Die Hoffnungen waren groß: Mit der deutschlandweiten Einführung des Mediationsgesetzes 2012 sollte die Zahl außergerichtlicher Einigungen steigen. Denn wer Konflikte selbst löst, spart Zeit, Geld und Nerven – und den Gerichten viel Arbeit.
Elf Jahre später sieht die Sache eher mau aus. Zwar fehlen belastbare Zahlen. Aber eine Studie von 2017 dürfte, wie ein Sprecher des bayerischen Justizministeriums erklärt, noch immer Gültigkeit besitzen. Sie kam zu dem Schluss: In den ersten fünf Jahren nach Einführung des Gesetzes ist die Zahl der Mediationen gleich geblieben – und das auf niedrigem Niveau. „Von einer Erfolgsgeschichte kann man wirklich nicht sprechen“, bestätigt Viktor Müller von der Stiftung Mediation, deren repräsentative Umfrage ergab, dass nur 36 Prozent der Erwachsenen überhaupt wissen, was Mediation ist.
Das ist bedauerlich. Denn die Vorteile einer Mediation liegen auf der Hand. Idealerweise entsteht eine Win-win-Situation: Beide Seiten lösen ihren Konflikt selbstbestimmt, auf Augenhöhe und vertraulich. „In einer Mediation hat man die Chance, seine Lösung selbst zu gestalten – im Wissen um die juristischen Rechte und Pflichten“, erklärt Anke Beyer, Anwältin und Mediatorin aus München. „Gefragt wird in einer Mediation: Was möchte ich? Was ist fair? Was ist mir wichtig? Was ist machbar? Im Anschluss an den Verständigungsprozess über die jeweilige Interessenlage schnürt man ein gemeinsames Paket.“
Interne Mediationen wurden an Gerichten schon vor 2012 durchgeführt, um lange Prozesse zu vermeiden. Allerdings machen diese sogenannten Güterichterverfahren nur einen Bruchteil der Streitigkeiten aus, in denen Mediation hilfreich wäre. „Viele Konflikte sind nicht justiziabel, können aber durch Mediation gelöst werden“, so Viktor Müller. „Ziel von Mediation ist ja, sich gütlich zu einigen und gar nicht erst vor Gericht aufzutauchen.“
Mediation: Oft scheitert sie am Geld. Es gibt keine Mediationskostenhilfe
In fast allen Rechtsgebieten kann Mediation punkten. Sogar im Strafrecht, bei kleineren Delikten, etwa als Täter-Opfer-Ausgleich. Umgekehrt gilt allerdings: Wenn Konflikte eskalieren, sind sie vor Gericht besser aufgehoben. „Mediation eignet sich nicht für jeden Konflikt“, warnt der Rechtsanwalt und Mediator Jürgen Klowait aus Neuss.
Die entscheidende Frage, die in der Praxis immer noch zu selten gestellt werde, laute: Welches Verfahren eignet sich am besten zur Lösung des vorliegenden Konflikts? „Dies kann – jenseits von Gerichtsverfahren – die Mediation, aber auch ein anderes außergerichtliches Verfahren wie etwa die Schlichtung, die Adjudikation (im Baurecht, d. Red.) oder auch ein Schiedsgutachten sein.“
Nachgefragt wird Mediation vor allem bei Familienkonflikten wie Trennung oder Scheidung. „Eine Mediation ist beziehungsstützend“, sagt Anke Beyer. „Man geht anders miteinander um, wenn man gemeinsam verhandelt hat. Das trägt auch in die Zukunft.“
Interessant ist Mediation darum auch für Unternehmen, in denen die Konfliktparteien auf Dauer miteinander zurechtkommen müssen. Konflikte in geschäftlichen Beziehungen können ebenfalls dank Mediation gelöst werden. „Die Chancen der Wirtschaftsmediation werden immer noch nicht voll genutzt“, erklärt Jürgen Klowait.
Überall dort, wo es darum geht, die Geschäftsbeziehung trotz eines Konflikts nicht zu belasten und eine schnelle, nachhaltige und kostengünstige Lösung zu erreichen, so Klowait, sollten die Parteien – aber auch deren beratende Anwälte – die Durchführung einer Mediation ernsthaft in Erwägung ziehen.
Gründe dafür, dass die Mediation noch immer eher ein Schattendasein führt, gibt es viele. Da wären zum einen die Kosten: „Mediation wird von der Politik nicht genug gefördert“, so Anke Beyer. „Dass es keine Mediationskostenhilfe gibt, ist nicht zu verstehen!“ Zwischen 50 und 400 Euro verlangt ein Mediator oder eine Mediatorin pro Stunde.
Und nicht jeder Konflikt ist im Handumdrehen gelöst. Hinzu kommt: Der Beruf ist nicht geschützt. Mediator oder Mediatorin kann sich jeder nennen. Die Bundesverbände stellen zwar Qualitätssiegel aus, aber Viktor Müller ist das zu wenig.
„Es fehlt eine staatlich anerkannte, geprüfte Ausbildung.“ Die Stiftung fordert darüber hinaus, eine Mediatorenkammer einzurichten und eine Aufklärungskampagne zu starten. Das bayerische Justizministerium versucht nach eigenen Angaben, „einen Trend zu mehr Mediation herzustellen“, etwa durch die Bayerischen Mediationstage (19. Juni, IHK Campus) und das Kooperationsprojekt Wirtschaftsmediation.
Ohnehin könnte sich der Status der Mediation allmählich ändern. Wer heute ein Studium beginnt, hat oft schon in der Schule von verschiedenen Konfliktlösungsstrategien gehört, sagt Anke Beyer, die an der Ludwig-Maximilians-Universität München Jurastudierende in Mediation unterrichtet. Sie schlägt vor, Mediation verpflichtend in Ausbildung und Studium zu integrieren.
Und zwar nicht nur in Jura, Psychologie und Pädagogik. Auch Betriebswirtschaft, Architektur und technische Studiengänge könnten von dieser Zusatzqualifikation profitieren.
Ihr eigener Kurs findet einmal pro Semester an einem Freitag statt – durchaus ein Tag, an dem Studierende gern früh Schluss machen. Aber beim Thema Mediation bleiben sie, so Anke Beyers Erfahrung, am Ball. „Es gibt ein großes Interesse und viel Begeisterung.“ (Monika Goetsch)
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