Politik

Krasse Männerdominanz: In Bayern ist gerade mal jede fünfte Professur mit einer Frau besetzt. (Foto: Peter Kneffel)

19.03.2021

Professorin werden – ein Hürdenlauf

An Bayerns Hochschulen geht es besonders langsam voran mit der Frauenförderung. Woran liegt das?

Der jungen Frau schien eine beachtliche Laufbahn zu winken: Promotion mit Auszeichnung, anschließend ein befristeter Vertrag an der Universität und erste Veröffentlichungen. Doch dann wurde sie schwanger. Und die Vorgesetzten, die ihr vorher durchaus gewogen waren, ließen sie plötzlich links liegen.

Viele solcher Geschichten hat Margit Weber in den vergangenen 14 Jahren gehört. So lange fungiert die Kirchenrechtlerin bereits als Frauenbeauftragte der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, inzwischen ist sie auch Sprecherin der Landeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an bayerischen Hochschulen (LaKoF Bayern). Vor allem Wissenschaftlerinnen, die während des beschwerlichen Weges zur Professur ein Kind bekommen, drohe ein Karriereknick, sagt sie. „Frauen, die schwanger werden, wird oft unterstellt, dass sie nicht mehr denken“, sagt Weber nüchtern.

Auch Laura Maria Schreiber, Frauenbeauftragte der Universität Würzburg, kennt die Unwägbarkeiten einer Hochschullaufbahn. Erst mit Anfang 40 habe sie ihre erste unbefristete Stelle bekommen, erinnert sie sich. Dabei hatte sie noch Glück. Schließlich besagen Studien, dass nur ein Drittel derjenigen, die nach der Promotion eine Professur anstreben, tatsächlich irgendwann den ersehnten Ruf erhalten. „Ein ziemlich brutales, absurdes System“ sei das, sagt Schreiber, in dem man mit vielen Abhängigkeiten zu kämpfen habe. Ein Problem gerade für Nachwuchswissenschaftlerinnen. Auch wegen der „homosozialen Kooptation“. Ihr zufolge fördern Vorgesetzte vor allem solche Menschen, die ihnen selbst ähnlich sind, etwa im Hinblick auf das Geschlecht. Angesichts der Männerdominanz in Führungsebenen kein Wunder, dass Frauen das Nachsehen haben. Dazu komme der „Jugendwahn“ in Hochschulen, sagt die Würzburger Frauenbeauftragte: „Es ist eine Auszeichnung, in möglichst jungen Jahren eine Professur zu erhalten.“ Also in einer Phase, in der Frauen, die sich auch um Familie und Kinder kümmerten, weniger wettbewerbsfähig seien.

Andere Länder sind weiter

Alles Gründe dafür, dass Professorinnen immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Vor allem in Bayern. In der jüngsten Gleichstellungsrangliste der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) aus dem Jahr 2018 rangiert der Freistaat auf dem letzten Platz, mit einem Frauenanteil von gerade einmal 20,5 Prozent auf Professorenebene. „Peinlich“, findet Margit Weber. „Da stimmt etwas im Gefüge nicht.“

Auch Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) räumt ein, dass die bayerischen Hochschulen und Universitäten hier Nachholbedarf hätten. „Die Erhöhung des Anteils von Frauen in der Wissenschaft und die Weiterentwicklung ihrer Karrierechancen geht mir noch zu langsam vorwärts“, sagte er kürzlich anlässlich des Weltfrauentags am 8. März.

Hier könnte die Politik aber durchaus steuernd eingreifen, mahnt Birgit Erbe, Geschäftsführerin der Frauenakademie München (FAM). Etwa durch entsprechende Rahmenbedingungen. Vor sechs Jahren arbeitete Erbe im Auftrag der Landtags-SPD an einem Gutachten zur Gleichstellung an bayerischen Hochschulen mit. Ihre Überzeugung: „In Bayern werden Steuerungsinstrumente, die der Staat hat, nicht so stark eingesetzt wie anderswo.“ Beispielsweise in Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, wo der Anteil der Professorinnen inzwischen viel höher sei.

Dass das bayerische Wissenschaftsministerium rund 3,6 Millionen Euro in ein Programm für Chancengleichheit in Forschung und Lehre investiert, beeindruckt die FAM-Geschäftsführerin wenig. Denn damit werden vor allem Stipendien gefördert. Wichtiger seien strukturelle Verbesserungen, betont Erbe. Etwa Quoten in Gremien. Oder mehr Transparenz in Sachen Personalentwicklung und Rekrutierung. Nicht zu vergessen familienfreundlichere Arbeitszeiten, ohne ausufernde Gremiumssitzungen bis spät in die Nacht. Auch Margit Weber fordert, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie endlich zentrales Thema werden müsse.

Selbst wenn Frauen endlich eine Leitungsposition erreicht hätten, drohten ihnen größere Gefahren als Männern, gibt Laura Maria Schreiber zu bedenken. „Wenn ich als Frau einem Mann eine klare Ansage mache, besteht das Risiko, dass er sich damit nicht wohlfühlt. Umgekehrt ist das weniger der Fall.“ In diesem Zusammenhang verweist sie auf mehrere spektakuläre Mobbingfälle, etwa an der ETH Zürich und an den Max-Planck-Instituten in Garching und Leipzig, wobei Professorinnen des Machtmissbrauchs beschuldigt wurden. „Es ist erstaunlich, wie viele Frauen über solche Dinge stolpern“, wundert sich Schreiber. Auch das müsse die Politik in den Fokus nehmen.

Margit Weber hat noch andere Vorschläge, um den Frauenanteil unter den Professoren zu erhöhen. In der geplanten Hochschulreform, die im Sommer verabschiedet werden soll, müsse der Einsatz für Chancengleichheit als Leitungsaufgabe formuliert werden, fordert sie – für alle Organe und Gremien. Das solle sich auch in der Hochschulleitung selbst widerspiegeln, indem man sie paritätisch besetze.

Und: Frauenbeauftragte müssten beratende Mitglieder der Hochschulleitungen werden. Die Chancen dafür stehen allerdings nicht allzu gut, denn mehrere bayerische Hochschulpräsidenten machten bereits ihren Widerstand dagegen deutlich. Ihr Argument: Eine solche Regelung störe die vertrauensvolle Zusammenarbeit. „Als ob wir gesetzesabtrünnige Hexen wären“, ärgert sich Weber. Dabei gehe es nicht um Kontrolle, sondern um ein Mitdenken – zum Wohl der Hochschulen. Denn von einem höheren Frauenanteil würden auch sie profitieren, betont die LMU-Frauenbeauftragte. Eines habe die Forschung schließlich längst erwiesen: Gemischtgeschlechtliche Teams arbeiten deutlich erfolgreicher.
(Brigitte Degelmann)

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