Der frühere Bundespräsident Roman Herzog ist tot. Er starb im Alter von 82 Jahren. Herzog stand von 1994 bis 1999 an der Spitze der Bundesrepublik. Zuvor war der Jurist und CDU-Politiker Präsident des Bundesverfassungsgerichts.
Bundespräsident Joachim Gauck würdigte seinen Amtsvorgänger am Vormittag als "markante Persönlichkeit" mit "vorwärtsstrebendem Mut". Herzog habe "das Selbstverständnis Deutschlands und das Miteinander in unserer Gesellschaft geprägt und gestaltet", betonte er in einem Kondolenzschreiben an Herzogs Witwe, Alexandra Freifrau von Berlichingen.
Herzog hatte in seiner Amtszeit unermüdlich vor Reformmüdigkeit in Deutschland gewarnt. Er machte es sich zur Aufgabe, gegen Blockaden in Politik und Gesellschaft anzugehen. Besonders in Erinnerung blieb seine Rede von 1997 mit dem zentralen Satz: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen."
Herzog klagte 2008: "Das Volk bewegt sich nicht"
Herzog setzte sich auch kritisch mit den Bürgern und Politikern auseinander. "Das Volk bewegt sich nicht", sagte er im Frühjahr 2008 der "Bild"-Zeitung. Es gebe eine gewisse Bereitschaft zu Reformen, "aber es bräuchte politische Führung, echtes Charisma, um sie zu mobilisieren".
Seine politische Karriere in hohen Ämtern begann das CDU-Mitglied als Bildungs- und als Innenminister in Baden-Württemberg. Nach seinem Verzicht auf eine zweite Amtszeit als Bundespräsident saß er in verschiedenen Kommissionen, darunter der "Konvent für Deutschland", ein Expertengremium, das sich unter anderem mit den Themen Föderalismusreform und Finanzverfassung beschäftigte.
Gauck: Viel zur Verständigung zwischen Bürgern und Politik getan
Herzog lebte zuletzt auf der Götzenburg in Jagsthausen bei Heilbronn, wo seine zweite Frau zuhause ist. Christiane Herzog, die sich nicht nur während der Amtszeit ihres Mannes im sozialen Bereich engagierte, war im Juni 2000 gestorben.
Gauck schrieb, Herzog habe "Reformbereitschaft angemahnt" und zugleich "für die Bewahrung des Bewährten" gestanden. Er habe "viel zur Verständigung zwischen Bürgern und Politik" beigetragen und sich so "Respekt und große Sympathie bei ungezählten Menschen" erworben.
Der am 5. April 1934 in Landshut geborene Sohn eines Archivars hatte zunächst eine juristische Karriere eingeschlagen und sich bereits mit 30 Jahren habilitiert. Ein Jahr später wurde er Professor an der Freien Universität Berlin. 1970 trat er in die CDU ein. 1983 wurde Herzog zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts berufen und vertrat dort eine eher liberale Linie. 1987 rückte er an die Spitze des obersten Gerichts auf. (
dpa)
Roman Herzog: "Durch Deutschland muss ein Ruck gehen"
Roman Herzog war ein Mann mahnender und auch markiger Worte. Einige Zitate aus seinem politischen Leben:
ÜBER DEUTSCHLAND:
"Durch Deutschland muss ein Ruck gehen. (...) Alle sind angesprochen, alle müssen Opfer bringen, alle müssen mitmachen."
(Berliner Rede am 26. April 1997)
"Die ganze Gesellschaft leidet bei uns an eingeschlafenen Füßen, die allerdings bis ans Hirn führen."
(Oktober 2004 bei der Verleihung des Leibniz-Rings in Hannover)
"Das Volk bewegt sich nicht."
(15. April 2008 im Interview mit der "Bild"-Zeitung)
"Wir brauchen nicht alles Bewährte über Bord zu werfen. Aber Erneuerung tut Not, schon um das Bewährte für die Zukunft zu sichern."
(April 1996, Rede über Stiftungsarbeit)
"Frei können wir nur gemeinsam sein. Freiheit funktioniert nicht, wenn der Einzelne immer nur Rechte für sich in Anspruch nimmt und immer mehr Verantwortung den anderen aufbürdet."
(24. Mai 1999 in Berlin beim Staatsakt zum 50-jährigen Jubiläum der Bundesrepublik)
ÜBER POLITIK:
"90 Prozent tragen Bedenken, 10 Prozent Verantwortung."
(1994 beim Freundschaftsbesuch in Ungarn über Wissenschaftler und Politiker)
"Wir brauchen eine Außenpolitik ohne Zähnefletschen und Tschingdarassabum, aber auch ohne Verkrampfungen."
(März 1995 in Bonn zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr)
"Ich jedenfalls kann unser Steuersystem nicht mehr verstehen, obwohl ich mich zehn Jahre mit Steuern in Karlsruhe (als Bundesverfassungsrichter) befasst habe."
(August 1994 im Interview mit der "Bild am Sonntag")
ÜBER DAS BUNDESPRÄSIDENTENAMT:
"Immer freuen sich alle, wenn man kommt. Das ist das Schöne am Amt des Bundespräsidenten: Man muss nie jemandem wehtun."
(28. August 1997 bei einem Besuch in Rüsselsheim)
"Das Fragenstellen ist das schärfste Schwert, das der Bundespräsident hat. Denn Fragen kann man nicht verbieten."
(11. Dezember 1996 in Hamburg vor Offizieren der Führungsakademie der Bundeswehr)
"Im Grunde war der Reichspräsident der Weimarer Republik ein vom Volk gewählter Kaiser. Dafür eigne ich mich nicht. Ich heiße auch nur Herzog."
(Februar 1995 auf die Anregung eines Anrufers in einer Fragestunde, der Bundespräsident solle mehr Macht haben)
"Es müssen nicht alle die gleichen Dummheiten machen."
(April 1997 über eine zweite Amtszeit)
"Das, was im Amt möglich ist, habe ich bis zur Grenze ausgeschöpft. Dabei ist mir die große Mehrheit der Bürger gefolgt."
(Kurz vor Ende der Amtszeit 1999)
"Sie tun so, als wenn ich jetzt sterben müsste, aber ich freue mich auf die Zeit danach."
(22. Mai 1999 am Vortag der Wahl seines Nachfolgers Johannes Rau)
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