Sie können Leben retten und zur tödlichen Waffe werden. Sie schauen in Schlafzimmer, und sie spüren Steuersünder auf. Oft sind sie unsichtbar, immer öfter gefährden sie Verkehrsflugzeuge. Drohnen beflügeln die Fantasie und lösen Ängste aus. Die Politik will den Umgang mit den „unbemannten Luftfahrtsystemen“ jetzt genauer regeln. Höchste Zeit, finden Fachleute.
„Die Ermittlungen laufen weiter“, sagt die Polizei zu einem spektakulären Fall bei Augsburg. Anfang August hatte ein Lufthansa-Pilot eine etwa 50 Zentimeter große Drohne gesichtet – beim Landeanflug auf München, in 1700 Metern Höhe. Die Flügelspitze des Airbus 321 verfehlte den Quadrokopter (vier waagrechte Rotoren bewegen die ferngesteuerte Drohne) um wenige Meter. „Das ist sehr gefährlich“, sagt Axel Raab von der Deutschen Flugsicherung (DFS). Eine Kollision hätte einen Triebwerksbrand auslösen können.
Die Ermittlungen laufen weiter – heißt: Der Drohnen-Pilot ist unbekannt. Mehr als 400 000 Drohnen sind in Deutschland verkauft worden. Solange sie weniger als 5 Kilo wiegen, „in Sichtweite betrieben werden“, nicht höher als 100 Meter aufsteigen und ausschließlich privat genutzt werden, kann sie jedermann genehmigungsfrei bewegen. Es gibt keine Registrierungspflicht und keinen Drohnen-Führerschein, eine Haftpflichtversicherung wird lediglich empfohlen.
Die Freundin ausspionieren? Ist verboten, eigentlich
Sperrzonen sind laut geltendem Recht der Umkreis von internationalen Flughäfen (1,5 Kilometer). Verboten ist der Überflug von Unglücksorten, von Menschenansammlungen und Katastrophengebieten.
Fälle wie die Beinahe-Kollision bei Augsburg alarmieren die Politik. 2015 meldeten Verkehrs-Piloten 14 gefährliche Begegnungen im deutschen Luftraum, 2016 waren es schon 20. Nach der Sommerpause will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Gesetze verschärfen: „Ich werde die Nutzung von Drohnen neu regeln“, sagt Dobrindt der Staatszeitung: „Drohnen sollen gekennzeichnet werden, um den Eigentümer identifizieren zu können.“ Auch Drohnen-Flüge in Wohngebieten, über Bundesfernstraßen, Eisenbahnlinien, Einsatzgebieten der Polizei oder Industrieanlagen will Dobrindt verbieten. Das klingt entschlossen. Aber wird es dem Problem gerecht?
In einem großen Münchner Elektronik-Fachgeschäft erklärt der Verkäufer den „fliegenden Computer“ für 1500 Euro. Das Spitzenmodell erfordert keinerlei Flugerfahrung. Die Drohne startet und landet, GPS-gesteuert, selbsttätig. Sie erkennt Hindernisse, fliegt bis zu 72 Stundenkilometer schnell. Bis zu einem Pfund „Nutzlast“ lässt sich transportieren.
Auch Kriminelle haben die Vorzüge der Drohnen längst erkannt
Die Drohnen-Kamera überträgt das Luftbild live und in doppelter HD-Qualität auf Tablet oder Smartphone an der Fernbedienung. Per App erkennt und verfolgt die Drohne bewegliche Ziele: den Hund beim Gassi-Gehen, den Piloten beim eigenen Snowboard-Ritt – oder die Ex-Freundin. Das ist verboten („Mit Hilfe des unbemannten Luftfahrtsystems darf nicht in den Bereich der privaten Lebensgestaltung Dritter eingedrungen werden“, heißt es in einer Info-Broschüre aus dem Hause Dobrindt), der Verstoß gilt aber nur als Ordnungswidrigkeit.
Die fliegenden Augen lösen Unwohlsein aus. Beim Polizeipräsidium München zählt man „rund 100 Einsätze“ pro Jahr wegen „verdächtiger“ Drohnen. In Großbritannien nahmen die Anzeigen wegen ungeklärter Drohnen-Flüge binnen Jahresfrist um 382 Prozent zu. Dabei geht es um indiskrete Blicke und um ernsthafte Anschuldigungen. Einmal fühlte sich ein Bankkunde beobachtet, über dem Geldautomaten schwebte eine Drohne. Drei Fälle drehten sich um ausgespähte Kleinkinder, die Polizei untersuchte Pädophilie-Verdachtsmomente – ohne konkretes Ergebnis.
Wirtschaft und Staat erkennen die Chancen der Drohnen, Kriminelle auch. Von Januar bis März 2016 setzte ein Paketdienstleister per Pilotversuch Drohnen als Zusteller für Packstationen auf der Winklmoosalm ein. Steuerfahnder in Spanien nutzen Drohnen – erfolgreich – zum Aufspüren von Schwarzbauten. Drohnen können Medikamente auf Nordsee-Inseln fliegen, sie fliegen auch Drogen und Waffen in Knäste. In falschen Händen können Drohnen jede Menge Schaden anrichten.
Ist der Dobrindt-Vorstoß ausreichend? Beim bayerischen Verkehrsministerium will man den konkreten Regelungsvorschlag abwarten und verweist kühl darauf, dass Dobrindt schon im November 2015 eine Neuregelung angekündigt habe. Jetzt soll sie kommen, ein knappes Jahr später.
Axel Raab von der deutschen Flugsicherung (DFS) fordert einen Drohnen-Führerschein und verpflichtend einen Transponder, der die Fluggeräte auch für Radar sichtbar macht. Bisher fliegen 400 000 unbemannte Flugobjekte zwar womöglich so hoch wie Airbusse im Landeanflug, aber unter jedem Radar. (Matthias Maus)
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