ihnen die Arbeit für den Versand und die Versandkosten“, kritisiert er in einem Online-Forum. Dass er dafür auch noch zahlen soll, geht ihm eindeutig zu weit. Das sehen die Grünen im bayerischen Landtag genauso.

„Verbraucherabzocke“ nennt Grünen-Abgeordneter Christian Magerl solche Zusatzgebühren. Selbst für Vorstellungen des Staatstheaters und der Theaterakademie in Bayern könnten Tickets und Geschenkgutscheine nur noch gegen eine Gebühr von 1,50 Euro ausgedruckt werden – während die Abholung am Schalter weiterhin kostenlos sei. „Das heißt, da wo tatsächlich ein Verkäufer involviert ist, muss nichts gezahlt werden“, wundert sich Magerl. Die Grünen fordern daher, die Servicegebühren für den Selbstausdruck sofort abzuschaffen – vor allem bei staatlich geförderten Institutionen. Doch das bayerische Verbraucherschutzministerium lehnt ab.

Das Ressort von Verbraucherschutzministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht Zusatzgebühren zwar kritisch, wenn Bürgern dadurch kein Mehrwert entsteht und beim Bestellprozess nicht transparent darauf hingewiesen wird. Beides sei im Fall der Staatstheater und Theaterakademie allerdings nicht der Fall. „Die Bearbeitungsgebühr dient der Bestreitung eines Teils der Kosten, die im Kartenverkauf entstehen“, heißt es aus dem Ministerium. Als Beispiele werden die Zurverfügungstellung der Software mit Pflege- und Wartungsgebühren für den Online-Verkauf, Portokosten für die Zusendung der Eintrittskarten, Kreditkartengebühren und Personalkosten genannt.

„Das wäre ja wie eine Zusatzgebühr für das fälschungssichere Kassensystem“, klagt die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der Landtags-Grünen, Rosi Steinberger. Mit solchen Argumenten sei der Kreativität zum Erfinden von Zusatzgebühren keine Grenzen gesetzt. Auch die SPD-Fraktion hält Online-Bearbeitungsgebühren häufig für unzulässig.

Ein Urteil fällt im Mai

Grundsätzlich setzt sich der Preis eines Tickets aus drei Elementen zusammen: Mit dem Netto-Preis wird versucht, den Theaterbetrieb, die Künstlergagen, Tantiemen und Reisekosten sowie Künstlersozialkassenbeiträge zu bezahlen. Mit der Vorverkaufsgebühr in Höhe von durchschnittlich zehn Prozent des Kartengrundpreises werden Personal- und Sachkosten wie Hard- und Software, Telefon, Porto oder Papier des Ticketverkäufers beglichen. Hinzu kommt eine Systemgebühr des Ticketanbieters zwischen 0,30 bis 1,50 Euro je Ticket, das vollständig an den Betreiber des Computer-Ticket-Systems geht. Warum also zusätzliche Gebühren für die am heimischen Computer ausgedruckte Karte?

„Es ist nicht mit dem Ausstellen von Print@home-Tickets getan“, erklärt München Ticket-Geschäftsführer Stephan Rusch. Erstens dienten die Gebühren einer entsprechenden elektronischen Zutrittskontrolle bei der Veranstaltung. „München Ticket steckt nennenswerte Ressourcen in die Entwicklung einer solchen Technologie, welche auch durch die erhobene Gebühr zum Teil gedeckt werden sollte“, ergänzt Rusch. Und zweitens müsse, um überhaupt ein Print@home-Ticket anbieten zu können, ein weiteres Kartenlayout erstellt und hinterlegt werden. Aktuell muss München Ticket allerdings zähneknirschend auf Gebühren für selbstausdruckbare Karten verzichten.

Denn im September letzten Jahres schickte der Verbraucherservice Bayern im Katholischen Deutschen Frauenbund eine Unterlassungserklärung an das Unternehmen, um Bearbeitungsgebühren für Print@home in Höhe zwischen 1,90 und 2,90 Euro zu verhindern – München Ticket unterschrieb die Erklärung ohne eine gerichtliche Auseinandersetzung. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir obsiegt hätten, wäre recht hoch gewesen, zumal aus unserer Sicht die Rechtslage recht klar ist“, ist Jochen Weisser vom Verbraucherservice Bayern überzeugt. München Ticket habe sich allerdings vorbehalten, die Unterlassungserklärung zu widerrufen, wenn sich die Rechtsprechung ändert. Dies könnte bereits in wenigen Wochen der Fall sein.

Mitte Mai verhandelt das Bremer Oberlandesgericht über die Berufung des Ticketanbieters Eventim. Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hatte im Sommer 2016 gegen die Print@home-Gebühren von sieben Karten-Plattformen geklagt und vor dem Bremer Landgericht Recht bekommen. Eventim will sich wegen des laufenden Verfahrens nicht äußern, geht aber davon aus, dass die Entscheidung des Landgerichts „keinen Bestand“ haben wird, erklärt ein Unternehmenssprecher. Die Verbraucherzentrale NRW gibt sich ebenfalls siegessicher und rät betroffenen Kunden, ihre Belege aufzubewahren, um nach einer erfolgreichen Gerichtsentscheidung die Servicegebühren zurückfordern zu können.

Die Bundesregierung unternimmt vor Abschluss des Verfahrens keine gesetzlichen Maßnahmen gegen Print@home-Gebühren. Wenn das Oberlandesgericht Nein sage, könne man das Gesetz immer noch ändern, heißt es von mit der Sache vertrauten Personen hinter vorgehaltener Hand. Ob Kartenkäufern eine Gerichtsentscheidung in ihrem Sinne oder gar ein neues Gesetz allerdings zukünftig Geld spart, ist fraglich. Ticketanbieter werden die Servicegebühren in diesen Fällen statt fürs Ausdrucken vermutlich einfach auf den Nettopreis des Tickets aufschlagen.

Wenn es Anbieter bei den Ticketgebühren nicht übertreiben, gibt es gegen die jeweilige Höhe keine rechtliche Handhabe. „Grundsätzlich kann der Anbieter die Preisgestaltung vornehmen, wie er will“, erläutert ein Sprecher des Bundesverbraucherschutzministeriums. Bei dem Bremer Urteil drehe es sich nur um die versteckte Kostenerhöhung am Ende des Bestellvorgangs – ähnlich wie bei Flugreisen mit Gepäckzuschlägen und Kosten für die Zahlung mit Kreditkarte.

Dagegen will jetzt Scharf bei der bis heute dauernden Konferenz der Verbraucherschutzminister zwar vorgehen. Sinken werden die Preise durch die neue Transparenz allerdings wohl auch in diesem Bereich nicht. Aber vielleicht fallen nicht mehr so viele Menschen auf vermeintliche Schnäppchen herein. (David Lohmann)

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