Politik

08.08.2024

Soll das Bürgergeld für Ukrainer*innen abgeschafft werden?

Das Bürgergeld für Urainer*innen erhitzt immer wieder die Gemüter. Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld der FDP im Bundestag, ist dafür, es abzuschaffen. Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl, hält dagegen.

JA

Jens Teutrine, Sprecher für Bürgergeld der FDP im Bundestag

Das oberste Ziel muss lauten: Arbeit statt Bürgergeld. Arbeit strukturiert den Alltag, fördert soziale Teilhabe, stärkt die Integration, unterstützt den Spracherwerb, vermittelt Sinn und gibt Menschen das Gefühl, gebraucht zu werden. Es ist nicht sozial, dazu beizutragen, dass Menschen dauerhaft in Arbeitslosigkeit verweilen und Sozialleistungen beziehen. Sozial ist es hingegen, wenn alle, die arbeiten können, auch arbeiten – sowohl schutzberechtigte Geflüchtete als auch langjährig in Deutschland lebende Personen.

Um Arbeit bestmöglich zu vermitteln, benötigen Familien und insbesondere Alleinerziehende eine gute Kinderbetreuung, ausländische Berufsqualifikationen müssen schneller anerkannt werden, der Spracherwerb muss gefördert werden, und es muss sich spürbar mehr lohnen, zu arbeiten, statt von Sozialleistungen zu leben. In kaum einem anderen europäischen Land sind die Sozialleistungen für Asylbewerber und Schutzberechtigte so hoch wie bei uns. Dies beeinflusst die Wahl des Schutzlands innerhalb der EU und schwächt Lohnabstand sowie Erwerbsanreize.

Wer sich weigert, über den angemessenen Umfang von Sozialleistungen zu diskutieren – sodass das Existenzminimum sichergestellt und gleichzeitig einen ausreichender Lohnabstand gewährleistet wird –, ignoriert die Realität und schadet der Arbeitsmarktintegration. Ein europaweit einheitlicheres Niveau staatlicher Leistungen für neu Ankommende wäre sinnvoll. Es erscheint rechtlich möglich, geringere Sozialleistungen – analog zum Asylbewerberleistungsgesetz statt dem Bürgergeld – mit aktuellen Vermittlungsstrukturen und besseren Qualifizierungsmöglichkeiten zu kombinieren.

Arbeitsmöglichkeiten müssen weiterhin ab Tag eins an bestehen, um ukrainische Geflüchtete schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Da ist gerade in Deutschland im Vergleich noch Luft nach oben. Hier sind Korrekturen notwendig.

NEIN

Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher von Pro Asyl

Geflüchtete aus der Ukraine müssen weiterhin Bürgergeld bekommen – aus mindestens vier Gründen: Alle Schutzberechtigten müssen gleichbehandelt werden; langfristig würde die Streichung teurer; die Kommunen müssen entlastet und die Integration gefördert werden.

Alle Menschen mit einem Schutzstatus erhalten in Deutschland Bürgergeld, nach der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannte Menschen ebenso wie Menschen, die aus der Ukraine geflohen sind und nach der EU-Richtlinie Schutz in Deutschland gefunden haben. Es gibt keinen Grund, diese Gleichbehandlung aufzugeben.

Wer das Bürgergeld streicht, um zu sparen, handelt kurzsichtig und muss im Endeffekt mehr Geld ausgeben. Denn mit dem Bürgergeld würden etliche Angebote der Arbeitsagentur wie Fortbildungen und Bewerbungsbegleitung wegfallen. Angebote, die bei Menschen aus der Ukraine bisher gut funktionieren: Zwei Jahre nach ihrer Ankunft sind bereits 25 Prozent der Ukrainer*innen im ersten Arbeitsmarkt integriert, trotz neuem Land und neuer Sprache. Wer das Bürgergeld streicht, behindert die Integration der Menschen aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt und macht sie länger von staatlichen Leistungen abhängig.

Wer das Bürgergeld streicht, wälzt außerdem Verantwortung und Kosten vom Bund auf die Kommunen ab. Ein billiger Trick. Denn durch die wechselnde Zuständigkeit müssen die Kommunen mehr Arbeitskraft, Unterbringungskosten und Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz stemmen, die statt des Bürgergelds gezahlt werden müssten. Dazu kommt: Schon das Bürgergeld bietet nur das Existenzminimum in Deutschland. Die Asylbewerberleistungen hingegen liegen noch weit unter dem Existenzminimum – und das rechtswidrig, wie das Bundesverfassungsgericht schon 2012 festgestellt hat. Somit muss das Asylbewerberleistungsgesetz abgeschafft werden, nicht das Bürgergeld für Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.

 

Kommentare (1)

  1. Joachim Datko am 12.08.2024
    Ich bin für geringere Zahlungen an Ukrainer.

    Zitat Tareq Alaows, Pro Asyl: "Zwei Jahre nach ihrer Ankunft sind bereits 25 Prozent der Ukrainer*innen im ersten Arbeitsmarkt integriert, trotz neuem Land und neuer Sprache."

    Das sind zu wenige. Wir sollten die finanziellen Anreize keine Arbeit anzunehmen reduzieren.

    Joachim Datko - Ingenieur, Physiker
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