Politik

CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer (links) hält CSU-Chef Horst Seehofers Vorwürfe für falsch. (Foto: dpa)

14.03.2017

Seehofer attackiert CSU-Fraktion

Zum ungelösten Streit mit Ministerpräsident Seehofer um die Zukunft des Abiturs droht nun bei der Frage des Kommunalwahlrechts gar die Eskalation im Machtkampf.

Wenn ein eigentlich dröges Thema wie die Reform des Wahlrechts einen offen Machtkampf in der CSU zutage bringt, liegt hinter den Kulissen wohl schon lange viel mehr im Argen. Der Streit um die Auszählform bei Kommunalwahlen zeigt aber noch mehr: Das Verhältnis zwischen der CSU-Herzkammer, wie sich die 101-köpfige Landtagsfraktion selbst nennt, und der von ihr getragenen Staatsregierung um Ministerpräsident Horst Seehofer ist schlecht wie lange nicht. Vorläufiger Höhepunkt ist am Dienstag im Landtag ein hörbar verärgerter CSU-Chef, der seinen eigenen Leuten eine verantwortungslose Politik nur zum eigenen Vorteil vorwirft - eine Arroganz der Macht, wenn man so will.

Seehofers Kritik geht sogar noch weiter. Die von der Fraktion vorangebrachte und von ihm abgelehnte Reform des Wahlrechts, konkret die Abkehr von dem 2010 beschlossenen Auszählungsverfahren, gefährde den Erfolg der gesamten Union im Superwahljahr 2017. Denn anders als die Fraktion wisse er genau, welche Folgen ein solches Handeln für die CSU hätte: "Wir würden massiv Vertrauen entzogen bekommen. Wir sind in den letzten Monaten vor der Bundestagswahl, wer dafür die Verantwortung übernehmen will, soll sie übernehmen. Ich tue es jedenfalls nicht."

Um diese Kritik zu verstehen, muss man wissen, dass der Antrag der CSU-Fraktion das Ziel hat, dass künftig nicht mehr nach dem heute fast überall gängigen Hare-Niemeyer-Verfahren ausgezählt wird, sondern nach dem sogenannten d'Hondt'schen Höchstzahlverfahren. Dadurch würden künftig Aufrundungen bei der Sitzvergabe zugunsten der kleinen Parteien entfallen. Es gilt als überholt und wird heute fast nirgendwo in Deutschland mehr angewandt: nach einer Übersicht der Experten von wahlrecht.de nur noch im Saarland und in Sachsen.

Seehofer: Die CSU-Landtagsfraktion gefährdet den Erfolg der CSU bei der Bundestagswahl

Für Fraktionschef Thomas Kreuzer erklärt sich der aktuelle Bedarf aber in der Arbeitsfähigkeit der Kommunalparlamente. Ohne eine Reform drohten dort nach der Kommunalwahl 2020 zahllose Splitterparteien Sitze zu erhalten. "Aus meiner Sicht spricht das stark für eine Reform", sagt er. Zudem sei der Vorwurf Seehofers falsch, dass nur die CSU davon profitiere, vielmehr gelte dies auch für andere Parteien, etwa SPD und Freie Wähler. Um den Streit zu deeskalieren, werde es aber nach der Einbringung in den Innenausschuss wohl erst noch eine Anhörung geben, bei der auch mit Seehofer gesprochen werde.

Seehofer selbst hat an diesem Tag weniger versöhnliche Töne parat: Die CSU-Landtagsfraktion gefährde damit den Erfolg der CSU bei der Bundestagswahl dermaßen, dass ihn dies nervöser mache als etwa das Umfragehoch der SPD um deren Kanzlerkandidat Martin Schulz: "Weil wir zu viele Themen der Kontroverse haben. Das geht von G8/G9 über Nationalparks, Riedberger Horn bis zum Punkt jetzt", schimpft er.

Bei den Befürwortern in der CSU-Fraktion stößt Seehofers Poltern auf Unverständnis und Schulterzucken, viele, darunter auch Kreuzer, erklären, dass Seehofer im vergangenen Sommer den nun torpedierten Beschluss sogar selbst mitgetragen habe. Außerdem gehe das ganze Vorgehen auf Parteitagsbeschlüsse von 2013 und 2015 zurück, in dem die Fraktion aufgefordert worden sei, das Wahlrecht zu überprüfen. "In der Fraktion gibt es aufgrund der inhaltlichen Argumente eine überwiegende Mehrheit, die dafür ist", sagt Hans Reichhart, Landtagsabgeordneter und Chef der Jungen Union Bayern.

Keine leichte Situation für die Fraktion, die ansonsten so gerne applaudiert, wenn Seehofer über seinen "Dickschädel" spricht, weil er sich gegen Mehrheiten durchsetzen konnte. Diesmal könnte dieser Schuss für die Fraktion aber nach hinten losgehen, denn Seehofer spielt mit hohem Einsatz: "Das ist ein Versprechen von mir, ein Politikstil von mir", sagt er und meint damit den Umgang mit kleinen Parteien. Die Diskussion sei für ihn damit auch erst einmal beendet: "Wir sind kein Kindergarten." Denkbar sei für ihn aber sehr wohl, dass das Gesetz am Ende sogar gegen die Staatsregierung von der Fraktion beschlossen werde. Ein parlamentarisches Novum - wohl nicht nur in Bayern. (Marco Hadem, dpa)

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