Politik

Deutsche Panzer im Einsatz, hier zur Bergung von Baumaschinen im Hochwasserfall. (Foto: dpa/Robert Michael)

14.03.2025

Panzer statt Autos

Bayerns Rüstungsbauer schaffen Tausende Jobs

Es ist noch gar nicht lange her, da rümpften manche die Nase, wenn es um die deutsche Rüstungsindustrie ging. Die Grünen demonstrierten an Ostern brav für den Frieden und ein adliger CSU-Verteidigungsminister schaffte kurzerhand die Wehrpflicht ab. Doch seit Russland die Ukraine angriff, ist vieles anders. Die Ampel-Regierung stockte den Verteidigungshaushalt 2022 mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro auf.

Manche Fonds, die im Sinne der Nachhaltigkeit Rüstungsaktien aus ihren Portfolios nahmen, dürften ihre Entscheidung nun bereuen. Seit Beginn des Ukraine-Krieges hat sich der Kurs des größten deutschen Rüstungsbauers Rheinmetall verdreizehnfacht. Neben dem deutschen Verteidigungsministerium ordern auch die Ukraine und westliche Verbündete eifrig Verteidigungssysteme made in Germany. Die Düsseldorfer erleben den größten Boom ihrer Geschichte. Dem Konzern liegen derzeit Anfragen und Bestellungen für Panzer und andere Waffensysteme im Wert von 55 Milliarden Euro vor. Das sind 17 Milliarden Euro mehr als im Vorjahr – ein neuer Rekord.

Die meisten Waffenproduzenten haben volle Auftragsbücher. „Wir befinden uns seit Langem auf einem Wachstumspfad“, sagt David Voskuhl, Vice President von Diehl Defence, der BSZ. Die Diehl-Konzern-Mutter hat ihren Sitz in Nürnberg, die Verteidigungssparte in Überlingen am Bodensee. Seit Längerem stellt das Unternehmen auch an mehreren bayerischen Standorten fleißig ein. Zuletzt zählte der Konzern etwa 4500 Mitarbeiter, erwirtschaftete über 1,8 Milliarden Euro an Jahresumsatz. Besonders gut verkauft sich das Flugabwehrraketen-System IRIS-T SLM, das auch von der Ukraine eingesetzt wird. Zusammengebaut wird die Wunderwaffe im mittelfränkischen Röthenbach an der Pegnitz. Dort soll zudem ein großer Neubau entstehen, in dem Diehl Batterien baut, die in Flugkörpern oder in Munition verwendet werden.

Auch bei KNDS stehen die Zeichen auf Expansion. Der bayerische Teil des deutsch-französischen Waffenbauers war früher als Krauss-Maffei Wegmann bekannt. Das Münchner Unternehmen zählte zuletzt knapp 10 000 Beschäftigte. Der Auftragsbestand von KNDS lag Ende 2023 bei 15,7 Milliarden Euro. Der Umsatz wuchs im Geschäftsjahr 2023 auf 3,3 Milliarden Euro. Die Geschäfte mit gepanzerten Fahrzeugen wie dem Leopard 2 oder dem Boxer laufen – ebenso die mit Munition und Haubitzen sowie Drohnen. KI-gesteuerte Drohnen sind längst kriegsentscheidend, wie sich in der Ukraine zeigt. „Wir brauchen wohl eher eine Million Drohnen als 2000 neue Panzer“, glaubt der Ökonom Moritz Schularick. Klar ist: KI-Waffentechnik und Drohnen sind nicht länger Domänen der Amerikaner und Israelis. Das Münchener Rüstungs-Start-up Helsing liefert Kampfdrohnen an die Ukraine, und auch etliche andere Firmen im Freistaat verstehen sich auf dieses Metier.

Genaue Zahlen, wie viele Menschen in der Rüstungsbranche arbeiten, gibt es nicht. 2022 sollen es einer Schätzung der Bundeswehr-Uni zufolge allein in Bayern bis zu 45 000 gewesen sein. Seither sind laut Branchenkennern mehrere Tausend weitere Jobs hinzugekommen.

Die Rüstungsindustrie kann rasch liefern, braucht aber präzise Vorgaben

Gemäß einer aktuellen Studie von EY und der Deka-Bank entfaltet jeder Euro, den die europäischen Nato-Staaten in Verteidigung investieren, eine doppelt so hohe wirtschaftliche Aktivität – etwa, weil die Beschäftigten mit ihrem Verdienst ein neues Auto kaufen. Allein die bislang von den Nato-Staaten geplanten Rüstungsausgaben sichern der Studie zufolge in Deutschland mehr als 137 000 Arbeitsplätze.

Rheinmetall rechnet mit einem Anhalten des Booms. „Die USA, und das ohne Vorwürfe, wird Europa zwingen, mehr zu investieren in die Sicherheit“, so Konzernchef Armin Papperger. Im politischen Berlin gibt es kaum noch jemanden, der sich angesichts der russischen Gefahr noch auf die unberechenbaren Amerikaner verlassen will. Union und SPD würden gerne sämtliche Verteidigungsausgaben, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen, von der Schuldenbremse ausnehmen. Grüne und FDP zeigen sich prinzipiell offen für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben im dreistelligen Milliardenbereich. Bis Redaktionsschluss stand eine Entscheidung des Bundestags zwar noch aus – doch klar ist: Es werden weitere Hunderte Milliarden Euro an die Bundeswehr fließen. Der frühere CSU-Verteidigungsexperte Johannes Hintersberger fordert, dass mit dem Geld möglichst europäische Waffensysteme gekauft werden. „Wir brauchen besonders Drohnen und ballistische Raketensysteme“, sagt er.

Doch kann die deutsche Rüstungsindustrie überhaupt so viele Verteidigungssysteme in kurzer Zeit produzieren? Ja, heißt es beim Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie. Man benötige allerdings klare Ansagen, von welchen Produkten man wann wie viele erwartet. Dann „wird sie auch liefern“, sagt ein Verbandssprecher. Derzeit biete das Freiwerden von Ressourcen im Automobil- und Zulieferbereich „große Chancen, Rüstungskapazitäten schnell hochzufahren“. Ganz nach dem Motto: Panzer statt Autos.
(Tobias Lill)

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