Politik

Bayerische Unternehmen spielen eine tragende Rolle bei der Ausstattung der Bundeswehr. (Foto: dpa/Thomas Warnack)

26.01.2024

Rüstungsbetriebe mit Sorgen

Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs stellt sich die Frage nach der deutschen Verteidigungsfähigkeit

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sieht eine potenzielle Bedrohung durch Russland und fordert, die Bundeswehr müsse „kriegstüchtig“ werden. Das sieht auch Bayerns stellvertretender Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) so.

„Der Krieg vor unserer Haustüre in der Ukraine hat die Situation in Europa grundlegend verändert. Deutschland hat seine Verteidigungsfähigkeit in den letzten Jahren massiv eingebüßt und die Verteidigungsindustrie diskriminiert anstatt unterstützt“, sagt er der Staatszeitung. So sind beispielsweise Bankkredite für Rüstungsgüter schlecht bewertet, auch seitens der EU. „Waffenexporte wurden so stark eingeschränkt, dass am Ende ausländische Hersteller das Geschäft gemacht haben“, kritisiert der Minister. Gerade bayerische Unternehmen spielen eine tragende Rolle bei der Ausstattung der Bundeswehr und könnten einen höheren Beitrag für die Landesverteidigung leisten, betont Aiwanger.

70 Unternehmen in Bayern

Doch wie sieht es aktuell in Bayerns Rüstungsbranche aus? Geschätzt rund ein Drittel der deutschen wehrtechnischen Industrie ist laut Wirtschaftsministerium in Bayern angesiedelt. Rund 70 Unternehmen sind direkt oder indirekt, also zum Beispiel als Zulieferer, im Bereich Wehrtechnik tätig. Neben einigen Großunternehmen sind es zumeist mittelständische Firmen aus verschiedenen Branchen. Der Freistaat zählt damit zu den führenden Wehrtechnikstandorten in Deutschland.

Der Schwerpunkt liegt laut Wirtschaftsministerium in den Bereichen Luftfahrt, schwere Waffensysteme und Fahrzeugbau. Zu den bekanntesten Herstellern der Branche zählen Airbus (Defence and Space, MBDA und Airbus Helicopters), Diehl Stiftung & Co. KG, Krauss-Maffei Wegmann, Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH (RMMV) und Renk. Bayern ist auch stark bei den Zulieferbetrieben, wie etwa Rohde & Schwarz GmbH & Co. KG, Hensoldt oder MTU Aero Engines. Geliefert werden vor allem Motoren, Getriebe, Flugzeugteile, Waffenelektronik, Avionik und Navigationssysteme.

Kapazitätserweiterungen sind nötig

Weil es keine statistische Kategorie „Wehrtechnikbereich“ gibt, sind konkrete Angaben über Umsatzentwicklung und Beschäftigte nur nach Branchen verfügbar, also zum Beispiel in der Luft- und Raumfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau, der Elektro- oder Fahrzeugindustrie. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) schätzt den Umsatz der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in Bayern auf rund 4 Milliarden Euro pro Jahr. Diesen Umsatz erwirtschaften etwa 45.000 Beschäftigte.

Angesichts der Bedrohungslage durch Russland sind Kapazitätserweiterungen nötig. Darin sind sich das bayerische Wirtschaftsministerium und der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) einig. Die Entwicklung der Produktionskapazitäten in der Industrie folgt militärischen Planungen und Beschaffungsvorhaben.

So steigt MBDA Deutschland nach einem Großauftrag der Nato in die Fertigung von Lenkflugkörpern für das Flugabwehrsystem Patriot ein. Der Auftrag im Gesamtwert von 5,1 Milliarden Euro führt zum Aufbau einer Produktionslinie und der dazugehörigen Erweiterung der bestehenden Infrastruktur am Standort von MBDA im oberbayerischen Schrobenhausen.

Verlässliche Rahmenbedingungen gefordert

Damit die bayerischen Rüstungsunternehmen im Sinne von Bundesverteidigungsminister Pistorius „kriegstüchtig“ gemacht werden können, benötigen sie aber verlässliche Rahmenbedingungen. Die fordert jedenfalls BDSV-Hauptgeschäftsführer Hans Christoph Atzpodien. Ihm zufolge spricht derzeit nicht viel dafür, dass die ohnehin in diversen Verteilungskonflikten festgefahrene Ampel-Koalition in Kürze die notwendigen Entscheidungen für die Erhöhung des Haushalts des Bundesverteidigungsministeriums trifft.

Dabei ist gerade die Beschaffungspraxis von wehrtechnischem Gerät durch den Bund noch verbesserungsfähig. Und das, obwohl nach Jahren der Probleme Bundesverteidigungsminister Pistorius bereits für Abhilfe gesorgt hat. Er ist seit Langem der erste Verteidigungsminister, der direkt mit der Rüstungsindustrie spricht. Seine Vorgänger*innen überließen das gerne der Beamtenschaft. Auf diese Weise konnte Pistorius durchsetzen, dass vor allem lieferbares Material eingekauft wird, um Beschaffungen zu beschleunigen. In der letzten Zeit verzögerten und verteuerten sich die Beschaffungen wegen diverser Sonderwünsche eben jener Beamter.

Aber auch der Waffenexport braucht vorhersehbare Kriterien, am besten eine Harmonisierung der europäischen Rüstungsexportbestimmungen. „Es handelt sich um normale Unternehmen mit einem Spezialprodukt für unsere gemeinsame Sicherheit. Man kann sie nicht im Rahmen der Sozialtaxonomie auf europäischer Ebene von Finanzierungsmöglichkeiten abschneiden“, sagt ein Sprecher des bayerischen Wirtschaftsministeriums. Gefordert ist also ein Signal an die Finanzmärkte zur freiheitssichernden Rolle der hiesigen Rüstungsunternehmen. (Ralph Schweinfurth)

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