Politik

Rekruten beim Gelöbnis. (Foto: dpa/Michael Matthey)

17.04.2025

Schlechte Aussichten für die Truppe

Die Wehrdienstreform könnte an der Realität scheitern: Offen ist, wo die Soldaten, die es noch gar nicht gibt, untergebracht werden

Zu alt, zu klein, zu schlecht ausgerüstet: Die Bundeswehr ist in keinem guten Zustand. Die künftige schwarz-rote Bundesregierung will die Truppe angesichts der Weltlage schnell zu einer schlagkräftigeren Einheit umbauen. Dafür setzt sie vor allem auf deutlich mehr Nachwuchskräfte – die allerdings freiwillig kommen sollen. Zur Pflicht wird nur das Ausfüllen eines Erfassungsbogens mit Angaben zur Fitness und zur Bereitschaft, Wehrdienst zu leisten. Und auch das gilt nur für Männer ab 18 Jahren. Skepsis ist angebracht, ob das für einen großen Zuwachs reicht. Die andere Frage ist: Könnten Zigtausende Neuzugänge überhaupt auf die Schnelle untergebracht werden?

Beim von Boris Pistorius (SPD) kommissarisch geleiteten Bundesverteidigungsministerium ist man optimistisch: 5000 junge Männer und Frauen könnte man noch in diesem Jahr integrieren, heißt es. Zusätzlich zu den rund 10.000, die gerade ohnehin freiwillig Wehrdienst leisten. Allmählich solle dann die Zahl gesteigert werden.

Ein größer dimensionierter Zuwachs sofort wäre schon rein praktisch nicht möglich. Es fehlt an Quartieren, Ausbildungskräften und Ausrüstung. Zu groß war der Aderlass nach mehreren Bundeswehrreformen. 2011 wurde die Wehrpflicht für Männer ausgesetzt, gleichzeitig wurden mit dem Abbau von Personal und der Stilllegung von Kasernen weitere Fakten geschaffen.
Die neue Bundesregierung will zwar viele zusätzliche Milliarden Euro in die Infrastruktur der Bundeswehr stecken und gleichzeitig das Baurecht vereinfachen sowie die Beschaffung von neuem Material erleichtern. Doch bis dieses Umlenken bei der Bundeswehr ankommt, wird es dauern.

Container als provisorische Unterkünfte

Laut Josef Rauch, Landesvorsitzender des Bundeswehrverbands für Süddeutschland, könnte man mit einem Vorlauf von einem halben Jahr die Zahl neuer Rekruten theoretisch auf rund 20.000 erhöhen. Dafür müsste man Container als provisorische Unterkünfte besorgen, Ausbildungspersonal aus Einheiten abziehen und zügig neues Material bestellen.

Doch das kann aus Militärsicht nur der Anfang sein: Laut Fachleuten bräuchte die Bundeswehr angesichts der veränderten Weltlage baldmöglichst rund 460.000 Kräfte. Momentan gibt es laut Verteidigungsministerium aber bundesweit nur 182 667 Soldatinnen und Soldaten. Hinzu kommen rund 49 200 Reservistinnen und Reservisten, die nach dem Ende ihrer Militärzeit als potenzielle Verstärkung dienen. Problematisch ist auch das Durchschnittsalter der Truppe von 34 Jahren. Die Armeen umliegender europäischer Länder sind im Schnitt drei bis vier Jahre jünger.

„Wir brauchen vor allem junge Männer“, sagt Josef Rauch vom Bundeswehrverband. Doch die Zahl der neuen Rekruten ist seit Jahren in etwa gleich. Ob daran das Verschicken eines Fragebogens etwas ändert? Und welche Konsequenzen gibt es, wenn der Erfassungsbogen nicht ausgefüllt wird? Auch das ist noch unklar. Das Modell sieht vor, nach dem Ausfüllen geeignete Kandidaten zur Musterung einzuladen. Für den Fall, dass nicht genügend erscheinen, wird zwar im Koalitionsvertrag ein Zwang angedeutet. Doch sollte es so weit kommen, drohte eine Klagewelle junger Männer, schätzt Josef Rauch. Schließlich seien Frauen bei dem sogenannten neuen Wehrdienst komplett außen vor. Mit einer allgemeinen Dienstpflicht auch für Frauen hätte man das umgehen können.

Rückkehr zur Wehrpflicht gefordert

Auch Politiker wie der CSU-Verteidigungsexperte Florian Hahn sowie Teile der SPD hatten vor den Koalitionsverhandlungen die Rückkehr zu einer Wehrpflicht gefordert. Doch sie konnten sich nicht durchsetzen.

Zufrieden zeigt sich dagegen der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Landesgruppe im Bundestag, Christoph Schmid. „Aus vielen Umfragen wissen wir, dass ein großes Potenzial an freiwillig Wehrdienstleistenden besteht, wenn die Rahmenbedingungen dafür passen“, sagt er der Staatszeitung. Statt viel Geld für die Wehrpflicht auszugeben, solle man besser in die investieren, die mitmachen wollen. Denkbar wären ein Bonus bei Studiengängen mit Numerus clausus, ein Rentenbonus oder sonstige Vergünstigungen.

Es wird sich zeigen, wie attraktiv die Angebote sind. Denn anders als noch vor 15 bis 20 Jahren drohen nun wirklich Kriegseinsätze. Ob man junge Männer dafür mit einem Rentenbonus gewinnen kann, steht dahin.
(Thorsten Stark)

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