Politik

Hubert Aiwanger (mit Dorothee Bär) beim Unternehmensgründer- und Investorentreffen Bits & Pretzels. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

30.09.2019

"Nix. No other language"

Erwin Huber, Günther Oettinger, Hubert Aiwanger: Immer wieder sorgen deutsche Politiker mit eigenwilligem Englisch für Amüsement. Eins muss man ihnen aber zugute halten: Sie haben es wenigstens versucht - im Gegensatz zu anderen Politiker-Kollegen

Es waren lange Minuten für Hubert Aiwanger und sein Publikum. Langsam und tapfer quälte sich Bayerns Wirtschaftsminister beim hippen Start-Up-Festival "Bits & Pretzels" im Vorprogramm von Barack Obama durch seine abgelesene Rede über das "Gründerland Bayern". Er tat sich hörbar schwer mit der fremden Sprache, sein niederbayerischer Akzent, für den er im Deutschen schon berühmt ist, machte auch vor der englischen Sprache nicht Halt. "Aiwanger brilliert auf Gründermesse in einwandfreiem Niederenglisch", schreibt die "Süddeutsche Zeitung" online nicht ohne Ironie.

ZDF-Moderator Jan Böhmermann erlitt einen "Lachflash", wie er auf Twitter ausbreitete. Sein Kollege Joko Winterscheidt wurde abgelichtet, wie er sich lachend eine Träne aus dem Augenwinkel wischt. "Die Bandbreite zwischen akzentfrei und Aiwanger ist, nun ja, doch sehr groß", twitterte Christian Deutschländer vom "Münchner Merkur". In Erinnerung an die denkwürdigen, fast schon legendären englischen Ausführungen des scheidenden EU-Kommissars Günther Oettinger (CDU) war auch von einem "Oettinger-Moment" die Rede.

Er habe es wenigstens versucht, sagt Aiwanger

Dabei muss man dem Niederbayern Aiwanger (Freie Wähler) allerdings zwei Dinge zugute halten: Erstens war die Rede, die er "runtergelesen" habe, wie er der Deutschen Presse-Agentur am Tag danach sagte, nicht - wie bei Oettinger - gespickt mit denglischen Ausführungen ("We are all sitting in one boat"), und zweitens hat er es wenigstens versucht. Ganz im Gegenteil beispielsweise zum bundesdeutschen Innenminister und langjährigen bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU), der dabei gefilmt wurde, wie er auf die Bitte nach einer englischen Antwort - auch alles andere als akzentfrei - sagt: "Nix. No other language."

Sein Vorgänger als CSU-Chef, Erwin Huber, galt auch nicht unbedingt als Shakespeare. "Mein Englisch hat den Leuten Spaß gemacht", sagte er einmal im Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Es war Kult, dass der Huber ein Grußwort in Englisch spricht. Sicher war da immer Spott dabei, aber ich hab' den Leuten halt diese Freude gemacht."

Der inzwischen verstorbene, damals designierte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) weigerte sich vor seinem Amtsantritt 2009, die Frage eines britischen BBC-Journalisten auf Englisch zu beantworten - und wurde daraufhin auf Facebook systematisch verspottet in der Gruppe "Westerwave - no one can reach me the water".

Akzent-bashing ist in Deutschland populär

"Akzent-bashing ist in Deutschland generell populär - nicht nur bei Politikern", sagt die Anglistik-Professorin Stephanie Hackert von der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München. Die Rockband Scorpions beispielsweise treffe es immer wieder. "Das hat eine lange Tradition."

Dabei habe der Akzent allein mit Sprachkenntnissen wenig zu tun, betont sie. "Das Lautsystem ist unabhängig vom Vokabular. Man kann durchaus einen starken deutschen Akzent haben und trotzdem exzellentes Englisch sprechen." Dass dennoch immer wieder die Gleichung: starker Akzent gleich schlechte Fremdsprachenkenntnisse gleich schlechte Bildung aufgestellt wird, nennt sie "einen Trugschluss". Das habe mit "traditionellen Stereotypen" zu tun.

"Sprachliche Unterschiede zeigen immer Gruppenunterschiede an - auch wenn die gemachte Verbindung für Einzelne nicht unbedingt gerechtfertigt ist. Der Dialekt zum Beispiel stand früher für eine gewisse Ländlichkeit und Bildungsferne. Diese Verbindung funktioniert heute nicht mehr so, aber Stereotype sind langlebig."

Amerikaner und Franzosen sprechen oft keine andere Sprache

Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung sind die Fremdsprachenkenntnisse deutscher Politiker insgesamt viel besser als ihr Ruf. "Die deutschen Politiker sind, was Fremdsprachen betrifft, viel viel besser als die Amerikaner oder die Franzosen. Die sprechen nämlich fast gar keine", sagt der Vorsitzende der Gesellschaft, Dominik Meier. "Wenn ein deutscher Politiker sich auf eine Bühne vor 150 Leute stellt und Englisch spricht, obwohl er weiß, dass er es nicht gut kann, dann bewerte ich das als positives Zeichen der Offenheit."

Als Vertreter einer Exportnation sei es wichtig, ein solches Zeichen zu senden. "Da sollte man sich von solchen hämischen Zwischenrufen nicht entmutigen lassen." Ob es allerdings gleich eine ganze Rede sein muss wie bei Aiwanger am Sonntag, stellte Meier infrage. "Ich hätte ihm empfohlen, darüber nachzudenken, es vielleicht etwas gemixter zu machen - Begrüßung und Verabschiedung auf Englisch und der Rest auf Deutsch."
(Britta Schultejans, dpa)

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