Aus Sicht der Schweden ist der Schritt nur konsequent: Der Stockholmer Batteriehersteller Northvolt wird sein Werk zur Batteriezellfertigung in der Nähe von Heide an der schleswig-holsteinischen Westküste errichten. Der hohe Norden darf sich ab 2025 über rund 3000 neue Arbeitsplätze freuen. Für die Standortwahl sprach aus Sicht der Schweden insbesondere der „Reichtum an sauberer Energie“ in Schleswig-Holstein.
Für Konzerne, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben, ist Schleswig-Holstein wegen seiner vielen Windräder ein sehr guter Standort – anders als offenbar Bayern. Auch der US-amerikanische Tech-Gigant Intel hat sich bei der Suche nach einem Top-Standort gegen den Freistaat entschieden. Die Firma betont die Absicht, neue europäische Standorte zu suchen, die mit erneuerbarer Energie versorgt werden. Wohl auch deshalb werden die Kalifornier ihre Chipfabrik nun im windstromreichen Sachsen-Anhalt und nicht im oberbayerischen Penzing bauen. Der Traum der Staatsregierung vom bayerischen Silicon Valley rückt damit immer weiter in die Ferne.
Insgesamt 17 Milliarden Euro will Intel in die Fabrik investieren. In dem Werk entstehen mehrere Tausend Hightech-Jobs und unbezahlbares Know-how. Dazu kommen Tausende Stellen, die bei Zulieferbetrieben entstehen. Im Gespräch sind Investitionssummen im hohen zweistelligen Milliardenbereich. Das alles entgeht dem Freistaat.
Die Verfügbarkeit von grünem Strom war Medienberichten zufolge einer der entscheidenden Gründe, warum sich Intel für Ostdeutschland statt Oberbayern entschied. „Bei der Standortauswahl schauen die Unternehmen zunehmend, wie nachhaltig die Energieversorgung vor Ort ist“, sagt Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft (VBEW). Er verweist auch auf die sogenannte EU-Taxonomie.
Öko-Kriterien sind auch für die Kreditvergabe relevant
Danach legt Brüssel verbindliche Standards für nachhaltiges Wirtschaften fest. Relevant ist das auch für die Kreditvergabe. Schmutzige Branchen zahlen dann höhere Darlehenszinsen. Ein Autozulieferer etwa müsse künftig selbst für das kleinste Teil wie ein Reifenventil immer öfter belegen, wie nachhaltig es produziert wurde, erläutert Fischer. „Nur wer nachhaltig produziert, hat künftig noch ein Geschäftsmodell“, ist er überzeugt. Deshalb müssten Firmen zwangsläufig an einem Standort sitzen, wo es reichlich nachhaltige Energie gebe. „Das wird zunehmend ein Problem für den Wirtschaftsstandort Bayern.“
Lange galt Bayern in Sachen erneuerbare Energien als Klassenprimus – vor allem dank des hohen Anteils an Wasserkraft und des Solar-Booms. Doch längst ist man ins Mittelfeld abgestiegen, weil der Freistaat jahrelang de facto keine neuen Windräder wollte. Gut die Hälfte des in Bayern erzeugten Stromes stammt aus regenerativen Quellen. In Schleswig-Holstein waren es zuletzt dagegen rund zwei Drittel – dank der Windkraft und ehrgeizigerer Ausbauziele. 2021 wurden in Bayern laut Bundesverband Windenergie (BWE) nur acht neue Anlagen installiert, mit einer äußerst mickrigen Leistung. Ein BWE-Sprecher kritisiert: „Die Verweigerungshaltung der Staatsregierung bedroht die Chancen des Freistaats im wirtschaftlichen Wettbewerb.“
Auch Ludwig Hartmann, Chef der Landtags-Grünen, fürchtet um die heimische Wirtschaft. „Die Industrie geht verständlicherweise dahin, wo Energie auch morgen noch günstig verfügbar ist.“ Der Freistaat habe hier „gewaltigen Nachholbedarf“, wenn er ein attraktiver Standort bleiben wolle. Hinzu kommt: Selbst wenn Firmen nicht auf erneuerbare Energien drängen, hält sich die Begeisterung über die Rahmenbedingungen bei der Energieversorgung im Freistaat mitunter in Grenzen. „Der Mangel an Strom und der hohe Preis wird zum Problem“, sagt VBEW-Mann Fischer. Bayern sei bei der Stromversorgung und bei Ausfall russischer Lieferungen auch beim Gas schlechter aufgestellt als manche anderen Regionen. „Wir können den Kohlestrom mangels Möglichkeiten nun nicht einfach hochfahren.“ Im März hatten die energieintensiven Lech-Stahlwerke die Produktion für einige Tage stillgelegt – wegen zu hoher Strompreise.
Dabei bräuchte der Freistaat in den kommenden Jahren dringend mehr gut bezahlte Industriejobs. Allein durch die Umstellung der jobintensiveren Produktion von Verbrenner-Autos hin zu Elektrofahrzeugen werden bei BMW und Co wohl Tausende Jobs in Bayern wegfallen. VBEW-Mann Fischer warnt davor, zu glauben, man könne allein von Dienstleistungsbetrieben leben.
Immerhin: Diese Woche beschloss das Kabinett den Bayern-Plan, wonach der Freistaat bis zum Jahr 2040 klimaneutral werden soll. Der Plan sieht unter anderem die Aufweichung der 10H-Regel bei der Windkraft vor, außerdem weitere Solaranlagen. (Tobias Lill)
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