Politik

Markus Söder kündigt bei seiner Regierungserklärung eine neue Corona-Warnstufe an. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

21.10.2020

Söder fordert harten Anti-Corona-Kampf

Die Corona-Zahlen steigen teils in ungeahnte Höhen. In Bayern wird eine "dunkelrote" Warnstufe eingezogen. Markus Söder richtet einen eindringlichen Appell an die Menschen - und warnt vor neuen Lockdowns

I einem eindringlichen Appell hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das ganze Land zum gemeinsamen Kampf gegen die ungebremst steigenden Corona-Zahlen aufgerufen. Wenn man neue regionale oder landesweite Lockdowns verhindern wolle, müsse man schnell und konsequent handeln, sagte Söder am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag in München. Für Bayern zog er eine neue "dunkelrote" Warnstufe für Regionen mit extremen Corona-Zahlen ein, dort sollen Veranstaltungen auf 50 Personen begrenzt werden und eine Sperrstunde ab 21.00 Uhr gelten. Für Berufspendler aus ausländischen Hotspots will Bayern eine Testpflicht einführen.

"Corona ist wieder voll zurück, die zweite Welle ist da, sie rollt über ganz Europa", sagte der CSU-Chef. Er wiederholte seine Warnung, man sei einem zweiten Lockdown näher als viele glaubten, zumindest einem Teil-Lockdown. "Der Lockdown ist nicht gewollt - aber er kann die Ultima Ratio sein", sagte Söder mit Blick auf den Landkreis Berchtesgadener Land. Wegen eines Rekordwerts an Neuinfektionen gelten dort nun für zwei Wochen weitgehende Ausgangsbeschränkungen.

Er wolle keinen Alarmismus keine Endzeitstimmung, aber auch keinen naiven Optimismus. "Es gibt ein Morgen nach Corona", betonte Söder. Doch bis dahin müsse man zusammenhalten. "Es ist jetzt die Zeit, dass jeder sein Bestes gibt, um das Beste für uns alle zu erreichen." Die Maske etwa sei ein Mittel des Schutzes, nicht der Drangsalierung.

Sperrstunde ab 21 Uhr

Eine dunkelrote Warnstufe und neue Beschränkungen kündigte Söder für Regionen an, in denen die Zahl von 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen überschritten wird. Veranstaltungen aller Art dürfen dort nur noch mit 50 Personen stattfinden. Dazu zählen Kulturveranstaltungen aller Art, etwa Theater und Kinos, aber auch Vereinsversammlungen. Bislang gilt in Bayern eine Beschränkung auf 100 Zuschauer in Innenräumen und 200 im Freien, bei zugewiesenen und gekennzeichneten Sitzplätzen ist es sogar jeweils das Doppelte. Ausnahmen von der neuen Begrenzung, die schon von diesen Donnerstag an gelten soll, gibt es etwa für Gottesdienste und Demonstrationen. Aktuell betroffen sind davon acht Landkreise und kreisfreie Städte.

Die bisherige bayerische Corona-Ampel hatte lediglich zwei Stufen: Ab einem Wert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen Tagen zeigt sie Gelb - dann greifen in den betroffenen Regionen automatisch eine verschärfte Maskenpflicht, striktere Kontaktbeschränkungen und eine Sperrstunde in der Gastronomie ab 23.00 Uhr. Bei einem Wert von 50 schaltet die Ampel auf Rot, dann gelten regional noch einmal schärfere Kontaktbeschränkungen, und Restaurants müssen noch früher schließen, um 22.00 Uhr. Bei der neuen - dunkelroten - Stufe ab dem Wert 100 sollen Restaurants schon um 21.00 Uhr schließen müssen.

Söders Koalitionspartner, Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl, sagte allerdings sogleich, man müsse bei der Ampel "vielleicht noch etwas nachbessern".

Ausländische Berufspendler, die sich binnen 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sollen künftig einmal pro Woche einen negativen Corona-Test vorweisen müssen. "Unser Ziel ist, dass die Grenzen offen bleiben", sagte Söder und betonte: "Wer Grenzen offen halten will, der muss auch für mehr Sicherheit sorgen."

Die Maßnahme wird insbesondere Berufspendler aus Österreich und Tschechien treffen. Tschechien, das europaweit zu den Ländern mit den höchsten Infektionsraten je 100 000 Einwohner zählt, gilt laut Robert Koch-Institut ebenso als Risikogebiet wie die direkt an Bayern grenzenden österreichischen Bundesländer Tirol und Vorarlberg.

Finanzielle Hilfen für Soloselbstständige

Für den öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern kündigte Söder einen Corona-Bonus an. Die Leistungsprämie über 500 Euro solle unter anderem die Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern stärken, die bis an die Grenzen ihrer Belastung arbeiteten, erklärte der Regierungschef.

Söder kündigte zudem finanzielle Hilfen für Solo-Selbstständige wie etwa freischaffende Künstler an. Die staatlichen Mittel sollen nach seinen Worten als Ersatz für den ausbleibenden Unternehmerlohn und als Hilfe zum Lebensunterhalt verstanden werden. "Bayern hat ein hohes Kunstlevel. Ich möchte nicht, dass durch diese Pandemie am Ende die gesamte Kunst- und Kulturszene zerstört ist", sagte Söder. Unter anderem soll ein bereits bestehendes Spielstättenprogramm fortgeführt und auch auf Künstler ohne eigene Spielstätte ausgeweitet werden.

Zuletzt hatten immer mehr Regionen in Bayern den 50er-Wert teils deutlich überschritten. Acht Landkreise und kreisfreie Städte in Bayern lagen am Mittwoch laut Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) über dem Grenzwert von 100: die Städte Augsburg, Schweinfurt und Weiden sowie die Landkreise Schweinfurt, Rottal-Inn, Mühldorf am Inn, Fürstenfeldbruck und - seit Tagen bundesweiter Spitzenreiter - der Kreis Berchtesgadener Land.

Söder warnte in eindringlichen Worten davor, Corona auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Zahl der schwer Erkrankten in den Kliniken nehme spürbar zu, in den vergangenen Wochen habe es einen deutlichen Anstieg bei der Belegung der Intensiv- und Beatmungsbetten gegeben. Es solle sich keiner täuschen: "Es kann ganz, ganz schnell gehen."

Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze warf Söder Alleingänge und eine mangelnde Beteiligung des Landtags vor. "Geht es Ihnen wirklich um die Pandemiebekämpfung, oder geht es Ihnen um Profilierung?", fragte sie und mahnte: "Wir müssen bei Corona alle Teamspieler sein."

Auch AfD, SPD und FDP beklagten eine unzureichende Beteiligung des Landtags. "Die AfD ist der parlamentarische Arm des Grundgesetzes", sagte die AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner unter dem Gelächter von Abgeordneten der anderen Fraktionen. SPD-Fraktionschef Horst Arnold warf Söder einen "Wildwuchs an Ankündigungen und Maßnahmen" vor. "Krisenpolitik braucht demokratische Kontrolle." Den Vorschlag Söders, eine wöchentliche Minister-Fragestunde zu Corona einzurichten, bezeichneten Oppositionsredner als unzureichend.
(Christoph Trost, Josefine Kaukemüller und Michael Donhauser, dpa)

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