Überall in Bayern gibt es inzwischen Gruppen von Menschen, die an Long oder Post Covid leiden. „Allein wir in Ostbayern haben vier Gruppen mit rund 200 Betroffenen“, sagt Birgit Birner aus Hirschau. Diese Gruppen wollen sich auf ihre Initiative hin am 12. Dezember vereinigen. Ziel ist es, bei einer Online-Konferenz der Selbsthilfekoordination Bayern (seko) ein „Netzwerk Long/Post Covid“ für den gesamten Freistaat zu gründen. Das soll einen Beitrag dazu leisten, die Situation der Betroffenen zu verbessern.
Birgit Birner erkrankte, kurz nachdem der Corona-Spuk begonnen hatte, und zwar im April 2020. Sie erkrankte schwer: „Ich bekam eine Lungenentzündung.“ Im Juli 2020 kam sie auf Reha: „Mit der naiven Idee, dass ich gesund nach Hause kehren würde.“ Wobei ihr der Psychologe auf der Reha bereits gesagt hatte: „Daraus wird wohl nichts.“
Bis heute leidet Birgit Birner unter Reizhusten: „Ich kann nicht mehr länger reden.“ Auch Müdigkeit macht ihr zu schaffen. Durch Rehasport, Atem- und Physiotherapie geht es ihr inzwischen ein wenig besser. In ihrem alten Job als Schulungsreferentin kann sie jedoch nicht mehr arbeiten. Dazu fehlt ihr nicht zuletzt die Konzentrationsfähigkeit.
Birgit Birners Firma wollte sich nicht von ihr als Mitarbeiterin trennen. Man suchte nach einem neuen Arbeitsplatz. Viele Betroffene haben dieses Glück nicht. Post Covid machte sie berufsunfähig.
Einige der rund 200 Menschen, die Birgit Birner durch die Selbsthilfe-Szene in Ostbayern kennt, sind überhaupt viel schwerer betroffen als sie. Zum Glück, sagt die 47-Jährige, gibt es inzwischen gute Ambulanzen für Menschen mit Post Covid. Andere Schwierigkeiten hingegen harren noch einer Lösung: „Eine große Herausforderung stellt die Anerkennung als Schwerbehinderung dar.“ Unter anderem diese Problematik soll mit dem neuen Netzwerk angegangen werden.
Sechs Tage lang im Koma
Auch Claudia Oberneder von der Selbsthilfegruppe Post Covid Niederbayern/München wünscht sich ein bayernweites Netzwerk für Mensch mit Langzeitfolgen nach einer Corona-Infektion. Die 54-jährige Landshuterin erkrankte im März 2020 schwer an Covid-19: „Ich musste ins Krankenhaus und lag sechs Tage im Koma.“ Die von ihr gegründete Selbsthilfegruppe trifft sich seit zwei Jahren online. Rund 30 Betroffene gehören ihr an. Eine Handvoll Personen trifft sich zusätzlich regelmäßig in Präsenz. Auch Claudia Oberneders Arbeitgeber versäumte nicht, den Arbeitsplatz so umzugestalten, dass ihr eine weitere berufliche Tätigkeit möglich ist: „Ich arbeite inzwischen viel von zu Hause aus.“
Anders als etliche ihrer Leidensgenoss*innen hat Claudia Oberneder mit dem Gedächtnis keine allzu großen Probleme. Allerdings ist sie muskulär und nervlich stark belastet: „Meine Füße schlafen oft ein, es kribbelt und zuckt.“ Bergauf zu gehen sei eine Qual. Dennoch kommt sie inzwischen einigermaßen zurecht: „Andere aus unserer Gruppe haben keine Ahnung, wie es für sie weitergehen soll.“
Ein Gruppenmitglied habe im Übrigen nicht Post Covid, sondern einen Impfschaden, sagt Oberneder. Diese Menschen, die sich inzwischen ebenfalls an mehreren Orten in Bayern zusammengetan haben, sind oft nicht nur schwer krank, sondern zunehmend auch wütend auf die Art und Weise, wie die Bevölkerung zur Impfung gedrängt wurde. Die Risiken, sagen sie, wurden heruntergespielt.
Das denkt inzwischen auch Klaus Breymaier, Gründer der Selbsthilfegruppe zu Corona-Impfnebenwirkungen für den gesamten Alb-Donau-Kreis und den Kreis Biberach. Nach der zweiten Corona-Impfung bekam der 55-Jährige eine schwere Lungenembolie: „Ich war dem Tod näher als dem Leben.“ Autoimmunerkrankungen wie Colitis ulcerosa oder MS, akutes Herzversagen, kardiale ventrikuläre Thrombose, kardiogener Schock oder kardiorespiratorischer Stillstand – all dies könne durch eine Corona-Impfung ausgelöst werden. Die „Kumulative Analyse der Berichte über Nebenwirkungen nach der Zulassung von PF-07302048 (BNT162B2), die bis zum 28. Februar 2021 eingegangen sind“, ist lang.
Wie habe er nur glauben können, dass ein in so kurzer Zeit entwickelter Impfstoff sicher wäre? Das fragt sich Klaus Breymaier heute. Er wäre 2020 nie auf die Idee gekommen, für eine andere Corona-Politik zu demonstrieren. Als Rotkreuzler war es für ihn selbstverständlich, sich impfen zu lassen. Doch dem Kfz-Mechaniker ist es nicht einmal mehr annähernd möglich, ein Leben wie vor der Impfung zu führen. Bergauf sind im besten Fall noch 200 Meter drin. Und nur mit Rollator. Eine einzige Aktivität am Tag ist möglich: „Zum Beispiel ein Arztbesuch.“ Mehr gehe einfach nicht. Das Schlimmste sei, dass man als Mensch mit schwerer Impfreaktion völlig alleingelassen werde. Ducke sich doch die Politik bei diesem heiklen Thema immer noch weitgehend weg. (Pat Christ)
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