Politik

26.09.2024

Soll Bayern bereits bezahlte Corona-Bußgelder zurückzahlen?

Bayerns Ministerpräsident Söder hat angekündigt, alle offenen Corona-Bußgeldverfahren einzustellen. Bayerns FDP-Chef Martin Hagen fordert nun als Konsequenz, auch bereits gezahlte Bußgelder zurückzuzahlen. Davon hält Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Landtag, nichts. Einig sind sich beide, dass die Corona-Schutzmaßnahmen der Staatsregierung aus ihrer Sicht zu weit gingen

JA

Martin Hagen, Vorsitzender der FDP Bayern

Markus Söder hat angekündigt, alle offenen Bußgeldverfahren im Zusammenhang mit Corona-Verordnungen einzustellen. „Wir wollen jetzt Frieden haben“, so der Ministerpräsident. Ein spätes Eingeständnis, dass er während der Pandemie heillos überzogen hat?

Wir erinnern uns: Bürger durften nachts ihr Haus nicht mehr verlassen, tagsüber nur mit triftigem Grund. Sie durften sich maximal 15 Kilometer vom eigenen Wohnort entfernen. Soziale Kontakte jenseits des eigenen Hausstands waren verboten. Kindern und Jugendlichen wurde nicht nur der Schulbesuch, sondern auch alle möglichen Sport- und Freizeitaktivitäten über Monate hinweg untersagt.

Bei Verstößen gegen die teils absurden Regeln wurde Bußgeld fällig – im Frühjahr 2020 beispielsweise für Bürger, die alleine auf einer Parkbank ein Buch lasen. 2021 mussten fünf Allgäuer Schüler jeweils über 200 Euro zahlen, weil sie im Freien Tischtennis gespielt hatten. Noch teurer kamen Verstöße gegen die Maskenpflicht zu stehen – selbst dort, wo diese nach Ansicht von Experten völlig sinnlos war. 

Einige Bußgelder mussten bereits zurückgezahlt werden, nachdem das Bundesverwaltungsgericht Ende 2022 die rigiden Ausgangsbeschränkungen aus der ersten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung für unverhältnismäßig erklärt hatte. Dies betraf aber nur den Zeitraum bis April 2020.

Nach Markus Söders Ankündigung, alle noch offenen Verfahren einzustellen (das sind gut 17 000), stellt sich nun die Frage nach der Gleichbehandlung: Was ist mit den rund 240 000 Fällen, in denen die Bußgeldbescheide bereits beglichen wurden? Sind diejenigen, die anstandslos bezahlt haben, jetzt die Dummen? 

Die Staatsregierung sollte sich einen Ruck geben und auch diesen Menschen ihr Geld zurückerstatten. Das wäre auch ein Signal an die Bevölkerung, dass CSU und Freie Wähler aus ihren Fehlern während der Corona-Zeit gelernt haben. 

NEIN

Toni Schuberl, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag

Es nervt, wenn Markus Söder meint, er könne für seine persönliche Schlagzeile erst Regeln beschließen und dann wieder abschaffen, wie er lustig ist. Wir haben einen Rechtsstaat und keine Ego-Show. Die geplante Maßnahme des Ministerpräsidenten ist ein Affront gegenüber all denjenigen, die sich rechtstreu verhalten und die Corona-Regeln eingehalten haben.

Wir Grüne haben schon während der Corona-Pandemie eine Evaluation der verhängten Maßnahmen gefordert. Es braucht eine sachliche und umfassende Aufarbeitung, um für die Zukunft daraus zu lernen. Söder lehnt das strikt ab. Er will gar nicht wissen, was gut und was falsch gelaufen ist. Er spricht vom Frieden schließen, so als wäre es Krieg gewesen. Diese Wortwahl ist völlig daneben. Unsere Position ist da differenzierter. Bußgelder, die auf Vorschriften beruhen, die Gerichte als rechtswidrig eingestuft haben, müssen komplett zurückgezahlt werden. Dafür kämpfen wir schon länger.

Das krasseste Beispiel ist die Ausgangssperre, die wir in ihrem Ausmaß auch kritisiert hatten. Sie ist von einem Gericht als verfassungswidrig eingestuft worden. Da sind sogar Leute ins Gefängnis gesperrt worden, weil sie gegen die Ausgangssperre verstoßen hatten. Das war völlig überzogen. Bei diesen Menschen sollte sich Söder persönlich entschuldigen.

Die Bußgelder für rechtmäßige Maßnahmen hingegen dürfen nicht einfach gestrichen werden. Wir müssen die Sinnhaftigkeit hinterfragen und diskutieren. Auch eine im Nachhinein unsinnig erscheinende Regel kann damals, zum Zeitpunkt des Erlasses, sinnvoll gewesen sein. Und dann muss sie auch eingehalten werden. Ein Verstoß führt zu einem Bußgeld, und darauf muss man sich auch verlassen können.

Mit einer Regierung, die willkürlich heute hü, morgen hott sagt, ist niemandem gedient. CSU und Freie Wähler haben die Corona-Regeln beschlossen. Es wäre gut, wenn sie Rückgrat beweisen würden und auch dazu stehen. 
 

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